Eben noch bei 32 Grad in Goa Sommer getankt und jetzt ist Winter. Also ich geniesse das. Und neben mir watschelt der Vertreter der übernächsten Generation in warme Daunen eingepackt wie ein Pinguin.
Ich meine, es könnte ja einfach auch nur regnen.
Herr Kohler vom Regionaljournal hat einen Text zur Sendung geschickt, die jetzt eben gesendet wird.
Der ehemalige Basler Kantonsbaumeister Carl Fingerhuth kritisiert die Basler Stadtentwicklung. Die beiden Projekte Messeneubau und das Roche-Hochhaus seien «stadträumlich ein Verlust für Basel». Solche kritischen Stimmen sind selten in Basel.
Carl Fingerhuth (76), der heute als freischaffender Berater tätig ist und in Zürich lebt, kritisiert insbesondere die «fehlende Massstäblichkeit» der beiden Projekte. Der Messeneubau verstelle die Achse von der Mittleren Brücke bis zum Badischen Bahnhof. «Damit ist eine wichtige Achse unterbrochen und es fehlt der grosse Zug».
Noch härter ins Gericht geht Fingerhuth mit dem Roche-Hochhaus. Der Turm sei schlicht zu hoch, passe nicht in die historisch gewachsene Quartierstruktur im Kleinbasel. «Der Turm ist zu monumental, zu aggressiv». Das Gebäude habe eine Auswirkung auf die ganze Stadt, indem alles andere «dann als klein wirke». Das Münster als Wahrzeichen werde abgelöst.
Carl Fingerhuth versteht seine Aussagen durchaus auch als Provokation: «Natürlich muss man übertreiben, um überhaupt gehört zu werden. Was mich aber besonders irritiert, dass in Basel keine öffentliche Diskussion zu den Veränderungen geführt wurde».
Carl Fingerhuth war von 1979 – 1992 Basler Kantonsbaumeister. In seiner Amtszeit wurden verschiedene Architekturwettbewerbe durchgeführt.
Der Mann hat recht. Doch wer wagt es schon in Basel gegen HdM und die Roche eine Lippe zu riskieren. Da hält man sich doch lieber an Diebe aus dem Elsass oder zur Not an Herrn Morin.
merlinx meint
… da staunte der alte Basilisk, der im verwitterten, roten Sandsteingewölbe der Münstertürme hockte und über den Fluss ins mindere Basel blickte …
Aber verlassen wir die „Vogelperspektive“ mal.
Die Verriegelung der „Achse zum Badischen Bahnhof“ durch das neue H&dM-Gebäude habe ich, meist als Fussgänger unterwegs, lange auch als Affront empfunden. Der so freie Blick auf den eleganten Messeturm von Morger/Degelo/Marques war wirklich einzigartig. Das ist vorbei.*
Niemand wird aber behaupten können, die enge Clarastrasse vom Claraplatz bis zum Messeplatz sei geradezu von eindrücklichen Bauten gesäumt, biete „shoppingmässig“ besondere Highlights und viel Originalität, und weiter, für die begraste 6er-Tram-Gleisstrecke bis zum Badischen Bahnhof trifft dies noch viel weniger zu, eher ein städtebaulicher Unort, auf den die grossartige, bald hundert Jahre alte Anlage des Badischen Bahnhofs zum Glück die überraschende Versöhnung bietet.
Das neue H&dM-Gebäude hat, salopp formuliert, einen „besonderen Reiz“ und wird bestimmt für alle Moderne-Architektur-Wallfahrer zu einer weiteren Station werden. Ein einzigartiges Gebäude, das in der kühnen Überbrückung, welche die Sicht auf den Turm versperrt, einen Teil seines Inneren in Form eines hohlen Luft/Licht-Zylinders freigibt, – auf diese neckische Idee muss zuerst einer kommen! Spielt entfernt so noch auf die Rundhof-Halle an. Die geflochten wirkende Alu-Verkleidung ist etwas noch nie Gesehenes, blendend, cool.
Es ist anzunehmen, dass von diesem neuen Messegebäude von H&dM noch einige Jahre lang ein so kräftiger, moderner Impuls ausgehen, dass die Stadt Mühe haben wird, in anderen begleitenden Bereichen Schritt zuhalten.
Zwar wird der freie Platz um die Hälfte verringert. Wir werden ja sehen, ob es gelingen wird, ihn auch ausserhalb der mondänen Messe-Zeiten mit „prallem“ Leben zu füllen, oder ob er zum Tummelplatz für Camions, Hubstaplern und anderen Transportfahrzeugen verkommen wird. Man kann wirklich gespannt sein, ob all die Proportionen und Verhältnisse rund um den Platz letztlich als angenehm empfunden werden.
Eines ist doch klar: Die Messe Basel hat in dieser Stadt eine Carte blanche! Von ihrem Auftrag her muss sie nach aussen mit neuen Ideen, Lösungen und Gütern ausstrahlen können und ist zugleich einer wichtigsten Magnete der Stadt. Soll man ihr nun Rücksichtslosigkeit vorwerfen, wenn sie sich weiter ihr eigenes Quartier schafft? Ihr zunehmend internationales Publikum wird diese coole Atmosphäre schätzen; die weiteren, hier geplanten Hochhaus-Bauten werden diese „Akzent-Verschiebung“ noch verstärken, hin zu High End-Architektur.
(* Reden Gebäude eigentlich auch miteinander, oder stellen sie einander manchmal lieber in den Schatten und versperren uns Menschen den Blick?)
Robert Schiess meint
Ich war Präsident des gegnerischen Komitees bei der Abstimmung über den Messe-Neubau. Wir haben verloren. Leider. Carl Fingerhuth hat recht. Ich stimme seiner Analyse zu. Es ist ein Fehler einen Platz quasi zu privatisieren und die im 19. Jahrhundert geschaffene Achse zum Badischen Bahnhof zu unterbrechen. Die Messe ist für dieses Debakel verantwortlich. Sie wollten keine andere Lösung. Herzog & de Meuron haben einzig die Architektur dazu geliefert. Andere Architekten hätten diesen Auftrag wohl zurückgewiesen. Denn städtebaulich ist der neu entstandene, rund 1 Km lange Riegel ein Unding. Er zerschneidet das Kleinbasel.
Beim Roche Hochhaus wurde dem Eigentümer soviel Nutzung gewährt, wie sonst keinem Privaten. Im Turm werden Grossraumbüros untergebracht. (Nebenbei: Seit den 70er Jahren ist bekannt, dass solche Büros Stress produzieren.) Die Stadt hätte als Auflage zum Turm unbedingt verlangen müssen, dass die beiden obersten Geschosse der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, in Form beispielsweise eines Restaurant mit normalen Preisen und eine jedermann zugängliche Terrasse, so wie in Paris es der Monparnasse-Turm tut. Und auch das Erdgeschoss hätte Nutzungen aufnehmen müssen, die der Öffentlichkeit dienen, beispielsweise einen Supermarkt mit weiteren Detailgeschäften oder Veranstaltungsräume.
Bei beiden Projekten hat die Basler Stadtplanung kläglich versagt.