Alle machen auf Jahresrückblick.
Ich auch.
Mit dem Zugeständnis, dass ich mich gewaltig geirrt habe.
Am 4. Januar mit folgendem Satz:
Meine Prognose fürs 2020: Er wird im Verlaufe des Jahres ausgewechselt.
Gemeint habe ich damit Marcel Rohr, den Chefredaktor beim Basler Ableger des Tagesanzeigers „Basler Zeitung“.
Welch grundsätzlicher Fehleinschätzung ich da im Januar aufgesessen bin, ist mir jedoch erst jetzt im Dezember klar geworden.
Das Online-Magazin hat eine mehrteilige Hintergrundrecherche, „Die Tamedia Papers“, zur TX Group veröffentlicht, die man lesen muss, will man die aktuelle Tristesse auf dem Schweizer Medienmarkt verstehen.
Man kann sich danach immer noch denken, was man will.
Ich bleibe dabei: Journalistisch markiert Rohr den Tiefpunkt aller Chefredaktoren der Basler Zeitung (und deren Vorgängerblätter).
Doch ihn zeichnet die entscheidende Qualität eines Chefredaktors der TX Group aus: Er zweifelt nicht an der 15-Prozent Renditevorgabe des Konzerns.
Im Teil „Strahlende Zukunft“ der Recherche bin ich auf folgenden Abschnitt gestossen, der das Rätsel der Rohr’schen Chefredaktion auflöst:
Artur Vogel war von 2007 bis 2015 Chefredaktor des Berner «Bunds»: «In der Öffentlichkeit erklärt Pietro Supino immer, er fühle sich dem Qualitätsjournalismus verbunden, aber mir gegenüber sprach er immer nur von Rendite – von den berühmten 15 Prozent. Ich habe keine Ahnung, warum es ausgerechnet 15 Prozent sein mussten und nicht 12 oder 18. Uns wurde finanziell die Luft abgeschnürt. Ich bin Journalist geworden, weil ich gerne schreibe, aber meine letzten Jahre [im Beruf] verbrachte ich damit, Geld zu sparen und Leute zu entlassen.»
Ich kenne Artur recht gut. Wir hatten vor Jahren auf einer Journalistenreise in Afrika ein paar vergnügliche Tage miteinander verbracht.
Er ist, im Gegensatz zu Rohr, ein politischer Vollblutjournalist. Und hat deshalb beim Bund das Handtuch geworfen.
Meine neue Voraussage fürs nächste Jahr: Marcel Rohr wird auch Ende Dezember 2021 noch Chefredaktor der Basler Zeitung sein.
Er ist der 15 Prozent-Mann der TX Group in Basel.
Mehr muss er nicht.
Michael Przewrocki meint
Was ist eine Journalistenreise rsp wozu diente sie? Weiterbildung, Vergnügen?
M.M. meint
Man wird eingeladen, gratis rumzureisen, um anschliessend darüber zu schreiben, wie toll es war. Anlass war damals die Eröffnung des Direktflugs von British Airways von Zürich nach Harare (Simbabwe).
Habe darüber hinaus ein halbes Jahr später noch einen längeren Beitrag fürs BaZ-Magazin über den Befreiungskampf in Südrodesien (Simbabwe).
Marc Baumgartner meint
Ah, „Influencer“ nennt man das heute…
Franz meint
Also so ca. 10% der Bevölkerung sind heute journalistisch unterwegs.
Michael Przewrocki meint
Rhodesien lang lang ists her. Smith hiess der langjährige weisse Präsident.
Journalisten BR können die immer noch für Nichts(10%? oder warens 25%?) fliegen? Somit wären Pseudojournalisten Tür und Tor zu Schnäppchenflügen geöffnet.