Ich würde mal behaupten, die Mehrheit, welche diese Woche ihre Wahlzettel ausfühlen, um brieflich abzustimmen, haben keine Ahnung, welche Spitalpolitik Herr Zwick, der zuständige CVP-Regierungsrat, verfolgt.
Ich gebe zu, ich bin da auch kein Experte. Kann ich auch nicht sein.
Denn eine Gesamtschau, ein eigentliches Konzept hat Herr Zwick der Öffentlichkeit noch nicht vorgelegt. Die im Zweckbündnis „Büza“ zusammengeschlossenen Parteien vermeiden es tunlichst, im Wahlkampf über das Zwick’sche Wolkenkuksei, das Bruderholzspital, zu diskutieren.
Wer sich trotzdem informieren möchte, sollte sich diese Reportage von Herrn Wahl auf Telebasel anschauen (Daniel Wahl ist der begabteste Reporter, den der Sender derzeit hat).
Die Kernaussagen sind in wenigen Worten zusammengefasst:
– Der 750 Mio.-Bau auf dem Bruderholz wird sich nicht rechnen.
– Das Bruderholzspital – und das ist die bemerkenswerteste Aussage von Herrn Zwick – wird nur nicht gebaut, wenn Basel-Stadt bei der Geriatrie nicht mitzieht. (12:13)
– Der von Herrn Zwick veranschlagte Pflegebettenbedarf wird nie vorhanden sein, weil dieser schon jetzt dramatisch (20% im letzten Jahr) zugunsten der ambulanten Behandlung zurückgeht.
– Man kann den vorhanden Akutbereich auf Liestal und Basel-Stadt verteilen, ohne Abstriche bei Versorgungsangebot und Qualität.
– Basel-Landschaft will noch zusätzliche Kapazitäten schaffen, um damit die anderen privatisierten Spitäler zu konkurrenzieren.
– Der Patient entscheidet ab dem 1.1.2012 ganz allein, in welches Spital er oder sie gehen wird. Das spürt die Kinderabteilung auf dem Bruderholz bereits schon heute. Die Eltern bringen ihre Kinder lieber ins Kinderspital nach Basel.
PS an Telebasel: Würde mal gelegentlich einen Youtube-Channel eröffnen und die Reportagen und Beiträge dort ablegen. Dann kann man sie nämlich auf Blogs und anderen Websites einbinden. Dann laufen die Filme auch auf dem iPad oder iPhone. Wir schreiben auch bei den Medien das Jahr 2011.
Daniel Albietz meint
Als Einwohner von Riehen, einer sog. Landgemeinde im Kanton Basel-Stadt (und damit in BL nicht wahlberechtigt, sondern nur Wahlbeobachter), überrascht es mich, dass das Herrn Zwick zugedachte Attribut „weitsichtig“ noch von keinem Blogger oder Journalist – so weit ersichtlich – kommentiert und genüsslich seziert wurde, auch von Ihnen leider nicht, Herr Messmer.
„Weitsichtig“ steht in der deutschen Sprache sowohl für „Weitsicht“ als auch für „Weitsichtigkeit“. Und woran es der Baselbieter Gesundheitspolitik vor allem mit Blick auf das Jahr 2012 augenscheinlich fehlt, ist Weitsicht.
Bekanntlich ist „Weitsichtigkeit“ medizinisch eine korrekturbedürftige Beeinträchtigung der Sehschärfe. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Jedenfalls würde ich es an der Stelle von Herrn Zwick nicht unbedingt als Kompliment verstehen, wenn man mich als weitsichtig bezeichnen würde, aber die Regierungsräte hatten dem Vernehmen nach ohnehin kaum Einfluss auf diese Kampagne.
Laut Wikipedia fehlt bei Weitsichtigkeit „eine wesentliche Voraussetzung für einen scharfen Seheindruck“. Und weiter: „Je näher ein Objekt an das Auge herangeführt wird, desto weiter verlagert sich der Brennpunkt nach hinten. Das Ergebnis ist ein Abbildungsfehler, der Objekte zunehmend unschärfer erscheinen lässt, je näher sie dem Betrachter sind.“ Angewendet auf die Spitaldebatte bedeutet die Herrn Zwick durch die eigenen Leute zugeschriebene Weitsichtigkeit, dass eine meilenweit entfernte Bruderholz-Utopie durchaus als scharf erscheinen kann, während das Jahr 2012 mit zunehmender Nähe unschärfer wird und in den verantwortlichen Gremien zu Abbildungsfehlern führt.
Ironischerweise bin ich in derselben Partei wie Herr Zwick. (Und wie Herr Conti…)
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PS. Zum Filmformat von Telebasel: Meines Wissens sind die Filme neuerdings im Flashformat in die Telebasel-Webseite eingebunden und sollten sich damit einer Einbindung in den eigenen Blog nicht mehr widersetzen. Oder sehe ich das falsch? Ausprobiert habe ich es noch nicht.
PPS. Die Einschätzung betr. Daniel Wahl teile ich. Es ist ein hervorragender Report. Unbedingt sehenswert. Dies- und jenseits der Hülftenschanz.
M.M. meint
Ich wollte eigentlich schon vor geraumer Zeit den Wahlwitz lancieren:
„Herr Zwick macht jetzt Werbung für Fielmann.“
Danke für die Vorlage 🙂
PS: Selbstverständlich weiss ich wer Sie sind: Der jüngste CVP-Gemeinderat weit und breit.
Daniel Albietz meint
Da Sie es nicht getan hatten, musste ich es nun als Auswärtiger thematisieren… Ohne Schleichwerbung natürlich.
Daniel Albietz meint
PS. Dass Sie auch alles ausplaudern müssen… Ich dachte, ich sei inkognito hier. 😎
Daniel Albietz meint
Es gibt übrigens noch einen jüngeren.
Hp. Weibel meint
Dieser Beitrag von Daniel Wahl wird (hoffentlich) die Spitalplanungspolitik im Kanton endlich zu dem machen, was sie sein sollte. Da wurde in der Tat bis dato nichts bis wenig unternommen und am 1.1.2012 tritt ein völlig neues Finanzierungskonzept in Kraft. Nicht mehr der Kanton entscheidet, wer wo ins Spital geht, sondern der Patient hat freie Wahl. Es wird wohl so ablaufen, wie bei der Pflegekostenfinanzierung: Auf dem letzten Drücker und unausgegoren. (Dieser Beitrag darf als „Wahl“empfehlung verstanden werden! Daniel Wahl!
Siro meint
Meine Erkenntnisse bisher:
Mit der neuen Spitalfinanzierung gilt vor allem ein Grundsatz: Kein Kanton sollte mehr als ein einziges eigenes (Referenz Listen-)Spital betreiben und auch dass nur, wenn es günstiger ist, als in anderen Kantonen. Ansonsten lohnt sich weder Aufwand noch Risiko. Ausserdem kommt der Kanton dann als Tarifpartner und Betreiber in unnötige Interessenskonflikte zu Lasten des Steuer- und Prämienzahlers. Mittelfristig werden sich die stationären Kosten in der ganzen Schweiz nach unten anpassen müssen. Je weniger Spitäler durch die Kantone betrieben werden, desto schneller würde sich das realisieren lassen.
Für die Versicherten heisst die neue Spitalfinanzierung, dass für die freie Spitalwahl in teureren Spitälern, als im Referenzspital im eigenen Kanton, eine Zusatzversicherung gebraucht wird oder dass die Zusatzkosten aus dem eigenen Sack bezahlt werden. Wer in günstigere Spitäler geht, wird jedoch von Prämienrabatten profitieren können.
Die Zusatzversicherungen werden massiv billiger werden, weil aus der obligatorischen Versicherung neu immer 45 % der Fallkostenpauschale bezahlt wird (nach eigenem Wohnkanton). Es wird neue Versicherungsmodelle geben und die alte Zusatzversicherung wird es so nicht mehr geben.
Was auch falsch wäre, ist, sich in Basel-Stadt oder in anderen Kantonen an Spitälern zu beteiligen. Das bringt ein Risiko ohne Nutzen. Basel-Stadt könnte sich mit den zu hohen Kosten ihrer Spitäler ein Problem einhandeln, wenn das BAG und die Versicherungen wirklich Druck auf die Baserate in BS machen würden. Weil mehr Geld als das DRG gibt es einfach nicht.
Wenn auf dem Bruderholz über eine gewisse Dauer schrittweise Kapazitäten abgebaut werden, kann diese der Markt auffangen. Egal ob in Basel, Aarau, Zürich oder Bern. Der Patient wird in das schweizerische Spital gehen (heutige stationäre Behandlungen sind sehr kurz), dass die beste Qualität bietet und wofür es ggf. Prämienrabatte gibt. Es sollte nur noch geringe und finanzierbare bzw. versicherbare Preisunterschiede geben in Zukunft.
Ohne in die Tiefe der Materie vorgedrungen zu sein, würde ich BL dringend raten, kein Spital mehr selbst zu betreiben. Die selbst betriebene Gesundheitsversorgung kann schrittweise dem Markt übergeben werden. Solange das Kantonsspital Liestal einen tiefen Baserate hat, das Spital halten, bis es nicht mehr deutlich günstiger ist als das Umfeld.
Einziges Problem dabei: Wird sich die neue Spitalfinanzierung politisch wirklich halten können, oder pfuschen die eidg. Räte noch drein und werfen alles wieder über den Kopf. Die Planungssicherheit ist das grosse Problem.
M.M. meint
Wer hätte das gedacht: Wir sind ja (fast) gleicher Meinung Herr Imber 🙂
Wäre doch ein schönes Wahlkampfthema gewesen.
Hp. Weibel meint
Ist es doch auch: für die Landräte!