Eigentlich hätte ich heute etwas darüber schreiben wollen, dass Geld ein scheues Reh ist. Wittert es den Jäger, sucht es das Weite. Aber das kann man ja selber nachlesen: Die Russen sind raus aus Zypern
Viel wichtiger scheint mir heute Morgen, welche Medienrevolution sich diese Nacht abgespielt hat. Flipboard, inzwischen auf meinem iPad meine Hauptlesequelle, hat die Version 2.0 veröffentlicht.
Und die hat es in sich.
Für Verleger und Journalisten, die noch immer auf der Suche nach der Medienzukunft sind, bietet die neue Version Anschauungsunterricht, wie heute deren Zukunft aussieht.
Der zentrale Punkt: nicht mehr eine Redaktion stellt mir die Nachrichten zusammen, sondern ich mach das selbst. Wobei mir das System entgegenkommt – es ist idioteneinfach.
Was bedeutet das nun konkret?
Nun, ich werde beispielsweise die Feeds der lokalen Redaktionen (TeleBasel, bz, baz, regionaljournal und onlinereports – ja,ja – plus Twitter-abos von lokalen Journis und Politikern, Blogs) zu meinem persönlichen Basler Magazin bündeln. Ich will von lokalen Anbietern nur lokale News.
Basta.
Für Ausland-, Inland-, Wirtschaftsmelungen und für kluge Kommentare stehen mir andere als Lokalmedienquellen zur Verfügung.
Ich wiederhole mich: Liebe Verleger und Journalisten: das ist die Revolution, so sieht heute Eure Zukunft aus.
Noch Fragen?
PS: Am letzten Freitag ist unser bz-Abo abgelaufen, in ein paar Tagen ist es mit der NZZ soweit. Die NZZ am Sonntag haben wir nochmals für ein halbes Jahr erneuert. Zur Unterhaltung zu Zopf und Honig.
Raphael Schaad meint
Schöner Post. Ich habe ein Flipboard-Magazin über die Schweiz erstellt: http://flip.it/4XAij
Robert Schiess meint
Nun – was berichten der Guardian, Spiegel-online oder die New York Times über Basel, über seine städtebauliche Entwicklung, über die lokale Politik und das Basler Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftsleben? Nichts.
Was nützt mir die Information, wonach die Russen aus Zypern schon längst ihr Geld abgezogen haben? Eben: Nichts.
Und weil sich die Journis heute mehrheitlich über das Internet orientieren, bleibt eine fundierte Auseinandersetzung mit einer Geschichte, einem Sachverhalt eben aussen vor. Dafür wird der Beliebigkeit freien Raum gelassen und statt diesen analytisch zu betrachten, werden einfach gegenüberstehende Information hingeschrieben – zum Teil so verkürzt, dass sie falsch sind.
Nein, diese Globalisierung der Medien bringt Verschlechterung. Ziel ist nicht mehr der mündige Bürger. Ziel ist die Manipulierbarkeit der Informationen.
gotte meint
wessen ziel wäre das denn? – – –
wer sich nicht für die geschehnisse anderswo interessiert, ist borniert.
wer sich um informationen über zypern und obamas drohnenkrieg foutiert, aber schweizer bank-aktien oder rohstoff-derivate besitzt, ist borniert.
wer sich über den basler schwimmunterricht-stänkerer aufregt und zum oben-ohne in die türkeiferien reist, ist borniert.
wer die globalisierung verdammt und munter schnittlauch aus israel und südafrika kauft, ist borniert.
wer so tut, als sei basel oder die hülfteschanz das ende der geistigen welt, aber nach lörrach zum shoppen fährt, ist borniert.
kurz: wer eine „fundierte auseinandersetzung mit einer geschichte“ wünscht, ist dazu aufgerufen, aus seiner selbst verschuldeten unmündigkeit auszubrechen und sich die fakten selbst zu suchen – – – das war noch nie so möglich wie heute – – – noch nie war es so unmöglich wie heute, das angebliche ziel der manipulierbarkeit der informationen auch tatsächlich zu erreichen. man muss nur lesen wollen.
Robert Schiess meint
Wenn ich Sie richtig verstehe, geht es bei der Globalisierung um den Ausbruch aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“.
Beeinflussen kann ich weder Obamas Drohnenkrieg noch Zyperns Finanzkrise. Hingegen kann ich Einfluss nehmen auf das Geschehen hier. Also muss ich die Informationen von hier kriegen, und nicht von den globalisierten elektronischen Medien.
gotte meint
nein, die globalisierung ist nicht selber der ausbruch aus der selbstverschuldeten unmündigkeit – der UMGANG mit der globalisierung erfordert diesen ausbruch. und die globalisierten medien wiederum liefern genau die mittel dazu. was einfach nicht geht: sich der globalisierung verweigern oder über sie schimpfen auf der einen seite, von ihr profitieren und von einer globalisierten welt umgeben sein auf der andern seite (zB durch konsum- und ferienverhalten). als leserin der oberbaselbieter volksstimme erfahre ich viel über meine unmittelbare region. lese ich ausschliesslich die volksstimme, baZ und bz, so bleibe ich dagegen im regionalen kuhfladen hängen und bekomme immer stärker den eindruck, dass weber oder nussbaumer in der regierung, kriminalitätsstatistik in basel-stadt, manor-eröffnung in liestal oder güllenlochdefekt in oberdaggelingen die eigentlich wichtigen themen seien. dann beschäftigt mich plötzlich die frage, ob ich mich durch die hängenden plakate der regierungsratskandidaten belästigt fühle. dann finde ich plötzlich, die polizei sollte stärker aufrüsten und das militär solle an der grenze für ordnung sorgen. oder ich finde eines tages, man müsse den bauern mehr geld geben, damit sie ihre güllenlöcher sanieren können. erst der blick in andere medien, erst der blick in die welt gibt mir einen anderen hintergrund der wahrnehmung des regionalen: aufregen über plakate? seien wir doch froh, dass hier demokratie möglich ist. armee an die grenze? probleme anderswo hängen damit zusammen, dass die armee gegen zivilisten im einsatz ist. mehr geld für güllenlöcher? zeigt nicht der blick über die grenze, dass es hier schon viel zu viele subventionierte güllenlöcher gibt? — zudem gehen mich auch in meinem oberbaselbieter chrachen drohnenkrieg und zypernkrise etwas an. sei es, dass in der zivilschutzanlage meines dorfes menschen aus den vom drohenkrieg betroffenen ländern wohnen, sei es, dass ich auch ohne einen einzigen rappen direkt investiertes börsengeld via pensionskasse und ahv, oder qua schweizerin-sein durch die notenbank-investments, auch von den börsenkursen abhängig bin. und auch wenn ich selbst nicht im export beschäftigt bin, betrifft es auch mich, ob es den euro gibt oder nicht. und wie sehr wir im oberbaselbiet, im unterengadin oder sogar im wallis von dem friedenspolitischen umfeld der EU und nicht von der wilhelminischen u-boot-flotte abhängig sind – – – das werden wir hoffentlich gar nie wirklich erfahren müssen.
M.M. meint
Lieber Robert
Ich werde mir wie gsagt ein Basler Magazin zusammenstellen. Es gibt genügen Quellen, um auf dem Laufenden zu sein. Man kann sogar die Meldungen der Obrigkeit abonnieren.
Und jetzt noch zu dir: wenn du endlich deinen eigenen Blog zum Denkmalschutz einrichten würdest – wir reden schon seit zwei, drei Jahren hin und wieder davon, dann würde ich den abonnieren und in mein Basler Magazin integrieren.
Keine Leserbriefe mehr, kein Journi als Vermittler. Auf was wartest du noch?
Markus Saurer meint
haha… mein Infosystem sieht ähnlich aus, wobei Twitter eine zunehmende Rolle spielt. Super ist auch Storify für Recherchen – da kann man sich gleich thematische Magazine anlegen und mit Freunden oder Arbeitspartnern im Netzwerk teilen.
Aber einen Haken hat das Ganze: Man sollte die Infos auch noch lesen, zur Kenntnis nehmen – und umsetzen! Gruss, M.S.
Alice meint
Alles gut und nett und schön. Fragt sich nur, wer Ihre so wunderbar effizient gesammelten Nachrichten dann noch schreibt, wenn alle Redaktionen den Laden dicht gemacht haben.
M.M. meint
Die werden ihre Läden noch lange nicht dicht machen. Die könnten einzelne Eigenleistungen gegen Rappen-Beträge anbieten. Braucht „nur“ ein effizientes Abrechnungssystem.
Die Frage ist doch, weshalb ich ein E-Paper mit dem ganzen Glumps kaufen muss, wenn mich nur ein paar wenige Lokalstories interessieren? Und wie die in Zukunft ihr Papier verkaufen ist mir ziemlich egal.
Das Gratisangebot lokal – TeleBasel, Srf regi, Journalisten Twitterer reicht ziemlich weit.