Die Wirtschaftspresse steckt schon seit Jahren in einer tiefen Krise. Es scheint so, dass sich immer weniger für Nachrichten aus der Wirtschaft interessieren.
Was nicht präzise ist.
Wenn ich von mir auf alle anderen schliesse und deshalb mir eine allgemein gültige Theorie zurechtbastle, dann liegt ein Grund für mein Desinteresse an den Wirtschaftssektionen der Medien – Wirtschaftstitel lese ich schon seit vier, fünf Jahren nicht mehr – an diesen dummen Portraits über im Grunde genommen totlangweilige CEO’s.
Die haben einfach nichts zu sagen.
Und wenn sie was sagen, dann immer den selben Mainstreammist. So im Sinn, Kraft tanke ich an den Wochenenden bei meiner Familie. Oder: ich fordere viel von mir und meinen Mitarbeitern. Nach einem Makel befragt, kommt die Standardantwort: Meine Ungeduld.
Dabei ist es absolut wurscht, wie gross der Laden ist, den da einer führt. Die Antworten sind immer gleich.
Ein gutes Beispiel für das Elend des Wirtschaftsjournalismus bietet heute die BaZ. Aus lauter Sommerlochverzweiflung liefern die ihrer zahlenden Leserschaft sogenannte „Sommergespräche“. Heute darf ein gewisser Herr Steiner von dieser Monopolgenossenschaft EBL, die ausser Strom noch Internet nach Hause liefert, auf uninteressante Fragen antworten.
Wobei – was wir da kaufen, ist ein von der Presseabteilung geglätterter Text, was diesen selbstredend noch interessanter macht.
Dieser Herr Steiner, lesen wir, hatte anscheinend einen Burnout.
Aha.
Wussten wir gar nicht. Interessiert uns auch gar nicht.
Wobei: Es ist ja so, dass es den Burnout als Krankheit gar nicht gibt. Burnout gehört in die Kategorie „ernsthafte Lebensprobleme“. Helfen könnte deshalb auch ein Gespräch mit der Oma, sagt ein Kölner Psychiater oder man sollte einfach mal so sein, wie man wirklich sein möchte. Und, auch noch wichtig: Auf der Karriereleiter nicht so hoch klettern, dass man am Ende der Leiter überfordert ist.
Sei’s drum.
Der Leser nimmt also zur Kenntnis, dass es sich um „des Mänätschers-nach-Burnout-Antworten“ handelt. Und die sind selbstredend anders als zuvor. Also nix mehr mit Familientankstelle und Ungeduld. Vielmehr ist da Verständnis und solches Zeugs zu erwarten.
Und tatsächlich erfüllt Herr Steiner die Erwartungen der zahlenden Leserschaft:
Ich bin gelassener geworden. Natürlich fordere ich weiterhin viel, aber nicht dauernd. Ich lasse mir und den anderen Zeit, Dinge zu verarbeiten und Projekte genügend auszugestalten
Hei werden sich da aber „die anderen“ freuen. Vielleicht sogar darüber, dass ihr Chef…
Diese beiden Sätze finde ich auch noch gut, weil entlarvend (da hätte die PR-Abteilung eingreifen müssen):
Heute habe ich für Probleme der Belegschaft mehr Verständnis. Ich habe gelernt, mich besser zu verstehen und meine Grenzen zu erkennen.
Die Zeiten der Missverständnisse sind bei der EBL vorbei – wie schön.
Und dann sagt er noch, sein Unternehmen sei so profitabel, weil es nicht nur klein und flink sei, sondern dazu auch noch schlank. Ich nehme Herrn Steiner, diesem Wettbewerbsimitator, tatsächlich ab, dass er das selbst glaubt.
Die Sache ist jedoch die, wie jeder Leser dieses „Sommergesprächs“ weiss, wenn du im Monopolgebiet der EBL wohnst, dann ist das dein Zwangsversorger für Strom. Unserer heisst EBM. Von der weiss ich nicht mal, wie deren Geschäftsführer heisst und das ist auch gut so.
Herrschte in der Strombranche tatsächlich Wettbewerb, wären EBL und EBM schon längst weg vom Fenster.
Nebenbei für die Wirtschaftsjournis der BaZ: Ihr solltet Business Insider auf euren Radarschirm setzen. Die zeigen im Minutentakt, wie heute Wirtschaftsjournalismus funktioniert, unterhaltsam, profund recherchiert, lesenswert.
Ja, und erst noch kostenlos.
Cctop meint
Muss man die Aussage mehr Zeit um „Projekte genügend auszugestalten“ so verstehen, dass der EBL-Chef kein Solarflop in Spanien mehr hinstellen würde. Ein Deal, den er wahrscheinlich zwischen zwei Viertausendern eingefädelt hat.
Städter meint
Genau getroffen, so sind sie, die Wirtschaftsinfos heutzutage. Geben vor, so was von tiefschürfend zu sein. Stellvertretend die CEOs auch dafür: ‚Wir wollen uns nun in unserer neuen Unternehmensausrichtung auf die Kernkompetenzen fokussieren‘. Ein Blabla im Copy-Paste-Modus, immer wieder vorgebracht. Um dann 10 Jahre später den Kalauer zu bringen: „Wir werden die Unternehmensausrichtung diversifizieren um damit Synergien zu schaffen.“ Könnte auch ein 23jähriger BWL Studienabgänger so hinkriegen, oder ein 19jähriger nach absolvierter Banklehre. Und dann wollen uns manche CEOs noch weismachen, sie seien die Lionel-Messis der Oekonomie; einfach unverzichtbar. Dabei ist alles viel profaner.
kolibri meint
genau so ist es!
Paule meint
Der Mann wollte, weil offenbar unterbeschäftigt, sämtliche 4000er in der Schweiz besteigen. Das hat ihn überfordert. Seine Erkenntnis, ein Spaziergang reicht auch.