Im Baselbiet ist es schon seit Jahren klar: Die Politik hat zu grossen Einfluss auf die Schule. Sagen die Bürgerlichen und machten sich vor vier Jahren daran, die Erziehungsdirektion nach Jahrzehnten sozialdemokratischer Unterwanderung in die bürgerliche Verantwortung zu überführen.
Was auch gelang.
Dank der flächendeckenden Plakatkampagne der pädagogischen Fundi-Vereinigung «Starke Schule» wurde die bis dato nicht als Bildungspolitikerin in Erscheinung getretene Monica Gschwind Nachfolgerin des Ex-Gewerkschafters Urs Wüthrich.
Die Bürgerlichen haben sich zum langen Marsch durch die Institution aufgemacht. Die von linken Beamten unterwanderte Direktion soll Schritt für Schritt ideologisch auf Kurs gebracht werden. Was wohl dann erreicht ist, wenn die Linke im übernächsten Wahlkampf wehklagt, die Erziehungsdirektion sei rechts unterwandert.
Der Weg dorthin wird mit den Initiativen der Kampforganisation «Starke Schule» des Irgend- wie-grün-Landrats Jürg Wiedemann geebnet.
Letzte Woche konnte der sprachkompetente Allschwiler Mathe-Lehrer erneut punkten: Im Schaukampf um den Frühfranzösischunterricht.
Nun bin ich, was Frühfranzösisch anbelangt, ebenso ein Experte wie ein FDP-Landrat aus Arlesheim, der den «Mille feuilles-Unterricht» an den Baselbieter Primarschulen liberal-populistisch als «Mist» bezeichnete.
Deshalb weiss ich, dass man mit der von den Bürgerlichen forcierten Bildungs-Restauration hin zur Woggi-Grammatikpaukmethode vielen Schülergenerationen die Lust an der französischen Sprache für den Rest ihres Lebens erfolgreich ausgetrieben hat.
Zum Beispiel auch mir.
Es gibt nun mal nichts Dooferes, als zwanzig Wörtli auswendig zu lernen, um diese am nächsten Tag an einer schriftlichen Prüfung abrufen zu können.
Ganz zu schweigen vom fast schon militärischen Grammatik-Drill alter Schule.
Muss man nun das, was die Landräte/-innen letzte Woche zum Frühfranzösisch auf Mundart gebabbelt haben – die allermeisten haben bekanntlich ihre liebe Mühe mit Standarddeutsch – ernst nehmen? Auch dieses Verbot von Unterrichtsbüchern, das das Parlament gedankenlos gleich auch noch beschlossen hat?
Nein.
Denn es gibt zwei gute Nachrichten. Zum einen müssen wir Citoyens uns nicht weiter mit der «Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen»-Initiative befassen. Zum anderen wird es gut und gerne vier Jahre dauern, bis das Geschäft es von der Regierungsvorlage über die Vernehmlassung und die Kommissionberatung bis zum Parlamentsentscheid durch die Instanzen geschafft hat.
Bis 2021, wenn die definitive Auswertung zu «Passe-partout» vorliegen wird, geschieht gar nichts. Mindestens drei weitere Schüler/-innen-Generationen werden mit «Mille feuilles» unterrichtet.
Die Smartphone-Generation wird also gut gerüstet in die neue Fremdsprachenwirklichkeit einsteigen. Weil man ihnen den Zugang nicht mehr mit den Fehlern zupflastert, sondern sie vielmehr ermutigt, einfach draufloszureden.
Ich mache das derzeit mit Italienisch, unterstützt von der Google Translate-App. Die Leute verstehen mich (meistens) und antworten oftmals auf Englisch. Sie wissen schon, dieses fehlerhafte non-native English, das von über 500 Millionen Menschen gesprochen wird.
Noch in diesem Jahr kommen die ersten Smart ear pieces auf den Markt, die eine Simultanübersetzung in zunächst 37 Sprachen ermöglichen. Das ist die aktuelle Fremdsprachenzukunft.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 14. Februar 2018
Erwin Oesch meint
Wohltuend, einmal eine andere und aus meiner Sicht richtige Meinung zu lesen…. Ebenso zutreffend der Kommentar von Gotte…. Auch ich erinnere mich gerne an die 60er Jahre…. Aber nehme die Annehmlichkeiten und Erkenntnisse des beginnenden 21 Jahrhunderts trotzdem gerne in Anspruch… Sieht so aus, als ob eben dieselbigen an Jürg Wiedemann und Konsorten ohne Spuren zu hinterlassen vorbei gezogen sind… Mit Jahrgang 1954 und Partnerin,welche im pädagogischen Fach tätig ist,masse ich mir an beide Zeiten bzw Unterrichtsmethoden mit gesundem Menschenverstand zumindest etwas beurteilen zu können….
Chienbäsebärti meint
Der „Gotte“ kann ich mich nur anschliessen, wobei ich als Bub die Turn- und Schwimmstunden Me-too-frei in Erinnerung habe. Weil der BL-Hauptort für die Realschule Burg noch keine Turnhalle hatte, blieb nichts anderes übrig als bei Wind und Wettter dem Lehrer zu folgen. Dieser – meist strammer Infanterie-Offizier – machte sich körperlich für seine feldgrauen Dienstleistungen fit, gab sich vorbildlich (General H Guisan: „Der Wald ist die schönste Turnhalle, der Berg das schönste Sportgerät“) und kommandierte „Mir nach!“ Geschadet hat es keinem von uns.
Im Franzi hatten wir das „Pas à pas“, wurden mit dem passé compose usw. malträtiert, während der Mann an der Wandtafel weltfremd von Beaudelair schwärmte. Natürlich kann ich noch heute keinen Satz fehlerfrei auf französisch sagen und muss froh sein, wenn mich im Café Vaudois in Genf die Serveuse versteht, wenn ich einen ballon blanc bestelle.
Die Fremdsprachen-Pädagogik in der Schweiz mit einer viersprachigen Kultur ist eine Schande!
isaac reber meint
einen versuch wert wäre auch das bestellen eines „ballon d’alsace“: da müsste ein gewürztraminer kommen :-))
Stephan Meyer meint
„Tröstlich“, dass auch Ihnen in der Schule die Lust an Französisch ausgetrieben wurde. Ich habe noch Jahre nach der Matur von Franz- Lektionen geträumt, und ich war nicht der einzige in meiner Klasse. Wenn ich an subjonctif II oder hanebüchene Liebesdramen im 19. Jhd. zurückdenke, mon dieu……..
Henry Berger meint
….und schreiben und lesen lernen braucht man auch nicht mehr: Zum einen gibt es schon technische Hilfsmittel, welche mir einen geschriebenen Text vorlesen, das „Umgekehrte“ ist fast schon ein alter Hut: Ich diktiere und die „Maschine“ schreibt. Bücher gibt es als Hörbücher. Bei den Fremdsprachen werden die automatischen Übersetzungen zunehmend besser, wie Herr Messmer dies hier zutreffend beschreibt.
Rechnen ist sowieso überflüssig, das besorgt schon lange eine „Maschine“.
Vielleicht wird es langsam Zeit für eine grundsätzlich Diskussion: Was ist Bildung? Was soll Menschen auf ihrem Lebensweg mitgegeben werden? Ob nun Französisch mit dem roten oder gelben Lehrmittel gelernt werden soll ist doch eigentlich völlig unerheblich – wenn man diese Frage mit den grossen Problemen unserer Zeit vergleicht…..
M.M. meint
weil niemand mehr wissen kann, welche Fähigkeiten im Jahr 2025 nachfragt werden, geht es wohl darum, Lernen lernen.
gotte meint
es ist so wohltuend, eine gegenstimme zu diesem „früher-war-es-in-der-schule-viel-besser“-gejammer zu lesen. Ich staune immer wieder, wie erwachsene ihre traumatischen schulerfahrungen im nachhinein schön reden und so tun, als hätten SIE noch etwas gelernt, damals. dabei ist niemand in der lage, einen geraden satz auf französisch zu sprechen, geschweige denn, welsche TV- oder radiosendungen zu verfolgen und wir lesen, wie viele funktionale analphabeten von einem halbwegs anspruchsvollen zeitungstext überfordert sind. ich selbst bin in den 80er jahren in BL (nicht in AI) zur schule gegangen und wurde indoktriniert von lehrern (sie wären heute alle in der „starken schule“), die die hälfte der schulzeit damit verbracht haben, uns schülern zu erklären, wie hool und doof die damaligen lehrmittel waren (der „Glinz“ im deutschen, der mit der lateinisch-grammatik schluss machte und der „Kramer“ in der mathe, der mengenlehre beinhaltete). natürlich unterrichteten sie nach ihren eigenen methoden mit dem resultat, dass die hälfte der klasse rausflog und die andere hälfte der hälfte die gym-zeit mit dem nachholen des verpassten schulstoffs verbringen musste. ich brauche nicht zu erwähnen, dass das auch die zeit war, als die turnlehrer völlig ungeniert und natürlich nur beiläufig das schwimmbad durch die mädchengardereobe verliessen und beim boden- und geräteturnen ihre hilfeleistungen vor allem an gesäss und busen erbracht haben. am stundenbeginn hatte man sich vom stuhl zu erheben – und da gab es diesen zeichungslehrer, der dann verlangte, dass ihn die mädchen „nett anlächelten“ und die buben militärisch die hacken zusammenschlagen sollten. ich brauche auch nicht weiter zu erwähnen, wie jener schüler von den lehrern gemobbt wurde, der damals eltern hatte, die sich über diese Methoden beschwert hatten. nein, ich bin nicht bereit, diese erfahrungen zu glorifizieren. und eigentlich würde ich erwarten, dass lehrer auch vorgesetzte haben, die dafür sorgen, dass das gelehrt wird, was im lehrplan steht. ob ihnen das passt oder nicht.