Auf dem Höhepunkt der Schlacht um den Brexit, meinte EU-Verhandlungsführer Michel Barnier, mit Blick auf die bellistische Rhetorik der anderen Seite, zu einem Guardian-Journalisten, die britischen Politiker denken wohl, „dass wir in Brüssel keine englischen Zeitungen lesen.“
Wenn jetzt also die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (AKP) die Idee lanciert, mit 100 Millionen mehr pro Jahr an Entwicklungshilfe für Oststaaten der Schweiz den Zugang zur Horizon-Forschung und zum Erasmus-Austauschprogramm zu kaufen, dann ist das kein Überraschungsei, an dem in den nächsten Wochen sorgsam gebastelt wird, sondern ab sofort eine ernsthaft diskutierte Verhandlungsposition der Schweiz.
Für die EU ein kostenloser Testlauf, der ihr in wenigen Wochen den aktuellen Erregungszustand des Alpenlandes in Sachen EU anzeigen wird.
Weil die in Brüssel, respektive deren Vertretungen in Bern selbstverständlich auch Schweizer Zeitungen lesen.
Nicht nur aus dem Grund haben Herrn Nussbaumer und seine Gschpönli in der Aussenpolitischen Kommission offenbar einige der zahlreichen guten Geister verlassen.
Die Idee, die Schweiz könne sich den Zugang zu einzelnen bilateralen Sektoren mit ein paar Millionen Schweizer Franken im Jahr erkaufen, ist schlichtweg absurd.
Nun muss man Herrn Nussbaumer zugute halten, dass er diese Idee wohl kaum so mir nichts dir nichts in einen luftleeren Raum bläst.
Wir können davon ausgehen, dass beim Besuch der neunköpfigen Delegation der AKP anfangs November in Brüssel die Horizon-Idee in Hintergrundgesprächen ventiliert wurde.
Nussbi ist ja nicht blöd.
Dem EU-Beauftragten für die Schweiz, Maros Sefcovic, im Januar mit einem weniger delikaten Thema den Ball in dessen Hälfte zu tschutten, könnte eine reizvolle Idee sein, um eine Schweiz in Bewegung zu zeigen.
Wenn auch eine typisch schweizerische: Hey, kaufen wir uns doch einfach die EU.
Doch gemach, wir müssen uns auf keine Überraschungen gefasst machen.
Es wird so laufen, wie immer: Nach heftigen Diskussionen in den Parteien, in den Räten und in den Medien und nach mindestens einer Arena-Sendung, wird genügend Geschirr zerrschlagen sein, um die Übung abzublasen.
Am Schluss wird man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen: Der Bundesrat muss jetzt zuerst ein europapolitisches Konzept mitsamt einer Handlungsstrategie vorlegen.
So bis ins Jahr 2024.
Wenn gut die Hälfte des heutigen Bundesrates ausgetauscht ist.
PS: Zu den politischen Befindlichkeiten in der EU: Grossbritannien sollte rund zwei Milliarden Pfund pro Jahr an Horizon beisteuern, um im Programm zu bleiben. Wegen des Nordirland-Disputs bleiben die Briten im Moment trotzdem aussen vor.
Rampass meint
„Parlament gibt Kohäsionsgelder frei und hofft auf Zeichen der EU“ hiess es vor knapp 2 Monaten. Da war nicht nur der Nussbi blöd, sondern die Mehrheit des Parlaments. Und der Cassis schwafelte was von „Zeichen setzen“.
https://www.swissinfo.ch/ger/parlament-gibt-kohaesionsgelder-frei-und-hofft-auf-zeichen-der-eu/46990554
Nun sollen es 2 Milliarden richten? Blöder geht’s jetzt echt nimmer.
observador meint
Ich würde jedoch auch nicht ausschliessen, dass „jemand“ in Brüssel auch Ihren Blog liest. In der Schweiz tun dies sowieso mehr als es zugeben würden. (Yellow Press-Syndrom)
M.M. meint
Der Sprecher der EU-Kommission fürs Budget und Personal, Balazs Ujvari, und der Deutsche Botschafter in Bern, Michael Flügger, folgen mir auf Twitter 🙂