Ich tu es nicht freiwillig, ich habe gar keine Wahl. Der Schritt wird unwiderruflich sein, ist unumkehrbar.
Heute Nacht überschreite ich den Rubikon. Das heisst, ich werde siebzig.
Das steht zwar so nicht in meinen Ausweispapieren, aber ich habe mich vor ein paar Jahren dazu entschieden, am 1. Januar die Uhr weiterzudrehen.
Geburtstag zu feiern, bedeutet mir schon lange nichts mehr. So werde ich das auch mit dem Siebzigsten halten.
Vor ein paar Tagen hat mich eine andere Grippe flachgelegt als die, gegen die ich mich vor ein paar Wochen impfen liess.
Kein Fieber zwar, nur etwas Temperatur. Ein aufgerauhter Hals, als wäre da einer während Stunden auf Schmirgelpapier rauf- und runtergerutscht. Husten mit Auswurf und ein brennendes Stechen beim Wasserlösen. Appetitlosigkeit – vier Kilos weg.
Man soll viel Tee trinken, wurde mir beschieden und die Literkanne immer wieder nachgefüllt. Schmerzen beim Trinken und beim Wasserlösen und dazwischen die Hoffnung, es werde dank dieser Mengen an Flüssigem über kurz (oder lang?) wieder besser.
Kein Gedanke ans Skifahren.
Gegen Mittag runter ins Dorf spazieren. Man muss ja trotzdem mal raus an die frische Luft.
Bei dem Wetter.
Wobei mir durch den Kopf ging, ob nicht die Smoglagen der letzten Winter in den Niederungen Roms und Londons nicht doch besser für die Gesundheit des modernen Menschen seien, als diese klare, sonnengefilterte Bergluft auf fast 2000 Meter in Arosa.
Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal von ein paar dämlichen Viren derart k.o. geschlagen wurde.
Die leichte Steigung bis bis zum Spazierweg, der durch den Wald ins Dorf führt, brachte mich derart ins Schnaufen, dass ich mir überlegte, wieder umzukehren, zumal meine Beine von kiloschweren Mehlsäcken am zügigen Voranschreiten gehindert wurden.
Spaziergänger überholten mich auch dann noch, als der Weg sich schon längst nach unten geneigt hatte und man ohne grössere Antrengung der Schwerkraft eigentlich ihren Lauf lassen könnte.
So muss es sich anfühlen, wenn man alt ist, dachte ich. Aber mit siebzig? Das ist doch kein Alter.
Heute Nacht überschreite ich den Rubikon.
Beim Überqueren des Flusses werde ich lustvoll Ballast abwerfen. Für die Abenteuer auf der anderen Uferseite braucht man nicht viel Gepäck. Reduce it to the max.
Man kann, aber man muss nicht, bedeutet frei zu sein, hat jemand ins Brückengeländer geritzt.
Rutscht gut rüber ins neue Jahre.
Jürg Seiberth meint
Sympathisch: Im höheren Alter gesteht die Maus unverhofft so etwas wie eine leichte Schwäche ein. Das kann die Perspektive fruchtbar verändern. Bin gespannt auf das Weitere und wünsche dir baldige Genesung und ein erspriessliches 2019.
Willebirgis meint
Ich lach mich schlapp: Der Dorfpoet und einstige Jungautor duzt sich inzwischen mit Wachovsky . Altersmilde oder Kontrollverlust?
gotte meint
Kamelhaar-paletot enger anlegen, auf gute zigarre verzichten und sich nicht durch die schmatzenden geräusche irritieren lassen, die vom schlechten russentisch rüberkommen – kräftig zusprechen beim zweiten gabelfrühstück und das 70ste kann kommen!
Gaby und Peter Koller meint
Das wünschen wir euch auch von Herzen, ihr Lieben beide!
Werdet schnell wieder gesund, das gelobte Land hinter dem Rubikon hat noch einiges im atmosphärischen Köcher…
Das mit der Smogluft lässt mich anderes vermuten:
die schmutzige Luft – allerdings auch nicht mehr sooo schlimm wie noch vor 20 Jahren, als alles Gebaute noch schwarz war -hat wohl ihren Anteil , ihr könntet auch genug Schmutz eingeatmet haben, dass eure Lungen das jetzt abstossen, was gespeichert war… possibilmente? 😉
Ainewäg e guete Übergang in e glingends 2019
Alles Gueti
Gaby und Peter