Na klar ist es einfach, an PolitikerInnen herumzukritteln.
Wir dürfen das ja auch, im Gegensatz zum Staatsvolk in anderen Ländern.
Das Problem ist jedoch, dass wir gar nicht mehr herumkritteln können. Denn dies würde ja ein Minimum an Verstehen voraussetzen. Verstehen, was die so tun und sagen.
In unserem Namen.
Die Krux ist, dass wir ratlos zuschauen, wie die scheinbar völlig konzeptlos und über Nacht Entscheide von ziemlicher Tragweite fällen.
Man getraut sich ja kaum mehr, morgens aufzuwachen.
Und alles ist Showtime als wären die dauernd beim WEF.
Nehmen wir beispielsweise Herrn Sarkozy. Der will für Frankreich die sogenannte Tobin Tax einführen, d.h., Börsentransaktionen mit einer 0.1 %-Steuer belegen.
Warum tut der das?
Schweden hatte diese Transaktionssteuer 1984 eingeführt. Statt der erwarteten Milliarden brachte sie ein paar unscheinbare Millionen ein, richtete die Stockholmer Börse nachhaltig zugrunde und wurde von einer sozialistischen Regierung 1993 in einem Akt der Verzweiflung wieder abgeschafft. Die grossen Gewinner dieses Unsinns waren die Börsen von Oslo und London.
Wen’s wirklich interessiert, kann diese Studie des Adam Smith Instituts lesen: The Tobin tax: Reason or treason?
Er tut das, und das gibt er bar jeglichen Schamgefühls offen zu, um wiedergewählt zu werden. Um bei denen, die eh immer die Beschissenen (nein, nicht die, die eh nichts haben, sondern der Mittelstand) sind, ein paar Stimmen zu holen.
Ugugu meint
Der Witz an der Tobin-Tax ist tatsächlich, dass man sie global einführen müsste. Was beim FCKW funktioniert hat, wird früher oder später auch bei der Tobin-Tax funktionieren…
Fred David meint
Warum sollen alle andern Geschäfte mit Mwst etc. belegt werden, ausgerechnet die grössten Geschäfte – Finanztransaktionen – aber nicht? Insbesondere soll es reine Spekulationsgeschäfte betreffen, die volkswirtschaftlich ohne jeden Sinn sind und der Wirtschaft insgesamt nichts nützen. Es werden riesige Summen im Sekundentakt umgesetzt, Papiere, Devisen etc. dauernd ge- und verkauft – für das Funktionieren der Wirtschaft völlig überflüssig! Der langfristig angelegte Börsenhandel wird jedoch geschont. Eine sehr vernünftige Ueberlegung. Der die Preis künstlich treibende Sekundenhandel soll mit der Steuer eingedämmt werden.
Die erwähnte ungleiche Steuerbehandlung ist unlogisch, ungerecht und unterhöhlt das Gleichheitsprinzip der Verfassung. Der einzige Grund, warum das so ist: Geld ist innerhalb von Sekunden an einen andern Ort der Welt transferierbar. So eine – völlig zu Recht – erhobene Steuer würde daher nur Sinn machen, wenn sie grossräumig eingeführt würde, sonst sind gibt es zu viele Fluchtmöglichkeiten.
Es gibt allerdings Hebel dagegen: z.B. das Domizilrecht, d.h. die Stelle, die die Transaktion auslöst wird am Domizilort besteuert. Das würde schon wirken, denn in der Regel müssen Börsenhändler bez. Banken eine Lizenz am Ort , wo der Handel stattfindet, erwerben.
Sarkozys Vorstoss ist also keineswegs eine reine Luftnummer.
Martin Steiger meint
Doch, denn er funktioniert nicht, so lange es Ausweichmöglichkeiten gibt – und solche wird es immer geben. Glaubwürdiger wäre eine Schliessung der französischen Off-Shore-Standorte, aber das wäre für Sarkozy wohl politischer Suizid (genauso wie für die Regierungen in Grossbritannien und in den USA).
Fred David meint
Das Off-Shore-Land Schweiz – die Schweiz hat das Off-Shore-Banking im Ersten Weltkrieg überhaupt als erste erfunden – sollte nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen und glauben, dann sei man aus dem Schneider. Natürlich klappt es nicht, wenn Frankreich allein mit Sarkozys Vortsoss bleibt. Aber das ist ja nicht gesagt. Als es um Geldwäschereigesetze ging, war der Tenor der gleiche: illusorisch, geht nur, wenn die ganze Welt mitmacht usw.. Damit glaubte man, die Sache verhindern zu können. Nach jahrelangem Tauziehen hat es denn eben doch geklappt, und es funktioniert heute besser als gedacht. So wird’s auch mit der Finanztransaktionssteuer gehen, es wird mehr als einen Versuch benötigen. Aber die Zeit ist reif, und auch der Druck von unten nimmt zu; das war bisher nicht der Fall.
Brave new world meint
Der Fehler ist nicht, bei Finanztransaktionen keine Mehrwertsteuer eingeführt zu haben. Der Fehler ist, dass es sie bei anderen Geschäften gibt. Eine vollkommen sinnlose Abzockerei.
Fred David meint
Ja, sicher: Abschaffung der Steuern, der Staat ist das Uebel aller Dinge. Aber wenn man dannn ein bisschen unter Druck gerät, wie jetzt der „Finanzplatz“, kann’s plötzlich wieder nicht genug Staat sein. Grad halt, wie’s passend ist für die eigenen Interessen.
Brave new world meint
So viel ich weiss sind es fremde STAATEN durch deren Geldgier der Finanzplatz unter Druck kommt. Also eben doch das Übel…..
Fred David meint
Ach was, die Schweizer sollen endlich aufhören, sich dauernd von irgendwem unter Druck gesetzt zu fühlen. Das ist ja schon eine kollektive Psychose.
Wer in den USA und anderswo laufend das Gesetz bricht, soll die Folgen gefälligst selber tragen und nicht dauernd jammern und den Schweizer Staat in Anspruch nehmen. (sorry, @)Brave new world, ist nicht persönlich gemeint)
Markus Saurer meint
Der Teil über die Tobin Tax ist super. Naja, eigentlich ist der ganze Beitrag hervorragend. Sobald M.M. von seiner Blocher-Paralyse gelöst ist, schreibt er tiptope Sachen….
;-))