Man liegt also im Bett mit Tee, obwohl man nicht krank ist. Doch nach einer Woche tiefblauem Himmel und Stunden auf Skiern verführt einem der graue Sonntagshimmel, gewürzt mit einem Schuss Regen, zur gemütlichen Rückenlage mit hochgestelltem Kopfteil. Weil dies die Körperlage ist, mit der sich auf dem iPad (erste Generation) am entspanntesten lesen lässt.
Die Sonntagszeitungen sind heute schnell überflogen. Die Newslage ist dürftig und interessante Kommentatoren und Denker scheinen entweder ausgestorben zu sein oder sich – wie mein Enkel – noch in der vorsprachlichen Phase zu befinden. (Wir unterhielten uns mittels Schnalzlauten, Summen, Lippen vibrieren und, ja, mit rhythmischem husten. Letzteres hat mich verblüfft.)
Also öffnen wir die ZEIT-App und freuen uns, dass für uns die Zeiten, als uns die Wochenzeitung auf Dutzenden, gefühlt bettlakengrossen Papierseiten geliefert wurde, unwiderruflich vorbei sind.
Sie verspricht zu meiner Freude schon auf der Titelseite einen „Literatur Spezial“-Bund (was auf dem iPad ein praktischer Schieber mit Titelbild und Kurzbeschreibung bedeutet). Schliesslich braucht man heute, wie geschrieben, nicht nach Draussen zu gehen, ein Faktum, das mit einem neuen Roman untermauert werden könnte. Zumal Amazon & Co. auch sonntags geöffnet haben.
Diesen Beitrag schreibe ich, nachdem ich sämtliche Buchkritiken gelesen oder zumindest überflogen habe.
Ich staune.
Da ist nicht ein einziges Buch darunter, dass die mir empfehlen können. Zumeist im letzten Abschnitt kommt der Teil, der einem die Lust, respektive die Überzeugung nimmt, dieses oder jenes Buch unbedingt lesen zu müssen.
Dass tönt dann wie „tolles Auto, jedoch hat der Konstrukteur es unterlassen, wirksame Bremsen einzubauen“. Ich meine, wer kauft schon ein solches Auto?
Es ist mir ein Rätsel, weshalb man solche Rezensionen schreibt, d.h., natürlich weiss ich es schon. Weil sie nicht für mich schreiben, den Leser mit dem iPad, der so ein Buch sofort kaufen könnte, sondern für jene, die das Rascheln von Zeitungspapier auf eine Stufe mit dem Oster-Oratorium von Bach stellen, was bedeutet, dass sie sich dieses oder jenes Buch oder auch ein ganz anderes irgendwann mal kaufen und die Rezension in der ZEIT auf „ich-hab-schon-mal-etwas-über-dieses-Buch-gelesen“ reduzieren.
Es bleibt der Trost, dass man diese unnützen Papierseiten nicht auch noch entsorgen muss. Schliesslich ist man ja umweltbewusst, auch wenn man sich nicht zu den Anhängern der CO2-Religiösen zählt.
Doch das ist ein anderes Thema.
merlinx meint
Welcome back in den Niederungen der Agglomeration!
(Ausser der Uhren- und Schmuckmesse nichts verpasst.
Die Trends in der Zeitmessung gehen Richtung Sonnenuhr, ich fühle mich bestätigt in der Meinung, dass diese Maschinen am Handgelenk eines Mannes ein Zeichen der Verfügbarkeit sind.
Und die edlen Steine bleiben für sie die besten Freunde.
Nebenbei bemerkt: Die Achse Claraplatz bis Badischer Bahnhof mit dem tollen Messeturm ist futsch. H&dM sei Dank!)
Aber hier noch eine Buchempfehlung: Alexander Neubacher, Ökofimmel.
Rezension auf Telepolis, http://www.heise.de/tp/artikel/36/36614/1.html
(amazon kindle: ja)
Der Autor meint, in Wahrheit gehe es uns doch gar nicht um Weltverbesserung, sondern um Selbstveredelung.
Mich nervt, dass ich nicht selber draufgekommen bin …
Alice Gabathuler meint
Ich staune auch immer wieder. Da gibt es wirklich sensationell gute Bücher, die man bedingungslos empfehlen kann, und die Literaturkritik gefällt sich darin, jene auseinanderzunehmen, die sie nicht gut findet. Sehr witzig. Warum sollte man die dann lesen?
Am lustigsten finde ich immer die, die auf einen Besprechungshype aufspringen. Die nehmen dann ein Buch, das vor ihnen gefühlte 100 andere Rezensenten auseinandergenommen haben, auch noch einmal genüsslich auseinander. Seitenlang. Das ist dann nur noch Langeweile pur.