Soviel steht fest, an diesem Strand herrscht kein Dichtestress. Allerdings: Wäre da nicht mehrmals täglich jemand mit Besen und Korb unterwegs, um all den stetig anlandenden Plastikverpackungsmüll einzusammeln, die vermeintlich unberührte Natur fernab – die nächste grössere Ortschaft liegt eine Autostunde weit weg – wäre nach einer Woche zugemüllt.
Es wird wohl niemand bestreiten, dass Herr Köppel – nicht nur gemessen am linken Mainstream – ein interessanter Querdenker ist.
Was ja heftig bestritten wird, von Journalisten, die sagen, der Köppel sei inzwischen mit seinen Ansichten so was von berechenbar geworden.
Es handelt sich um ein abschliessendes, deshalb berechenbares Urteil von wohlgelittenen Edelfedern.
Der (journalistische) Mainstream ist also der Meinung, dass alles, was Partikularinteressen vetritt, in den Nationalrat gehört, nur keine Journalisten.
Weshalb eigentlich?
Schliesslich handelt es sich beim Nationalrat noch immer um ein Milizparlament, auch wenn immer mehr Politikerinnen das Mandat als Vollzeitjob verstehen.
Herr Köppel ist Journalist UND ein Intellektueller, eine Kombination, die man in Redaktionen nicht allzuoft antrifft. Und dann ist der Mann auch noch Unternehmer.
Mehr Provokation ist für einen angestellten Journalisten wohl kaum möglich.
Denn auch für die gilt die Regel: Schweizer mögen den langsam denkenden Durchschnitt, aber misstrauen zutiefst überlegenen Schnelldenkern.
Und Zeitungen gehören dem Klassenfeind, den Verlegern.
Eine beachtenswerte, weil völlig andere Bewertung der köppelschen Kandidatur hat dieser Tage DIE WELT veröffentlicht. Deren Stv. Chefredaktor Ulf Poschardt wünscht sich, dass Herr Köppel gewählt wird:
Nicht, weil die SVP eine besonders großartige Partei wäre oder die Fußstapfen von Christoph Blocher besonders verlockend zur Nachfolge. Nein, es wäre spannend zu sehen, ob Intellektualität den politischen Alltag bereichern, poetisieren kann oder Köppel mit seiner wüsten, anarchischen Wissensgier an der Berner Politikroutine zerschellt.
Zusammengefasst im Titel: Intellektuelle sind eine Zumutung für jede Partei.
Richtig: Herr Köppel ist auch eine Provokation für die SVP.
Michael Przewrocki meint
K. ist der grösste Wendehals unter den CH-Journalisten. Hoffentlich nicht auch noch als Politiker. Aber in der SVP ist ja jede Ueberraschung normal.
Marc Schinzel meint
Köppel? Bei mir leider nein. Nicht weil er ein Provokateur wäre, in der falschen Partei ist oder Blocher mag, usw. Ich mache bloss nicht den Kotau vor einem angeblichen Intellekt bei einem, der die Volksrechte bei uns seit Jahr und Tag für sakrosankt erklärt, es in der Weltwoche aber fertig bringt, Putin in höchste Himmel zu lupfen, das Lied von der bösen EUSA nachzubeten, die den Konflikt in der Ukraine angeheizt habe und der sich nicht zu schade ist, eine russische „Einflusssphäre“ zu legitimieren. Tolles déjà-vu für alle Völker vom Baltikum bis nach Rumänien. Viele meinen, es sei besonders intellektuell, um sieben Ecken herum zu denken. Etwa nach dem Motto: Ich bin für die Volksrechte und die souveräne, neutrale Schweiz; die EU ist ein Bürokratiemonster, die uns in internationale Verpflichtungen zwingen will; sie bedroht uns; seht doch nur, was sie in der Ukraine tut, die EU will sich dieses arme, blockfreie Land unter den Nagel reissen; dabei gehört die ukrainische Nation doch ganz natürlicherweise an den Busen von Mütterchen Russland; Putin stemmt sich den sinistren Plänen Brüssels und Washingtons entgegen; er ist damit unser natürlicher Verbündeter; zwar wäre er kein guter Bundesrat; Bundesräte sind aber ohnehin nur Weicheier ohne Prinzipien und repräsentieren allenfalls gutschweizerischen Durchschnitt; letztlich verteidigt doch Putin nur unsere urdemokratischen Werte, für die auch Wilhelm Tell und Winkelried stehen (mit entblösster Brust hoch zu Pferd in Sibirien, passt doch). Diese verkorkste Winkelschieberei, die nicht einmal in einem einzigen Punkt dem Faktentest standhält, ist pseudointellektueller Quatsch. Wird Köppel gewählt, was so gut wie sicher ist, tant pis. Die Berner Karawane zieht weiter. Putin wird uns vermutlich noch länger substantiell beschäftigen als der Weltwoche-Dirigent.
Meury Christoph meint
Natürlich wäre Köppel wählbar und ein durchaus interessanter Parlamentarier. Langweiler gibt es ja zur Genüge. Er ist ein eigenständiger und origineller Denker. Er ist ein Provokateur. Auch, wenn er absolut nicht auf meiner Linie liegt.
Aber für die SVP wäre er eine Belastungsprobe. Daher verstehe ich die Skepsis von Blocher. Köppel lässt sich mit Sicherheit nicht in den SVP-Apparat einbinden. Er ist ein Alphatier und damit ein Konkurrent für die alteingesessene SVP-Kaste.
Man kann der Sache daher gelassen entgegensehen. Es wird ein kurzes Gastspiel werden. Aus Köppel’s Sicht vielleicht sowieso eher eine Provokation. Köppel würde das Mandat eher im Sinne eines Durchdieners verstehen: Er strebt nach Höherem. Leider kann er bei uns dabei nur noch Bundesrat werden. Höher geht dummerweise nicht.
Die Frage ist ja eher, was hat die Gegenseite zu bieten? Haben die Linken, nach Peter Bodemann, je einen virtuosen & eigenständigen linken Intellektuellen und öffentlichwirksamen Politiker hervorgebracht? Eine PolitikerIn, welche Themen setzen und volksnah kommunizieren kann? Darüber würde ich mir Gedanken machen… Der kürzlich verstorbene Kurt Imhof, Professor für Soziologie und Publizistikwissenschaft an der Uni Zürich und Leiter des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft, hätte dieses Format gehabt. Aber auch er war der nicht der systemkompatible Typ. Nonkonformisten haben es in der Schweizer Politik schwer.