… dem «Quasi-Oppositionsführer» im Baselbieter Landrat einmal mehr viel Platz einräumt, um seine Sicht der Dinge darzulegen, dann darf man als politisch interessierter Citoyen es bitzeli mehr erwarten, als Gejammer über den Machtverlust.
Zwar haben die Bürgerlichen in der Tat ihre Chance nicht gepackt, aufzuzeigen, warum es sich ohne SP besser regieren lässt.
Dein Pech jedoch: Unser System sieht keine institutionalisierte Opposition vor.
Trotzdem: Viele nicht parteifixierte Wähler wären grundsätzlich offen für neue politische Ansätze, wären bereit, der Alternative eine Chance zu geben.
Wenn sie denn überzeugte.
Zugute kommt Euch eine Art Grundkonsens: Die SP gehört in die Regierung.
Ich habe letzten Mittwoch das grosse Interview mit Dir mit Goodwill zu lesen begonnen. Und kam schon nach der dritten Frage zum Schluss:
Adil, Du nervst.
Da magst du dich noch so heftig an die Brust der Leute im Homburgertal schmeissen, um auch beim Läufelfingerli Deine Lieblingsfloskel «Abbaupolitik» platzieren zu können, Du machst damit Stimmung, aber keine Stimmen.
Das sozialdemokratische Zeitalter, so wie Du es unablässig heraufbeschwörst, ist, es sei nicht beklagt, vorbei.
Weil die Formel «hohe Steuereinnahmen von den Reichen minus grosszügig verteilte Goodies ans Volk gleich gute Wahlergebnisse für die SP» nicht mehr funktioniert.
Nur so zur Erinnerung: In der Regierung seid Ihr nicht mehr, weil Ihr Euer parteiinternes Genderdings an die Wählerschaft delegiert habt und die Bürgerlichen mit Monica Gschwind eine Alternative zum auch in Euren Reihen demolierten Urs Wüthrich hatten.
Während die Bürgerlichen sieben Prozent zulegten, hat das Links-Grüne Lager in den letzten Landratswahlen fast vier Prozent verloren. Und zwar deshalb, weil die abtrünnigen Grünen-Wähler nicht zur SP übergelaufen sind, sondern zur Mitte und zu den Bürgerlichen.
Wenn Du also klagst: «Im Parlament ist es einfach für die Rechten. SVP und FDP können alles durchdrücken», dann machen die nichts anderes, als den Wählerauftrag umzusetzen. Punkt. Schluss. Wobei die Geschlossenheit von FDP und SVP eine Mär ist.
Nicht die SP, sondern die FDP ist der SVP grösster Widersacher. Mit Erfolg.
Nebenbei: Deine Bemerkung, die Wirtschaftskammer habe sich früher bemüht, «auch andere Parteien einzubeziehen», ist ein richtiger Schenkelklopfer.
Euren Münger musstet Ihr in einer Notübung von der Nationalratsliste nehmen, weil der – Stichwort ZAK-Affäre – zu grosse Nähe zum Altmarkt gezeigt hatte.
Deine Lage ohne Selbsthypnose: Das Verhältnis zu Deinem grünen Bündnispartner hast Du erfolgreich verkachelt, die Personaldecke der SP in Sachen Regierungsanwärter ist dünn und der Ständeratssitz droht flöten zu gehen, falls Maya Graf antritt. (Es geht ja bereits die Rede um, der Claude müsse nochmals antreten.)
Wenn Du also meinst, mit deinem Rückspiegelsozialismus «gemässigte Bürgerliche» als Wähler zu gewinnen, dann träum mal schön weiter.
Tatsächlich ist nicht auszuschliessen, dass Ihr bei den nächsten Landratswahlen auf euren 22 Prozent hocken bleibt und erneut den Einzug in die Regierung verpasst.
Dein Irrtum und der Deiner jungsozialistischen Glaubenskongregation liegt darin, dass Ihr meint, weil Ihr Euch ungerecht behandelt fühlt, sich all die um Euch scharen werden, die sich – aus welchen Gründen auch immer – ebenfalls ungerechnet behandelt fühlen.
Doch die wählen schon längst SVP.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 1. November 2017.
Meury Christoph meint
Seien wir ehrlich: Adil Koller ist nicht die SP BL. Er versucht zu retten, was zu retten ist und das macht er nicht schlecht. Traurig ist, dass hinter ihm nichts mehr kommt. Es läge am Tross der GenossInnen, ab und an valable politische Projekte vorzuschlagen, die Sinnkrise mit Inhalten zu füllen. Als Opposition überhaupt in Erscheinung zu treten. Ohne starke Truppe ist auch der quirlige Präsident zu schwach, um einen Turnaround zu schaffen. Zudem ist die Wand der Bürgerlichen im Moment kaum zu durchbrechen. Auch wenn FDP, CVP, SVP & Co. den Kanton schlecht führen, ist das »Elend« zu wenig sichtbar und zu wenig gross, als dass sich auch im Fussvolk Widerstand breit machen würde. Zudem sind ja einige Finanzprobleme an Basel-Stadt »ausgelagert« worden. Man strapaziert die Partnerschaft. Die irrige Sparpolitik zeigt Wirkung. Die Spielräume sind auf null eingedampft worden.
Dabei könnte der Kanton sich u.a. mit diversen Arealentwicklungen wieder aufrappeln. In der bz vom 31. Okt. hat Hans-Jörg Fankhauser aufgezeigt, was am Beispiel des Birsfelder Hafens möglich wäre: https://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/baselbiet/kampf-um-das-hafenareal-geht-in-die-naechste-runde-131857074 Die Potentiale liegen vor der Haustüre. Jetzt müsste sich die Politik sputen. Auch Adil Koller mit seiner verschlafenen Truppe. Ganz nebenbei: Man muss auch nicht immer allen Bevölkerungsteilen (ja, auch nicht der Wirtschaft) Goodies verteilen, sondern endlich wieder einmal offensiv Geld erwirtschaften. Dafür muss man aber vorerst einmal kräftig in die Hände spucken…