Gestern haben wir darauf hingewiesen, dass sich Elon Musk nun auch in die britische Politik einmischt. Folgt man dem Narrativ deutscher Medien, könnte man zu der Ansicht gelangen, dass der Milliardär versucht, seiner vermeintlich rechten Agenda zum Durchbruch zu verhelfen.
Für den interessierten Beobachter stellt sich also die Frage, weshalb Musk eine derartige Wirkung entfalten kann.
Traditionelle Medien und alarmierte Politiker erklären übereinstimmend, dass dies allein seiner Verbreitungsmacht auf X zuzuschreiben sei.
„Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk!“, sagt deshalb Robert Habeck in einem Spiegel-Interview in seiner Wahlkampfrolle als „Bündniskanzler“.
Die Reichweitenerklärung mag zwar eingängig sein, kratzt jedoch nur an die Oberfläche.
Einen tieferen, rationalen Zugang zum Phänomen seiner Wirkung bietet hingegen die von Paul Watzlawicks postulierten „Fünf Axiomen der Kommunikation“ als Erklärungsansatz.
Die Nr. 4:
„Kommunikation ist immer auch Beziehung und nicht nur Inhaltsvermittlung.“
Was bedeutet, dass die Interpretation und Wirkung einer Nachricht stark von der Beziehung zwischen Sender und Empfänger sowie vom Kontext abhängt, in dem die Nachricht empfangen wird.
Weshalb die Kontrolle über die Bedeutung und Wirkung einer Botschaft zu einem grossen Teil beim Empfänger liegt. Der sie subjektiv deutet und diese seine Deutung an sein Umfeld weitergibt.
Doch zuallerst braucht es die Bereitschaft eines Publikums, eine Botschaft nicht nur anzunehmen, sondern sie auch noch zu verstehen.
Was uns zu den Musk’schen Inhalten führt.
In einem Meinungsbeitrag in der WELT stellt Musk in seiner Einleitung fest:
Deutschland steht an einem kritischen Punkt – seine Zukunft taumelt am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs. Als jemand, der bedeutende Investitionen in die deutsche Industrie- und Technologielandschaft getätigt hat, glaube ich, dass ich das Recht dazu habe, offen über seine politische Ausrichtung zu sprechen.
Und:
Die deutsche Wirtschaft, einst der Motor Europas, versinkt heute in Bürokratie und erdrückenden Vorschriften.
Wenn Deutschland seine industrielle Stärke zurückgewinnen will, braucht es eine Partei, die nicht nur über Wachstum redet, sondern auch politische Maßnahmen ergreift, um ein Umfeld zu schaffen, in dem Unternehmen ohne starke staatliche Eingriffe gedeihen können.
Was die Zuwanderung anbelangt, bescheinigt er Deutschland bei der Grenzöffnung eine „humanitäre Absicht“ , doch diese habe „zu bedeutenden kulturellen und sozialen Spannungen“ geführt. Die Energiepolitik der Ampel bezeichnet er als „geopolitisch naiv“.
Man muss anerkennen, dass Musks Analyse (Botschaft) insofern treffsicher ist, als sie von einer grossen Mehrheit der Deutschen (Empfänger) als plausibel wahrgenommen wird.
Hätte Musk jedoch CDU/CSU oder – naheliegender – die FDP als „diese Partei“ genannt, die das Blatt wenden könnte und nicht die AfD, wäre der Aufschrei ebenfalls gross gewesen. Doch die AfD bewegt sich bekanntlich jenseits der demokratischen Demarkationslinie des medialen und politischen Establishments.
Weshalb man seine Analyse nicht weiter diskutieren muss, Ende der Durchsage.
Als Schweizer Abstimmungs- und Wahlbürger wissen wir: Wenn du in der Mitte Mehrheiten für deine Agenda schaffen willst, musst du die Mitte mit Links- oder Rechtsaussen-Sätzen aufschrecken.
Was England anbelangt, so trifft die Einmischung Musks die dortige Politik deshalb ziemlich heftig, weil er in die Eiterbeule eines unvorstellbaren Skandals gestochen hat: Während Jahrzehnten haben „asiatische Männer“ (konkret: Pakistani) tausende von minderjährige Mädchen (konkret: weisse Engländerinnen) aufs schändlichste missbraucht.
Und alle schauten weg: Sozialarbeiter, die Politik, die Polizei und so weiter und so fort.
Der Telegraph schreibt:
The child victims of rape were denied justice and protection from the state to preserve the image of a successful multicultural society
Musk hat auf der Plattform X die britische Regierung und Premierminister Keir Starmer scharf kritisiert. Er warf Starmer vor, es während seiner Amtszeit als Leiter der Staatsanwaltschaft (2008–2013) versäumt zu haben, gegen organisierte Gruppen vorzugehen, die junge Mädchen sexuell ausbeuteten. Musk forderte zudem eine neue nationale Untersuchung.
Starmer antwortete, dass er stets im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gehandelt habe und an der Umsetzung von Reformen beteiligt gewesen sei, um den Schutz von Opfern solcher Verbrechen zu verbessern. Er machte deutlich, dass solche Angriffe nicht nur ihn, sondern auch die Arbeit der Justiz und die Würde der Opfer diskreditieren.
Defensiver zu argumentieren ist kaum möglich.
Die Labour-Partei hat es zur Empörung der Öffentlichkeit abgelehnt, eine öffentliche Anhörung zur Rolle Starmers zu veranlassen. Elon Musk leads outcry as party ‘protects PM’ by insisting Oldham rape scandal is a local council matter
Auch hier dasselbe Muster: Musk plädiert für eine Rechtsaussenpartei und bringt die Konservativen in Stellung.
Wer mehr wissen wissen will, um was es sich da handelt, kann das lesen, es ist widerlich: How the grooming gangs scandal was covered up
Was zur Abschlussfrage führt: Liegt es tatsächlich am Boten, dass Musk mit seinem Instrument den politischen Diskurs in Deutschland und England derart bestimmen kann?
Daniel Flury meint
«Das Pferd frisst keinen Gurkensalat».
Im Gegensatz zu Phillip Reis hat Elon Musk nicht nur einen Zuhörer für diesen Stumpfsinn, sondern Millionen.
Und alle die fühlen sich bemüssigt, von ihm angesprochen zu sein und darauf antworten zu müssen. Was für ein gigantisches «Ship of Fools».
Unterbaselbieter meint
Was mich an der deutschen Musk-Kritik stört ist, das die etablierten deutschen Politiker/innen nun so aufgescheucht wirken. Deutsche Politiker waren es, welche den Rumänen sagten, was sie zu wählen haben (Empfehlung); Scholz sagte vor der France-Wahl: Liebe Franzosen, wählt Macorn (und nicht Le Pen)….
Zudem: Musk ist auch ein deutscher Industrieller. Vor den Toren Berlins, in Greifswald stellte er eine Mega-Fabrik hin, tausende Arbeitsplätze, riesige Inverstitionen, Aufträge in der ganzen Region. (vielleicht sein Fehler – denn wenn Trafo-Stationen abgefackelt werden und die Mega-Factroy stromlos ist, wenn die Schrauben der Gleise der Werksbahn gelockert werden und Lokomotiven entgleisen… – nicht gerade optimal, dieses D-Investment…)
Dürfen nur Serbel-VW-Bosse sich zur Lage der Nation äussern, oder auch der (immer noch) erfolgreiche Tesla-Fabrikant…