Wenn ich nicht wüsste, dass heute der 1. Mai ist, ich könnte schwören, wir schreiben den 24. Oktober.
Einmal abgesehen von der eher wirren Vorstellung, es gebe ein wie auch immer ausgestaltetes „Leben nach dem Tod“, haben die Anhänger von welcher Religion auch immer das sie kennzeichnende Problem, dass sie sich partout nicht vorstellen können, der Mensch als denkfähiges Wesen könne auch ohne Vermittlung einer sogenannt höheren Gewalt zu vernünftigen Einsichten gelangen.
Was man mir nicht antun soll, will ich auch nicht anderen Menschen antun.
Dieser Satz der Nächstenliebe, der uns, die wir im jüdisch-christlichen Kulturraum leben, bekannt vorkommt, wurde 500 Jahre vor Christus von Konfuzius ausgesprochen und gelebt.
Kong Fuzi ist vor 2500 Jahren geboren worden und hat ein philosophisches Denksystem hinterlassen, das völlig ohne Gottesvorstellung auskommt. Was die ersten christlichen Missionare in China ziemlich irritiert hat. China ist der einzige Kulturkreis, dessen moralischen und ethischen Vorstellungen nicht von Jenseitsvorstellungen und Gottheiten bestimmt werden.
Man kann Herrn Kong durchaus als sozialliberalen Gesellschaftsrevolutionär bezeichnen.
Er setzte im feudal-zentralistisch beherrschten China die Idee in die Welt, dass nicht die Herkunft sondern Begabung und Leistung den Status des Einzelnen in der Gesellschaft bestimmen soll.
Deshalb forderte er 552 vor Christus ein, was aus gutem Grund noch immer eine heiss umstrittene politische Forderung ist: „Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“
Herr Kong hat auch den zentralen Gedanken der berühmten Inaugurationsrede John F. Kennedys vorweggenommen:
Fordere viel von dir selbst und erwarte weniger von den anderen!
Aus dem einfachen Grund: weil es sich zum einen halt um eine kluge Einsicht handelt und zum anderen aus der Erkenntnis: „So wird dir Ärger erspart bleiben.“
Ich hätte keine Bedenken, einen Anhänger des Konfuzianismus in ein politisches Amt zu wählen.
Buchempfehlung: Stefan Aust, Adrian Geiges: Mit Konfuzius zur Weltmacht: Das Chinesische Jahrhundert
Kann man wie immer in der Bachlettenbuchhandlung bestellen. Herr Jenny liefert das Buch auch per Post.
Isaac Reber meint
Vielleicht ist ja schon einer im Amt 🙂
Seit Kopernikus weiss ich jedenfalls, dass wir uns nicht für wichtiger nehmen sollten, als wir sind.
D.Feusi meint
Die ersten Missionare – zumindest in der Mandschurei – wunderte vor allem, als sie in Klöstern unter hunderten von Statuen eine für Maria, eine für Moses und eine für Jesus fanden (hat mir einer erzählt, der in den dreissiger Jahren dabei war).
Rampass meint
Die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod ist eine zwingend menschliche, entstanden aus der Angst vor dem Tod und dem Wunsch, ewig zu leben. Betrachten wir das Leben als endlich, was es ist, werden wir uns der begrenzten Zeit bewusst, die wir haben. Wir wollen aber nicht begrenzt sein, denn wir möchten ewig die Fähigkeit haben, zu machen, was wir wollen. Dazu braucht es aber unbegrenzte Zeit und die haben wir nunmal nicht. Ergo – spinntisieren wir uns was über ein Leben nach dem Tod zusammen. Weil nun aber alle wissen, dass die Biologie unserer Physis ein Ende setzt, braucht es ein höheres Wesen, das der Biologie ein Schnippchen schlagen soll. Da aber auch dieses Wesen das nicht kann, gelangen wir ins nicht beweisbare Unkörperliche und da „hilft“ nur noch Glaube. Glaube ist also nur dazu da, die Angst vor dem Tod zu lindern.
Wer keine Angst vor dem Tod hat, braucht auch keine Religion und ist damit ein freier Mensch.