Wir befinden uns im Endspurt der Corona-Krise.
Nehmen wir den Satz mal so als These.
Die Frage stellt sich also, wie es nach den Sommerferien weitergeht, dann, wenn das „normale“ Leben wieder zurückkehrt.
Die Frage ist, ob eine Rückkehr zum Vorher tatsächlich erwünscht ist. Erinnern wir uns: Vor Corona standen wir doch kurz vor dem klimatischen Untergang.
Damals, kurz vor Corona, drehte der Konsum im roten Bereich. Und wer nicht mindestens zweimal im Jahr in die Ferien flog, litt unter Depressionen.
Zuviele Touristen, zuviel Fleisch, zuviele T-Shirts, zuviel Ischgl, zuviel Echtzeitinformation.
So kann es nicht weitergehen, sagte nicht nur die Klimajugend.
Was diese übrigens aufgezeigt hat und nach Corona an Bedeutung gewinnen wird: Nicht mehr Mehrheiten stellen die Weichen, sondern lautstarke Minderheiten.
Die Klimajugend hat in Sachen CO2-Neutralität drastische politische Richtungsänderungen eingeläutet, wie sie noch 2015 oder 2016 gar nicht vorstellbar waren.
Sowohl in der Industrie – Aus für den Verbrennermotor – als auch in der Politik: 2050 klimaneutrale Schweiz.
Die ökologische Wende wird Tatsache werden, was sich in den Wahlergebnissen der Corona-Zeit bereits ankündigt.
Die ökologische Wende ist es denn auch das Thema, dass das neue Normale in allen Lebensbereichen bestimmen wird.
Erheblich beschleunigt.
Damit verbunden ist ein Umbruch des politischen Systems. Zwar ist die Schweiz, was die Bürgerbeteiligung anbelangt, anderen Ländern weit voraus.
Doch auch unser System wird (noch immer) von politischen Parteien geprägt. Das wird sich ändern, weil die Parteien die Menschen mit ihren alten Botschaften nicht mehr erreichen.
Das hat Corona in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Sie hatten im Wortsinn nichts mehr zu melden.
Ein erstes deutliches Anzeichen für grosse Verunsicherung der Parteigänger ist die Selbstaufgabe der CVP, ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Pandemie.
Die Unbenennung in „Die Mitte“ ist kein PR-Marketing, sondern vielmehr Ausdruck einer Sinnkrise.
Die Frage, die sich daraus ableiten lässt: Für was braucht es noch Parteien?
Gut, vielleicht noch fürs institutionelle Weiterverarbeiten der Themen, die von Bürgerkomitees und Spontanbewegungen, also von (lautstarken) Minderheiten, angestossen werden.
Auf die Veränderungen in der politischen Partizipation, muss reagiert werden.
Die Aufgabe des Staates (und der Politik) muss sein, den Bürgerinnen und Bürgern digitale Instrumente und Plattformen anzubieten, über die sie am pollitischen Prozess teilnehmen können, ohne zwangsweise einer Partei angehören zu müssen.
Der offene Zugang zu den vom Staat erfassten Daten und Informationen für alle wird zur neuen Währung der direkten Demokratie.
Zum neuen Normalen gehört auch, dass wir uns mit Gruppierungen mit Wahnvorstellungen auseinandersetzen müssen.
Corona hat die Vielfalt an ziemlich verschrobenen Interpretationen der Realität aus dem Untergrund ans Tageslicht befördert.
Das ist gut so.
Dass diese Gruppierungen eine gute Portion Aggressivität und Gewaltbereitschaft in den politischen Diskurs einbringen, ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Trotzdem können wir durchaus zuversichtlich sein.
Zum Beispiel weil die Masken- und Impfstoffdiskussion bei vielen das Bewusstsein für globalen Zusammenhänge deutlich gesteigert hat.
Man soll sich also nicht täuschen lassen, wenn im Herbst wieder alle in die Ferne verreisen und die Läden einen Bombenumsatz machen.
Die ökonomischen Prozesse werden trotz Herbstrausch von viel mehr Menschen als noch vor einem Jahr kritisch hinterfragt.
Die Geschichte der Seuchen deutet darauf hin, dass sie Innovationen freisetzen und neue Kräfte hervorbringen, was bedeutet, dass eine Vision für eine bessere Zukunft gefragt ist.
Ich denke, die Schweiz ist dank ihrer Mittelmässigkeit in einer hervorragenden Ausgangslage für die anstehenden Veränderungen.
Weil Mittelmässige schlicht weniger zynisch sind als Eliten.
Dazu kommt: Corona räumt für die neue Generation mit dem seit 70 Jahren geltenden Glaubenssatz der Vorgänger auf: Die Zukunft sei planbar.
Das ist der eigentliche Akt der Befreiung.
Rampass meint
Tönt nach „Great Reset“. Wer will das und wieso? „Klimarettung“?
Energiestrategie 2050: zur Zeit der Abstimmung im 2017 gab’s keine „Klimajugend“. Die hat gar nichts eingeläutet. Nur weil die im linksgrünen Mainstream reichlich Zuspruch erhält, repräsentiert die sicher nicht die „Jugend“. Die jungen Erwachsenen, die sich jeden Abend an der Tankstelle treffen und ihre Boliden aus dem deutschen Automobilbau präsentieren, die gehören sicher nicht dazu.
Der Rampass kriegt Depressionen, weil er nicht mehr zusammen mit seinen Freunden auswärts Essen gehen kann. Und zusehen muss, wie „Hotelgäste“ den Nachmittag in der abgeschotteten Gartenbeiz verbringen dürfen.
M.M. meint
Der Wandel hat mit Links-Rechts nichts (mehr) zu tun, sondern mit einem Bewusstseinswandel quer durch die Bevölkerung.