
In den letzten Tagen habe ich gelesen. Wie immer viel gelesen. Und die Kanzlerwahlen in Deutschland verfolgt.
Es ist unterhaltsam – ein Aufreger jagt den nächsten.
Früher hiess es: Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Heute ist schon egal, was vor zehn Minuten online gestellt wurde – die Nachricht ist überholt, die gewollte Empörung verdampft.
Der Journalismus unserer Tage ist ausser Atem – und hat sein Publikum auf Gleichgesinnte reduziert. Berichtet, vor allem aber kommentiert wird für die eigene Blase: urban, akademisch, links der Mitte.
Auch auf der anderen Seite wird keine Debatte geführt – sondern lediglich rechtes Echo erzeugt. In jenen Nischen, wo man sich als letzte Bastion der Wahrheit wähnt, wird nicht analysiert, sondern gebrüllt. Jedes Brüsseler Dossier ein Verrat, jede Abstimmung eine Systemfrage.
Empörung ersetzt Denken, die Pose das Argument.
Auf beiden Seiten.
Deshalb wird heute keine Zeitung mehr abonniert, sondern eine mediale Komfortzone:
- Die NZZ – liberale Intelligenzia-Zeitung für Zürcher Altbauwohnungen.
- Der Tages-Anzeiger – Zentralorgan der urbanen Moralmehrheit.
- SRF – wo Aktivismus und Service public zur Einheit verschmelzen.
- Der Nebelspalter? Früher Satire, heute Sturmgeschütz der Zuger Konterrevolution.
- Die Weltwoche? Bühne des Tabubruchs mit intellektuellem Zuckerguss.
Und irgendwo dort reihen sich all die anderen ein.
Die mediale Front verläuft nicht mehr zwischen Argumenten, sondern zwischen Milieus. Der Frontverlauf im Stellungskrieg wird täglich an der Clickrate gemessen.
Soll man das nun bedauern?
Ich neige zu: Was soll’s.
Wer denkt, braucht kein Lagerfeuer – sondern Unruhe im Kopf.