Ich möchte nun wirklich nicht die nächsten vier Jahre damit verbringen, hier Woche für Woche über den Universitätsvertrag zu schreiben. Das würde auf Dauer nicht nur die geneigte Leserschaft langweilen, sondern auch mich.
Indes: Das Kind ist noch nicht in trockenen Tüchern. Zudem: Interessant ist ja nicht, was an einer Pressekonferenz gesagt wird. Da halten sich alle ans Manuskript. Hinhören muss man danach, wenn die Beteiligten das Gesagte interpretieren.
Oder Märchen erzählen, wie Herr Morin letzten Samstag in dieser Zeitung. Er hat tief in die Kopfstreichelkiste gelangt: «Wenn sich ein Ehepaar streitet, leiden die Kinder am meisten. In der Partnerschaft der beiden Basel sind die Uni und die Kulturinstitutionen die Kinder.»
Liebe Basler – redet der tatsächlich so mit euch?
Okay, nun wissen wir wenigstens, wie die Morins einen Ehekrach beilegen. Indem ER seine Frau am Morgen nach dem nächtlichen Streit fragt: «Willsch e Kaffi?» Und dann die Nespresso-Kapsel einlegt. Im Fall der beiden Kantone kostet der Kaffi 20 Millionen Franken. «Um die Partnerschaft zu stärken», erklärt el Presidente.
Während also Herr Morin auf seine ureigene Art den offensichtlich ahnungslosen Baslern Alltagspolitik näherbringt, hat sich Frau Herzog in der Sendung «061Live» von Telebasel ans Rentnerpublikum gewandt. Und ein paar erhellende Sätze zum Besten gegeben.
Zum Beispiel den, dass die Zeit jetzt genutzt werden soll, um «einen neuen Leistungsauftrag für die Universität auszuarbeiten». Schon 2017 könnte der den Parlamenten vorgelegt werden. «Unser Ziel ist, dass beide (Kantone) entlastet werden.»
Weil: «Es macht ja keinen Sinn, dass wir jetzt vier Jahre lang 20 Millionen zahlen und dann steht Baselland vor dem gleichen Problem.» Das nenn ich mal eine nüchterne Einschätzung der realen Lage. In der Tat: Auf der Landschaft rechnet niemand damit, dass sich die finanzielle Situation bis in vier Jahren deutlich verbessern wird.
Ausser Herr Lauber.
Gehen wir mal davon aus, dass für Baselland diese 20 Millionen als Untergrenze der künftigen Einsparungen gelten und Basel-Stadt weiterhin auf einer paritätischen Finanzierung besteht, dann könnte das für die Uni ab 2020 ein Minus von 40 Millionen Franken jährlich bedeuten.
Könnte.
Weil: Das einzig Verbindliche bei Politikern ist ja deren Unverbindlichkeit. Deshalb lieben sie das Schwammige. «Fünf Millionen von diesen 20 Millionen fliessen ab 2017 in Form von Mietzinsreduktionen an die Uni.» Sagte Frau Herzog in einem dahingenuschelten Nebensatz.
Was man so verstehen muss, dass dann noch 15 Millionen an Baselland überwiesen werden?
Überhaupt, das Jahr 2017 hat es in sich. Ab dann wird, wie im Uni-Vertrag festgelegt, der städtische Standortvorteil von derzeit zehn Prozent auf fünf Prozent zurückgefahren.
Was für den Landkanton eine Beitragserhöhung von knapp zehn Millionen Franken zur Folge hat. Zur Entlastung des Stadtkantons. Fünf Millionen beim Mietzins, zehn Millionen beim Standortvorteil – bleiben vom städtischen Kaffi-Bon also noch fünf Millionen Franken?
Und die Baselbieter Regierung? Die ist abgetaucht. Und diskutiert Szenarien, wie sie noch vor dem Kündigungstermin den Landrat auf Kurs bringen kann. Zum Beispiel, indem dem Parlament ein Geschäft vorlegt wird, das substanziell nicht wichtig ist, aber die Vereinbarung mit Basel-Stadt tangiert.
Dann müssen auch auf der Landschaft alle raus aus der Deckung.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 4. November 2011
Grummel meint
Guy «Trudi» Morin: Der redet tatsächlich immer so.
Und dafür wurde er glaub‘ ich auch gewählt: Der nette «Märchenonkel» aus der Stadt, der gemütlich in seinen «MBT» schaukelt und währenddessen die Welt schönredet.
«Ain’t Life Beautiful»?
Meury Christoph meint
Wenn ein Referendum gegen den 80-Millionen-Deal zustande kommt, dann, weil die SVP Baselland wiederholt ihre Muskeln spielen lässt. Mit ihrer Kraftmeierei manövriert diese Partei den Kanton seit geraumer Zeit an den Rande des Abgrundes. Es läge also vor allem auch an RR Thomas Weber (SVP) seinen Mannen & Frauen endlich aufzuzeigen, welchen volkswirtschaftlichen Schaden sie mit ihrer Abschottungspolitik anrichten.
RR Thomas Weber sollte sich nicht im Gremium der vereinigten RegierungsrätInnen verstecken, sondern die SVP ins Boot holen.
Die Regierung hat jetzt in einem Kraftakt gezeigt, was sie will, jetzt müssen die einzelnen Mitglieder auch noch etwas Diplomatie walten lassen und ihre Parteien auf Kurs bringen. Sonst wird aus dem Deal & Befreiungsschlag ein Scherbenhaufen.
Rudolf Mohler meint
Für mich stimmt nicht ganz alles, wie es M.M. sieht. Seine Frage zum Basler Stadtpräsidenten ist natürlich völlig rhetorisch. Und hier steckt eines der Probleme im Verhältnis zwischen den beiden Kantonen. Der Präsident des Regierungsrates von Basel-Stadt führt sich eben auch gegenüber dem Kanton Basel-Landschaft – doch durchaus auch gegenüber andern Kantonen – genau gleich auf: Die gnädigen Herren zu Basel wissen, wie es ist, und müssen es halt den „tumben Toren vom Land“ auf ihrem bescheidenen Niveau erklären.
Bezüglich Uni müßte der Kanton Basel-Stadt eigentlich dem Kanton Basel-Landschaft dankbar sein. Persönlich kenne ich ein paar tolle Geschichten – was nur ein kleiner Ausschnitt sein kann – aus dem Uni-Alltag und wie dort Geld verbrannt wird. Und das in einer Art und Weise, mit der man jedes Unternehmen kaputt machen würde. In jedem normalen Unternehmen wird deshalb von Zeit zu Zeit einmal durchgeforstet und geprüft, was muß sein?, wo ginge es völlig problemlos mit weniger? und wovon muß man sich trennen? Solche Prozesse sind für jede Organisation lebenswichtig, damit man à jour und fit bleibt. Vom Sinn und Nutzen jener Bereiche, die Jahr für Jahr neu hinzuerfunden werden, ist dabei noch nicht einmal die Rede. Nur Organisationen, die unhinterfragt und grenzenlos über öffentliche Mittel verfügen können, müssen sich dem nicht stellen und können fröhlich von Jahr zu Jahr mehr anfordern. An diesem kritischen Begleit- und Kontrollprozeß fehlt es ganz offensichtlich, weil man in Basel „heilige Kühe“ unglaublich gerne pflegt. Bei jedem, der hinterfragt, wird gleich Zeter und Mordio geschrieen. Im Wegblenden, ja im Bekämpfen solcher kritischen Prozesse legt man den Keim für spätere und viel größere Probleme an; es gibt in der Welt der Wirtschaft fast täglich ein neues Beispiel dafür.
Henry Berger meint
@ Rudolf Mohler: Der Kanton Basel-Landschaft hat sich selber dieses Image des ach so ländlichen, bodenständigen, höhenfeuernden Kantons verpasst. Wenn mittlerweile die ganze „raison d’être“ des Gemeinwesens darin besteht sich von der Stadt abzugrenzen, so dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Stadt dann halt etwas glänzt….
Ich sage immer, Basler Verhältnisse auf die Region Zürich umgelegt würde bedeuten, dass Oerlikon in einem anderen Kanton liegt und zudem von Uster aus regiert wird. Allschwil, Birsfelden, Binningen etc. sind de facto Aussenquartiere der Stadt. Die Frage der Wiedervereinigung wird immer wieder aufs Tapet kommen, m.E. mit steigender Frequenz, trotz oder gerade wegen der Höhenfeuer.
Und ich möchte keine Universität, an der nur noch Betriebswirtschafter und Juristen ausgebildet werden. Von beiden haben wir schon zuviel.