Eigentlich habe ich es nicht verstanden, dass man Herrn Jornod zum VR-Präsidenten der NZZ gemacht hat.
Gestern beim rumgooglen habe ich erfahren, dass ihn der Vertreter eines bekannten Headhunters am Flughafen Kloten abgefangen hat, um ihm den Posten anzubieten.
Man hätte mir keine grössere Freude machen können!
Hat er später in einem Gespräch mit Hanspeter Bürgin in verblüffender Offenheit gestanden.
Er beschwert sich auch bei ihm, dass in den schriftlich zugestellten Fragen (!) keine zu seiner Rolle als Verwaltungsrat von Alliance Boots enthalten sei.
Niemand hat mir je auch nur eine Frage zu diesem Mandat gestellt. Auch Sie nicht!
Diese beiden Zitate sind denn auch der Schlüssel zum Verständnis der Person Jornod.
Er ist ein Mann, der Zeit seines Lebens nach Anerkennung sucht. Diese zu finden, ist ihm zumindest in seinem geschützten Raum Galenica gelungen, dem ersten und einzigen Unternehmen, bei dem der 61-Jährige ehemalige Drogist je gearbeitet hat.
Er geniesst dort die eingeforderte Anerkennung, weil er die Macht hat, sich ausschliesslich mit Leuten zu umgeben, die ihm treu ergeben sind. Wer da nicht mitmachen will, fliegt.
Ich kenne Herrn Jornod ziemlich gut, weil ich bis 1999 während sechs Jahren im Mandatsverhältnis für Galenica tätig war und die Unternehmenskommunikation in den damaligen Umbruchzeiten professionalisiert habe.
Keine Frage, Herr Jornod hat einiges zustande gebracht, hat aus einer selbstzufriedenen quasi Monopolorganisation rausgeholt, was möglich war.
Die Firma wuchs, doch das Grundproblem der zu geringen Margen im Distributionsbereich konnte auch mit dem Zukauf zahlreicher Apotheken nicht aus der Welt geschafft werden. Die Branche ist reguliert wie kaum eine andere.
Was den Neuenburger zu seinen unternehmerischen Höhenflügen hat ansetzen lassen, sind zwei Faktoren: Zum einen der Goldesel Vifor, ein Pharmaunternehmen, das mit einem einzigen Produkt die Distribution während Jahren quersubventioniert hat.
Unserer Meinung nach verfügt Vifor Pharma mittelfristig über ein sehr grosses Potenzial.
Liess Herr Jornod im August dieses Jahres in einer internen PR-Schrift aufzeichnen. Was mich amüsiert hat. Denn das sagte Herr Jornod schon in den 90er-Jahre.
Überhaupt kommt der Mann schon seit Jahren mit erstaunlich wenigen Sätzen über die Runde. Und ist noch einer der alten Garde, die sich damit Brüsten, mit vier, fünf Stunden Schlaf auszukommen.
Der zweite Faktor für seinen Erfolg kam in Gestalt des „Ersatzvaters“ Stefano Pessina (Anerkennung). Der öffnete ihm den Zugang zur Beteiligung zu Alliance Boots, wobei man wohl eher umgekehrt sagen kann, dass Alliance Boots sich mit der Kreuzbeteiligung via Galenica den Fuss im Schweizer Markt hat.
Zwar stellt sich Herr Jornod gerne als umgänglich und als Teamplayer dar.
Er versteht darunter aber etwas völlig anderes, als die Journalisten, die solches über ihn schreiben. Er hat, wie es bei der französischen Führungselite Brauch ist, eine völlig unverkrampftes Verhältnis zur absoluten Herrschaft. („Galenica c’est moi“ – die Konzernsprache der Berner Galenica war in den 90er-Jahre selbstverständlich Französisch.)
Vielleicht kann man noch hinzufügen, dass er seit Jahrzehnten einen (väterlicher) Berater zur Seite hat, ohne den er kaum eine Entscheidung fällt.
Inzwischen hat Herr Jornod auch ein unverkrampftes Verhältnis zum Geld entwickelt. 20 Millionen in Aktien hat er sich kürzlich für einen 5-Jahresvertrag zusichern lassen.
Ob Herr Jornod tatsächlich der grossartige Unternehmer ist, als den ihn die Presse immer wieder beschreibt, wird sich jetzt zeigen. Denn erstmals bewegt sich der Mann ausserhalb seiner geschützten Werkstatt, in einer ihm völlig fremden Branche. Freude am Amt ist noch keine Qualifikation.
Er wird noch lernen müssen, dass der Ressortleiter einer Zeitung kein Produktmanager ist.
Es schneit.
Vijay meint
Danke für diesen Artikel. Trotz guter Recherche wirkt die Passage bezüglich Brüsten von Herrn Jornod etwas irritierend; lassen wir diese lieber im Verborgenen.
Michael Przewrocki meint
M.M. macht doch hier genau das was die NZZ in den 80er vorbildlich gemacht hat: Detaillierte Schilderung der Vorgänge im Ostblock-insbesondere Polen(meine Ex-Heimat). Dazu gibts ein erhellendes dickes Buch von Bernstein und einem Italiener. 2/3 Geheimdienst-Vorgänge, letztes 1/3 Religion/Katholizismus/Vatikan. Muss den Titel ausgraben. NB: Auch die Biographie von Hans J. Bär: „Seid umschlungen, Millionen“ sowie „Tatort Bundeshaus“ von NR Hubacher klären auf wie nie zuvor.
G. Koller meint
Auf diesen Titel habe ich gewartet, danke.
A.Schaffhauser meint
Das Problem ist doch nicht Herr Jornod. Sondern das in die Jahre gekommene Konglomerat NZZ selbst, das via Headhunter (!) auf einen komplett Branchenfremden dieser mittleren Preisklasse setzt. Herr Spillmann war bereits eine etwas niederschwellige Nomination.
Blacky meint
Gilt nicht mehr die alte PR-, Kommunikations- oder was auch immer -Berater-Regel, wonach man nicht über Kunden oder Auftraggeber plaudert? Auch nicht nach ein paar Jahren? Zu meiner Zeit war das noch anders.
M.M. meint
Der Mann ist so, wie er ist. Das gibt es keine Geheimnisse. Die lagen in eine, ganz anderen Bereich. Darüber wurde nicht geredet.
Marc Schinzel meint
Voller Sukkurs. Ähnliche Gedanken hatte ich auch, ohne Jornods Hintergrund genauer zu kennen. Ich zweifle daran, ob Jornod fähig ist, die Folgen seines Vorschlags richtig einzuschätzen.Fliegt man für drei Wochen in Urlaub, wenn man einen solchen Wechsel vornehmen möchte? Ich habe den Eindruck, Matkus Somm analysierte besser, mit einer Perspektive, die über die NZZ hinaus auch potenzielle politische Kollateralschäden einbezog. So paradox es klingen mag: Somm hat Jornod wohl vor einem Fehler bewahrt. Was das für die Zukunft der NZZ unter Jornods Führung heisst, bleibt allerdings offen.
Michael Przewrocki meint
Schade dass wir das alles erst jetzt erfahren. Wie wärs mit einer Analyse all dieser Verwaltungsräte. Warum kann das eigentlich nicht der Aufklärer schlechthin tun, die NZZ? Haben die keine mutigen Journalisten mehr? Es nützt nichts alles zu schlucken.
Meury Christoph meint
Da der Verwaltungsrat der NZZ Mediengruppe aus 9 Leuten besteht, wird Etienne Jornod als VR-Präsident nicht alleine bestimmen können, wo’s lang geht.
Die weiteren Mitglieder: Franz Albers, Karin Keller-Sutter, Dr. Bernd Kundrun, Carolina Müller-Möhl, Dr. Christoph Schmid, Joachim Schoss, Dr. Dominique von Matt und Isabelle Welton werden in diesem Club nicht nur als Marionetten sitzen. Ergo kann Etienne Jornod gut oder schlecht sein, er ist nur eine Stimme im Verwaltungsrat. Vielleicht ist er sogar nur das Gesicht nach aussen und die anderen Mitglieder bestimmen den eigentlichen Kurs….
M.M. meint
Die Bedingung für den Posten war, dass er etwas zu sagen hat.