Gestern habe ich der Nr. 1 zugeschaut, wie er draussen auf dem Sitzplatz aus den Kieselsteinen, die den Boden decken, einen Kieselsteinhaufen formte.
Das war zwischen Regenschauer Nr. 37 und 38.
Er hat nicht einfach mit der kleinen Gartenschaufel, die sonst für das Pflanzen von Kräutersetzlingen gebraucht wird, die Kieselsteine auf den Kieselberg geschüttet, sondern er hat die Kiesel zuerst in die Baggerschaufel des vierrädrigen Monsters geschüttet und anschliessend die Baggerschaufel in den grossen Lastwagen gekippt.
Dann ist er mit dem Lastwagen den einen Meter zum Kieselberg gefahren und hat die Steine auf den schon recht ansehnlichen Haufen rutschen lassen.
Für die Nr. 1 ist so ein Kieselsteinhaufen mindestens so gross wie das Matterhorn, das schliesslich auf dem Bildschirm des TV-Geräts auch nicht viel grösser ist als meine linke Faust.
Als ich wieder rausschaute, war er mit dem Pendant zum Berg beschäftigt, einem Loch.
So wie sich das ansah, war das erneut harte Arbeit. Unter dem Kies befindet sich gestampfter Lehmboden, den man zuerst mit dem Dreisporn lockern muss, bis man die Schaufel ansetzen kann.
Klar habe ich gedacht, Mist auch, das wird nicht mehr so sein, wie wir uns das gedacht hatten, mit diesem Sitzplatz. Dieser Nein-Reflex halt, den wir dauernd mit uns rumschleppen, wenn wir mit Kindern zusammen sind.
Was ich eigentlich sagen will: Wir müssen das Wort „Spielen“ im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Kindern aus unserem Vokabular streichen.
Spielen können nur Erwachsene und auch nur deshalb, weil wir mit der Einschulung vom Begriff „Arbeit“ bestimmt werden. Zuerst kommt die Arbeit und dann das Spiel.
Ich hasse diesen Satz, weil er mir die Leichtigkeit des Seins genommen hat.
Der Satz geht übrigens zurück auf die Zeit, als der Homo sapiens sein Sammler- und Jägerdasein aufgegeben hat, mit anderen Worten, das Paradies verliess, um sich inskünftig und auf alle Zeit mit gebückten Rücken um den Getreideanbau zu kümmern.
Mit all dem daraus folgenden Mist.
Wer jedoch wie die Nr. 1 noch keine Ahnung davon hat, was Arbeit bedeutet, weil also für ihn Arbeit nicht existiert, gibt es für ihn auch kein Spielen.
Was ist es denn nun, mit was er und seine Altersgenossen die Wachstunden verbringen, wenn auch der Begriff „Zeitvertreib“ nicht passt?
Um bei der Umgangssprache des modernen Menschen zu bleiben: er ist ein freischaffender Kreativer.
Die kompromisslose Intensität, mit der er seine Projekte angeht, ist durchaus mit der Ernsthaftigkeit des Künstlers zu vergleichen, mit Picasso oder Richter, um die Latte hoch zu hängen, die sich ebenso wie die Nr.1 kompromisslos ihrem Tun hingeben.
Doch um Missverständnisse gleich auszuräumen: Das Ergebnis Kreativtätigkeit der Nr. 1 ist zumeist banal.
Wenn er uns mit einem Ergebnis überrascht, dann handelt es sich weniger um das Ergebnis von kreativem Willen und Vorstellung, sondern um unsere Interpretation.
Ihm fehlt die Intentionen – anders als bei Picasso und Richter. Nicht er bestimmt, sondern das was herumliegt.
Das ist denn auch „das Geheimnis“ des emsigen Tuns: die Intensionslosigkeit.
Okay, tönt etwas abgehoben und deshalb noch dies:
Als unsere Erste zur Welt kam und dann die drei anderen, haben sie mich von meinem Ego befreit. Weil sie ihm keine Chance liessen.
Die Vertreter der dritten Generation mit ihrer Ernsthaftigkeit in allem geben mir die Leichtigkeit des Seins zurück.