Dann war es nur noch einer.
Und erst noch der, der immer wollte, aber die anderen nicht. Schon vor sechs Jahren. Doch so ist das in der Politik. Am Ende macht das Rennen, wer übrig bleibt.
Es müsste also schon der Himmel auf die Erde stürzen, sollte am 14. August Paul Hofer, 70, nicht zum neuen Präsidenten der Land-FDP gewählt werden.
Damit findet die lange Suche nach einem Nachfolger der Präsidentin ein Ende, die schon von allem Anfang an ein schwieriges Unterfangen zu werden versprach. Denn die Frage stellt sich für jede Partei: Wer will und vor allem kann denn noch so ein Präsidentenamt übernehmen?
Weil es sich heute anders als früher um einen Job mit einer gefühlten rund um die Uhr Präsenz handelt, lautet die etwas verlegene Antwort der Parteien: Studenten, Hausfrauen, Lehrer und Rentner. Weil diese zwei Dinge gemein haben: Zeit und Lust auf Abwechslung.
Wer jedoch mitten im Berufsleben steckt, für den liegt dieses Parteiamt mit wenig Ehre und viel Arbeit ausserhalb einer ernsthaften Diskussion.
Wir haben es also nicht allein mit einer parteiinternen Frage zu tun, sondern mit einer gesellschaftspolitischen: Wie soll unser Milizsystem auf Gemeinde- und Kantonsebene überhaupt noch funktionieren, wenn es immer weniger Citoyens gibt, die ein politisches Amt im Dienste der Allgemeinheit übernehmen können?
Eine Antwort wäre in kleineren Gemeinden, mit Gemeindefusionen den Weg aus der Personalmisere zu finden.
In grösseren kann die Verkleinerung der Gemeinderäte, verknüpft mit deutlich höheren Jahresvergütungen und nur zwei Amtsperioden ein gangbarer Weg sein.
Eine (Wirtschafts-)Partei wie die FDP hätte zunächst fragen müssen, ob es angesichts dieser Faktenlage nicht angezeigt wäre, die Parteiarbeit anders zu organisieren.
Beispielsweise indem man das Parteisekretariat professionalisiert und einen Geschäftsführer einsetzt. Einen Mann oder eine Frau mit Marketing-Erfahrung. Ein solcher Parteienjob kann ein attraktives Sprungbrett für eine Karriere in der Privatwirtschaft sein.
Das Präsidentenamt würde abgeschafft und durch ein fünf- oder siebenköpfiges Co-Präsidium abgelöst, das sich um die eigentliche Kernaufgabe, die Politik, kümmert.
Denn die wirkliche Lücke, welche die abtretende Parteipräsidentin nach sechs Jahren hinterlässt, ist ihre Rolle als Geschäftsführerin der Partei.
Bevor Präsident Hofer sich ums politische Tagesgeschäft kümmern kann, muss er zunächst einmal die administrativen Strukturen der Partei weitgehend neu aufbauen.
Und das kostet die Partei als Erstes Zeit und dann noch Geld.
Und damit wären wir beim eigentlichen Tabuthema des schweizerischen politischen Systems: der Parteienfinanzierung.
Die Gesellschaft hat sich argumentativ bequem eingerichtet: Bei den politisch Aktiven handelt es sich um Leute mit Zugang zu genügend Geld, um sich ihre Ego-Politkarriere leisten zu können.
Schliesslich zwingt sie ja niemand, in die Politik zu gehen.
Womit man billigend in Kauf nimmt, dass schon längst nicht mehr die Mitglieder der Parteien, sondern finanzkräftige Interessenverbände und mobilisierungsstarke Sozialbewegungen die politische Agenda bestimmen.
Etwas zynisch auf den Punkt gebracht: Mit Hofer setzt die FDP weniger auf dessen politisches Talent als vielmehr auf die Hoffnung, der Umtriebige werde der Partei für die bevorstehenden Wahlkämpfe das nötige Kleingeld beschaffen.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 12. Juli 2017.
Gregor meint
Immerhin muss sich die FDP-BL nicht Jugendwahn vorwerfen lassen ;-).
Bringold Margareta meint
Seit wann braucht die FDP BL Kleingeld? Solange die bürgerlichen Wahlkämpfe von der Wirtschaftskammer orchestriert werden, finanziert vom „Kleingeld“ der Gewerbler, braucht doch die FDP kein Kleingeld.
Citoyen meint
Interessante und was das mögliche Meccano betrifft, plausible Auslegeordnung. Allerdings nicht ganz komplett. Ich würde hinzufügen:
– Wer sich heute als Citoyen exponiert resp engagiert, der wird heute nicht mehr im Rahmen gewisser Spielregeln „öffentlich und kritisch begleitet“, sondern 24/24 und auf allen Kanälen zum Freiwild für allerlei frustrierte Zeitgenossen. Die gelobte freundeidgenössische Proximität wird zur Hypothek.
– Im vielgelobten Milizsystem hat /braucht es angesichts gewisser Komplexitäten schon lange nicht mehr nur Freiwillige und Laien. Professionelle und bestandene Leute sind gegen ein gewisses Entgelt (nicht Lohn und Honorar) durchaus zu gewinnen.
Aber wenn schon der kleinste Spesenenersatz unter neidgesteuerten Generalverdacht der Abzockerei gerät, dann nimmt die Bereitschaft zum zivilgesellschaftlichen Engagement im Quadrat ab.
Dazu gehört by the way auch die permanente Diffamierung von Hausfrauen (gibt es das noch?), Rentnern und Lehrern.
M.M. meint
Sorry von wegen Hausfrauen, sollte selbstverständlich „Familienmanagerin“ heissen.
Chienbäsebärti meint
Doch, doch…da wurde ein schönes Beispiel getroffen. Für diese nebenamtliche Familienmanagerin hat die CVP das Präsidenten-Entgelt verdoppelt.
honi soit qui mal y pense.