Heute ist es so, dass des öfteren das früher völlig Undenkbare eintritt: Unser Kühlschrank ist einfach leer.
Damals, als unsere Kinder noch bei uns wohnten, kam das nie vor.
Ich schwör’s.
Da war unser Kühlschrank eine Art Mini-Migros, ein vollgestopfter Querschnitt durch deren Sortiment.
Wobei es selbstverständlich so war, dass abends um Halbsieben ausgerechnet das Haselnussjogurt fehlte. Was mit der Bemerkung quittiert wurde: „Hast du schon wieder…“
Dieses „schon wieder“ klingt mir heute noch in den Ohren, obwohl ich mich damals keineswegs angesprochen fühlte.
Schliesslich war sie für den Nachschub besorgt.
Heute ist der Blick in den leeren Kühlschrank Anlass zur Freude.
Weil wir immer nur noch das einkaufen, was wir zur Zubereitung unserer nächsten Mahlzeit, vielleicht noch der übernächsten, tatsächlich benötigen.
Der Betriebspegel unseres Kühlschranks bewegt sich deshalb schon seit Jahren um die Marke „halbvoll“ herum.
Unser Lebensmittellager haben wir zur Migros und zur Manor verlegt. Und unseren Weinkeller haben wir beim Rietschi im Tal.
Doch jetzt ist da dieses Wuhan-Virus.
Als der sich letzte Woche in der Lombardei in irgendeine Lunge einnistete, habe ich sie gefragt, ob wir nicht einen Notvorrat anlegen sollten.
Genügend Mehl für einen Monat zum Beispiel kaufen, weil wir unser Brot immer selbst backen.
Seit die Kinder weg sind, haben wir ausser den paar Pelati-Büchsen keine Notvorräte im Haus.
Notvorräte – das erinnert an den Kalten Krieg, an damals, als sie uns glauben machten, die Russen würden demnächst vom Thurgau aus nach Basel vorstossen.
Aber Notvorräte wegen dieses Biermarken-Virus?
Es ist schon eigenartig, wie der Mensch so tickt.
Ich meine, die Wahrscheinlichkeit, dass sich mit meinem Auto beim Stollenrain mit dem 10er kollidiere ist doch um einiges wahrscheinlicher, als dass ich mir den Corona-Virus einfange.
Und trotzdem fahre ich dort täglich über die Tramschienen. Und denke jetzt darüber nach, wegen einer unwahrscheinlichen Bedrohung einen Notvorrat anzulegen.
Die Hände wasche ich mir schon immer gründlich und bin damit einer der wenigen, die das auf der Herrentoilette machen.
Doch sicher ist sicher, wie der Volksmund so sagt.
Aus der Reisekiste habe ich mir das Desinfektions-Gel von der Migros geholt. Auf unseren letzten Reisen haben wir das nie gebraucht.
Also wenn ich mir vorstelle, dass irgendein Idiot, der sich nach dem Pissen die Hände nicht wäscht, danach hier in Arlese mit dem Corona-Virus flachliegt und Polizei und Militär das Dorf abriegeln, wir also nicht mehr rauskönnten, um zur Migros an unseren Notvorrat zu gelangen… irgendwie ist das eine surreale Vorstellung.
Wenn ich mir das Bild jetzt so beim Schreiben durch den Kopf gehen lasse, dann komme ich zum Schluss, dass ich noch heute zum Rietschi muss, um ein paar Flaschen Roten und Weissen aus unserem Weinkeller zu holen.