Irgendwie ist das die Ironie des Schicksals. Eben noch mit einem Höhenfeuer gegen die fremde Kultur der Stadtbasler gekämpft, für euses Baselbiet sprich: den Geist von Hölschte, für die Illusion, man sei weit weg vom Geschütz, lebe in einer friedlich unberührten Welt auf dem Land.
Mit denen dort draussen nur durch das Waldenburgerli verbunden.
Und jetzt das: Der Bund könnte sich in Hölschte den (dringend benötigten) Bau eines Durchgangszentrum für Asylbewerber vorstellen. Da kämen dann nicht Stadtbasler ins Dorf sondern Fremde aus aller Welt.
Und schon sieht gemäss Presseberichten eine Mutter die Unschuld ihrer 14-jährigen Tochter gefährdet und andere ihr Hab und Gut. Von der Dorfkultur gar nicht zu reden.
Kurz: schon wieder sehen die Hölschtener den Dorffrieden gefährdet, wünschen sich deshalb ein solches Zentrum „in eine urbane Umgebung“.
Für Hölschtener ist das Liestal.
Unter der Leitung von FDP-Regierungskandidatin Monica Gschwind (Gemeindepräsidentin des 2300-Einwohner-Dorfes) liess der Gemeinderat schon nach einem Tag der nicht stattgefundenen Diskussion verlauten:
Der Gemeinderat hat Bund und Kanton eine klare Absage erteilt.
Mal überlegen, ob das der Stoff für meinen nächsten BaZ-Mittwochskommentar wäre.
Input ist also erwünscht.
Die erste Version schreibe ich jeweils am Montag. Am Dienstag kommt dann der Feinschliff, bis zehn Uhr wird er abgeliefert.
PS: Falls jetzt jemand meint, ja, ja, dieser linke Typ aus dem Wohlstandsdorf hat gut reden: In Arlesheim ist ein solches Durchgangsheim intensiv diskutiert worden. Alle grossen Parteien und der Gemeinderat standen hinter diesem Projekt. Nicht zuletzt aus ganz nüchternen ökonomischen Überlegungen. Die Gemeinde hätte dem Bund sogar die 5.4 Millionen Franken für den Bau vorgestreckt. Doch dann kam der Widerstand. An der Gemeindeversammlung vom 2. Dezember 2010 wurde das Projekt mit 130 Nein gegen 128 Ja in einer geheimen Abstimmung gebodigt.
Dem Komitee Pro Arlesheim ist es gelungen, in sehr kurzer Zeit den bisher stillen Widerstand zu koordinieren resp. zu mobiliseren und damit eine beispiellose, fast einjährige Kampagne von Gemeinde und Kanton an einem einzigen Abend zu begraben.
Ich war auch für den Bau des Durchgangszentrums.
Beat Hermann meint
Als Hölsteiner (!) aus Arisdorf gebe ich gerne meinen Kommentar ab. Die Holdenweid war eine Aussenstation der PUK Basel dazu gehört(e) ein Landwirtschaftsbetrieb. In meiner Jugendzeit war der Vater, der aktive Bauer im Gemeinderat, und hat im wesentlichen die Gemeinderatssitzungen schlafend verbracht (dem Hören nach). Der Kanton Basel-Stadt war dem Vernehmen nach ein anständiger Verpächter (so hat es auch ausgesehen, viel besser ausgebaut als der nachbarschaftliche Leuenberghof der Baselbieter Kirche).
Die Holdenweid liegt trotz der schönen und beleuchteten Zufahrtsstrasse völlig abgelegen in einem seitlichen Einschnitt zum Frenkental. Die Abbiegung ist beim zwischen Hölstein und der Station Lampenberg liegenden Schiesstand. Früher stand bei der Abbiegung die „Wella“, ursprünglich eine Wellpappenfabrik. Der einzige wirkliche Nachbar der Holdenweid ist die evangelische Tagungsstätte der Baselbieter Kantonalalkirche auf dem Leuenberg.
Als Kinder haben wir jeweils im Advent in der Holdenweid vor den Insassen (!) das Krippenspiel der Schule aufgeführt. Mein Vater hat es oft mit seinen Schülern einstudiert und hat mich als Cellist eingespannt. Geblieben ist mir die muffelige Luft im Aufführungssaal. Beeindruckt hat mich zudem die Begegnung mit Herrn Professor Walter Kielholz, in der weissen Schürze, gütiger aber distanzierter Blick auf seine Patienten. Es gab dann vor dem Heimgehen in der Küche im Untergeschoss einen Bhaltis.
In der wärmeren Jahreszeit haben Insassen der Holdenweid regelmässig das Dorfbild gestört, den Kindern Angst eingeflösst, sich zum Gespött der Dorfbuben gemacht. Wenn immer das Gerücht die Runde machte, dass ein Kinderschänder im Dorf unterwegs sei, ist der Verdacht augenblicklich auf die Holdenweid gefallen. Zu jener Zeit gab es noch keine Howeg und CC’s. Die Holdenweid war ein guter Kunde bei den beiden Dorfmetzgern und beim Bäcker. Niemand hat an dieser Stelle Nein gesagt. Später wurde die Holdenweid geschlossen, dank Pharma und besseren Therapien, und auch weil es schwierig sei Personal für die Holdenweid zu rekrutieren. Die ehrwürdigen Klinikgebäude wurden nicht mehr benötigt. Die leeren Gebäude waren, zumindest für mich, ein Schandfleck. Schade, dass es dort kein Leben mehr gab.
Es gab meines Wissens in den 90-er Jahren bereits eine Episode mit Asylanten, aus dem zerfallenden Jugoslawien, Aber die sind mit dem Abebben der Flüchtlingskrise bald wieder verschwunden, zur Entlastung des gepeinigten Dorfes. Ich glaube, dass sich eine Familie im Dorf niedergelassen hat und sehr gut integriert ist. Auch in meiner glorreichen Jugend brauchten wir das uns Fremde, um unsere Phobien zu kultivieren. Auch damals wurden diese, diskreter als heute, bewirtschaftet. Kurz, die Holdenweid war und, ich denke, ist ein Teil des Dorfes. Egal wer sich dort aufhält, ob Bauer, psychisch Kranker, Arzt oder Asylant, fällt im Dorf (fast) nicht auf. Im Gegenteil, und hier bin ich vielleicht ein Sozialromantiker …
Hölstein hat bis vor vielleicht 3 Jahren bei allen Abstimmungen zur Aussen- und Immigrationspolitik knapp aber konsistent für eine offene Schweiz gestimmt (war da irgendwie stolz, heute nur noch traurig). Hölstein war somit eine Art Enklave umgeben von Sarah Jane-Land (andere nennen es Blocher-Land). Das ist vorbei (ein Beispiel zur konservativen Revolution in der Agglo). Der aus dem Luzernischen zugezogenen und mit einem Schwarzbuben verheiratete Monica Gschwind fehlt an dieser Stelle die gelebte Dorfgeschichte. Wegen Ihrer hartherzigen Haltung gemäss Zeitgeist (erinnert mich an die Dörfler in der Alten Dame) ist sie für mich nicht wählbar (es gäbe da noch einen anderen Aspekt: die Grundlage ihres bisherigen Erfolgs ist die Vorbereitung, mehr nicht). Wahlkampf müsste sie nicht primär in einer Hölsteiner Perspektive führen, es sei denn das Dorf repräsentiere den neuen Median im Baselbiet.
eric müller meint
Betreffend Duchgangsheim, wenn’s ans Eingemachte geht, dann sind auch die reichen Arleisheimer nicht anderst als der Rest!
M.M. meint
Es waren nicht die „reichen Arlesheimer“, es war das Gewerbe ringsum, das mobilisiert hatte.
gotte meint
es hängt halt alles mit allem zusammen. mm verlinkt zwar die medienmitteilung aus hölschte, aber er erfasst nicht ihren wahren kern. würde er genau lesen, dann würde er merken, dass auch die fremden asylanten nichts als eine städtische racheaktion sind. Denn DAS GRUNDSTÜCK für das heim GEHÖRT DEM KANTON BS!!!! da haben wir den salat. städtische kolonialherren machen siedlungspolitik auf der landschaft. da wird nur eines helfen: schnell den siebedupf umgebunden, schnell ein paar ster holz gesammelt und wenn die aus bern-basel anreisen, dann ja nicht reden, sondern SINGEN! was einmal hilft, hilft immer.
Sissachr meint
Interessant wäre es noch, den in Ihrem Bericht leider nur ganz kurz aufblitzenden Hinweis auf die wohl interessante finanzielle Abgeltung durch den Bund an das Gemeinwesen etwas weiter zu verfolgen. Höllschte zieht immerhin rund 650’000 Franken aus dem kantonalen Finanzausgleich. Man schlage ihnen einen Deal vor: Die Hälfte wird ihnen als sagen wir „Ersatzgrösse für entgangene juristische Steuereinnahmen“ angerechnet, den Rest gibts bar auf die Kralle. Da liegt sogar ne Steuersenkung drin (aktuell 63%). Wetten, das könnte die Empörung etwas dämpfen?
Meury Christoph meint
Auf einen Nenner gebracht gilt auch für die Gemeinden im Baselbiet: Es gibt Rechte & Pflichten und es gibt eine solidarische Haltung gegenüber dem Gemeinwesen ‚Kanton‘. Da es Asylzentren auch im Kanton Baselland braucht, ist es die Pflicht solche Zentren und entsprechende Standorte zu prüfen und ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Solidarität ist in unserem Kanton keine Einbahnstraße. Hölstein profitiert nicht nur vom Kanton BL und den entsprechenden Dienstleistungen, sondern auch von den Gemeinden im unteren Baselbiet. Also ist es nicht mehr als recht, wenn Hölstein im Gegenzug ein Asylzentrum zumindest ernsthaft prüft. Mit der flapsigen Ansage, dass ein Asylzentrum den Dorffrieden stört, kann man kein, von Bund und Kanton, initiiertes Projekt in die Wüste (sprich: nach Liestal oder Birsfelden…) schicken. Der Entscheid des Gemeinderates von Hölstein zeigt wenig Verständnis für Partnerschaften und ist eine klare Absage an partizipatives und solidarisches Handeln.
Minimum meint
Wäre spannend zu wissen, wer von den verängstigten Höllstenern letztes Jahr Ja zur Asylgesetzrevision sagte…
michelecmeyer meint
81,22% JA-Stimmen gabs aus Hölstein ( durchschnitt BL war bei ca 80%, gesamtschweizerisch bei 78%)
michelecmeyer meint
wird schwierig inkognito was aufzuschnappen- aber evt werden meine Wortmeldungen auf den Entscheid des Gemeinderates ja direkte Reaktionen hervorrufen, und nicht nur Schweigen.