Die grüne Linke pusht ein Thema, das eine breite Öffentlichkeit derzeit überhaupt nicht interessiert, das man deswegen aber nicht unbeachtet lassen sollte. Es geht um die Debatte um die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die UNO.
Eine entsprechende Abstimmung ist für Oktober angesetzt.
Und weil die Schweiz Mitglied der Weltorganisation ist, wird sie sich für oder gegen einen Anerkennung aussprechen müssen.
Wahrscheinlich wird sie sich der Stimme enthalten. Man ist ja schliesslich neutral.
Letzte Woche Herr Vischer in der Basler Zeitung und heute Geri Müller in der NZZ – zwei irrlichternde Grüne wandeln auf nahöstlichem Friedenspfad.
Nun könnte man deren quere Forderungen in den Kommentarspalten der beiden Zeitungen einfach umblättern und zur Seite „Vermischtes“ wechseln.
Schliesslich hat sich die Schweiz vor bald mal 200 Jahren aus der Weltgeschichte abgemeldet. Sie hat das 20. Jahrhundert im komfortablen Schlafwagen aber tapfer beobachtet. Europäische Geschichte mitgestalten darf sie seit dem Wiener Kongress nicht mehr.
Doch wenn sich die beiden Grünen zu inländischen Weltgeschichtsinterpreten mit Spezialgebiet „Palästina“ aufspielen, sollte man schon mal hinschauen, was in deren Köpfen rumspukt.
Herr Müller schlägt beispielsweise kühn einen Bogen vom Taxi fahrenden ägyptischen Jungakademiker, der auch gerne ein eigenes Auto, eine Stereoanlage und Kleider von H&M hätte („Sie träumten von einer Welt, die aus dem Westen in ihre Stuben vermittelt wurde…“), um „zur beispielslosen Landnahme“ durch die europäischen Juden zu schwenken:
Wer auf der Welt wäre bereit, mehr als die Hälfte seines Landes an Hunderttausend von Neuankömmlingen aus Europa abzutreten, weil diese Europa wegen der Shoah verlassen mussten?
Aus exakt dieser Frage leitet der Präsident der Islamischen Republik Iran, Herr Ahmadinedschad, seine Forderung ab, Israel solle doch nach Europa oder die USA „umgesetzt“ werden.
Auf antisemitisches Glatteis begibt sich Herr Müller mit seiner Feststellung, die israelische Regierung verfolge das Ziel, „Ostjerusalem zu judaisieren.“ Vor ein paar Jahrzehnten war es gang und gäbe – auch in der Schweiz – von einer „verjudung“ zu sprechen.
Beispielsweise warnte der unsägliche Chef der Fremdenpolizei, Heinrich Rothenmund, vor dieser Gefahr. Der Mann, ein Weltenbetrachter seiner Zeit, schrieb nach einem Besuch des KZ Sachsenhausen:
Für die Schwerarbeiter werden tüchtige Zulagen, gutes Brot und schmackhafte Wurstwaren, auf den Arbeitsplatz befördert. – Ich kann mir nicht recht denken, dass mit diesem Freiheitsentzug und der rein militärischen Erziehungsmethode erwachsene Menschen zu bessern Staatsbürgern erzogen werden können.
Mein Grossvater und meine Grossmutter sind im August 1943 in Sachsenhausen „ohne gutes Brot und schmackhafte Wurstwaren“ erschossen worden.
Doch der Höhepunkt des Müllerschen Ergusses kommt am Schluss seiner nahöstlichen Weltenbetrachtung. Er fordert das Rückkehrrecht „für die palästinensischen Flüchtlinge, die mit der Staatsgründung Israels aus Palästina vertrieben wurden“.
Mal ganz abgesehen davon, ob Herr Müller auch deren Nachkommen in dieses Rückkehrrecht mit einschliessen will oder ob dies nur für die inzwischen ins hohe Alter Gekommenen gemeint ist, ist seine Begründung für diese Forderung allemal sehr bemerkenswert:
Auch wenn klar ist, dass nie alle zurückgehen werden – womit liesse sich ihnen dieses Recht auf Rückkehr absprechen, wenn Juden aus aller Welt, welche noch nie in der Levante lebten, nach Israel einwandern dürfen?
Ich möchte jetzt nicht nochmals auf den Iraner zurückkommen, der ähnlich argumentiert. Es liegt mir auch fern, ein Rückkehrrecht der vertriebenen Deutschen nach Böhmen, Schlesien oder Ostpreussen zu fordern. Schliesslich waren auch diese Deutschen mitverantwortlich für den von ihrem Führer angezettelten Vernichtungskrieg.
Aber man könnte ein Rückkehrrecht der aus der Ukraine und Weissrussland als Ergebnis des deutschen Vernichtungskrieges vertriebenen Polen fordern.
Und wir könnten eine Entschädigungszahlung für all die Juden fordern, die unter der Ägide des Naziverstehers Rothenmund von der Schweiz nach Nazideutschland in den sicheren Vernichtungstod zurückgeschickt wurden. Vielleicht haben ein paar von ihnen doch noch überlebt und eine neue Heimstatt in Jerusalem, Tel Aviv-Jaffa, Aschdod, Netanja oder Nazareth gefunden.
Der Blick aus dem sicheren Schlafwagen auf die Welt, verzerrt die Wirklichkeit. Ziemlich heftig.
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PS: Dass Israel sich nicht mit der Hamas an einen Tisch setzen will, bezeichnet Herr Müller als „übles Spiel“.
Die Hamas ist eine palästinensische sunnitisch-islamistische paramilitärische Terrororganisation. Darin stimmen unter anderem die Europäische Union, die USA, Jordanien (!) und Israel überein. In deren Präambel der Charta der „Islamischen Widerstandsbewegung“ heisst es:
Das Land Palästina ist ein Islamischer Waqf (Heiliger Besitz), der den kommenden Generationen der Moslems bis zum Ende der Zeiten als Vermächtnis gegeben wurde. Es darf weder darauf verzichtet werden, noch darf etwas davon abgetrennt werden.“ (Artikel 11)
beer7 meint
Immer wieder wird uebersehen, dass inzwischen mehr als die Haelfte der juedischen Israelis Sepharden sind, ihre Grosseltern, Eltern oder auch noch sie selber stammen also aus muslimischen Laendern.
Anton Keller meint
Es wäre besser die beiden würden die Probleme in der Schweiz lösen, statt die ganze Welt retten zu wollen. Da wartet die Umsetzung des Ausstiegs aus der Atomenergie etc.
T.G. meint
noch besser wäre, die beiden würden überhaupt keine Probleme ausserhalb ihres Privatlebens zu lösen versuchen, sondern einfach schweigen.
Heinz Koch meint
Werter M.M.
Auf Ihrem Blog fehlt ein Bewertungs-Button. Dann hätte ich jetzt „Gefällt mir“ gedrückt!
Historiker meint
In Artikel 7 der Charta der Hamas wird auch (als Vorbild) Mohammed zitiert: „Die Stunde des Gerichtes wird nicht kommen, bevor Muslime nicht die Juden bekämpfen und töten, so dass sich die Juden hinter Bäumen und Steinen verstecken und jeder Baum und Stein wird sagen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude ist hinter mir, komm und töte ihn!'“ (Quelle: Wikipedia)