
Sehr geehrter Herr Nationalrat, lieber Eric
Wir beide haben uns das ja ziemlich anders vorgestellt: Im März Corona ausplempern lassen, die warme Sonne geniessen. Du machst ein wenig auf Frühlingssession und ich habe meinen Spass bei meinen Projekten.
Und dann das erste Bier in einer der Buvetten am Rhein.
Wir hätten uns auf Twitter über mögliche Wege nach Europa verständigt, ein Thema, wo wir (meistens) derselben Meinung sind.
Deine Partei hätte in aller Ruhe die Unterschriften gegen den Kauf des F-35 sammeln können.
Die Bürgerlichen hätten – politisch ebenso selbstbespasst – getobt.
Dem Rest wären die Flieger vorerst ziemlich egal gewesen.
Mit anderen Worten: Unsere kleine Schweizer Welt wäre nach zwei Jahren Ausnahmezustand aber so was von wieder in Ordnung gewesen.
Doch dann kam Putin.
Der schrumpfte unseren Ausnahmezustand zu einem Ausnahmezuständlein angesichts dessen, was da seit bald drei Wochen in der Ukraine abgeht.
Ich denke, wir müssen nicht weiter darüber diskutieren: Wir stehen am Abgrund.
Am Abgrund zum Dritten Weltkrieg.
Mit dem Überfall der Russen auf die Ukraine hat die Kampffliegerfrage einen ganz andere Bedeutung bekommen.
Ja, eine ganz andere Dringlichkeit, so dass die Kampffliegerfrage dem Rest nicht mehr egal ist.
Es geht jetzt nicht mehr um einen Nice-to-have-Kauf, sondern um die Verteidigungsbereitschaft – ein Wort, das gerade seine Renaissance erlebt – des Landes.
Klar, bis die Flieger geliefert werden, ist der russische Krieg in der Ukraine hoffentlich längst vorbei.
Also: geschenkt.
Es geht jetzt in erster Linie Symbolik, ein wichtiger Punkt in der psychologischen Kriegsführung (Begriffsrenaissance!).
Es braucht keinen Nachrichtendienst, um zu wissen, dass sich der russische Botschafter ob der Unterschriftensammlung der Schweizer Sozialdemokraten täglich vor Freude in die Hose macht.
Und an Putin kabelt, der Widerstand der Linken gegen den US-amerikanischen F-35 sei auch sein Verdienst. Obwohl das nicht stimmt, so wie die lügen.
Oder?
Lieber Eric, Du bist ein überzeugter Europäer.
Du willst, dass die Schweiz alle Sanktionen der EU vollständig übernimmt. Du bist davon überzeugt, dass die Souveränität der Schweiz am besten im Verbund mit den anderen Europäern gewahrt werden kann.
Weshalb die Frage folgerichtig ist: Gilt die gemeinsame Verantwortung für die Freiheit Europas in schweren Zeiten auch für die Verteidigung?
Oder klammerst du diesen Bereich aus?
Dein Wort hat Gewicht, nicht nur bei den Sozialdemokraten.
Deshalb meine Frage: Wie hältst Du es mit dem F-35?
PS: Die SP wird die F-35-Abstimmung mit 60+Prozent verlieren, keine Frage. Doch der Reputationsschaden, bis es endlich soweit ist, wird immens sein: Die reichen, satten Schweizer leisten sich mitten im Krieg in Europa den Luxus, über Kampfflieger abzustimmen, während die Nato und die EU für ihre Verteidigung sorgt.
U. Haller meint
Jetzt müssen auch bei uns die Sozis die Karten auf den Tisch legen.
Unlängst machte die deutsche Co-Vorsitzende Esken zum 100 Milliarden Euro schweren Rüstungspaket die Aussage »Freiheit muss sich auch nach aussen wehrhaft zeigen«, obwohl sie von Verteidigung wohl kaum sehr viel versteht. Eine bittere Pille für sie und die Genossen.
Das sollte dem Nussbi zu denken geben.