Herr Somm, Chefredaktor der Basler Zeitung*, mag starke Männer. Und seit letzten Juni auch starke Frauen, sofern sie nicht Merkel heissen.
Gut, die ist auch soeben aus der aus der Time Magazin-Liste der 100 einflussreichsten Menschen geflogen.
Ich habe in den letzten Monaten so ziemlich alle Live-Reden von Frau May mitverfolgt. Und es hat schon etwas Imponierendes, wie sie – in bestem Oxford-Englisch – verbal auf den Tisch haut. Und die EU imperial-forsch in die Schranken weist.
Wenn man auf starke Führertypen steht.
Was ich nicht tue. Ob Frau oder Mann.
Nach der fünften Wiederholung von „global Britain“ und wie man die Grenzen wieder selbst überwachen werde, wirkt’s doch etwas langweilig.
Oder ziemlich schrullig.
Okay, zum imperialen Selbstverständnis der Engländer gehört nun mal auch eine gewisse Schrulligkeit. Bis rauf in den Buckingham-Palast.
Herr Somm ist trotzdem zu loben.
Er hat nämlich, bevor er falsche Schlüsse zieht, einen treffenden Titel über seine Ausführungen gesetzt: Triumph der Schwäche (Ich will jetzt nicht polemisieren und den Titel in die Nähe eines ähnlich lautenden Titels rücken. Obwohl, Herr Somm ist Historiker…)
Herr Somm ist deshalb zu loben, weil er erkannt hat, dass die Schweizer in ihrer verdammten Mediokrität in den letzten Jahren, anders als alle anderen europäischen Länder, sich einen Sonderstatus (a pain in the ass) in diesem vereinigten Europas erkämpft hat.
Man kann das immer und immer wieder klein reden. Aber das müssen uns die Engländer erst mal nachmachen.
Die Schweiz hat die Latte für die Weltreich 2.0-Briten verdammt hoch gelegt.
Und wie hat die Schweiz das geschafft?
Herr Somm liefert eine Antwort, die geradezu brilliant ist, weil sie den Erfolg der Schweizer Politik auf den Punkt bringt:
Während Grossbritannien eine „demokratische Monarchie“ sei, „die an sich immer mehr einer Adelsrepublik glich, wo eine Elite erzogen wurde, die im Zweifelsfall imstande war, irgendeinen guten Politiker hervorzubringen“, ist „die Schweiz dagegen ein Land, das aus rund sechs Millionen Politikern besteht….“
Für sich genommen ist jeder von uns ungeeignet – in der grossen Zahl aber sind wir klug.
Ich finde Burkhalter deshalb der perfekte schweizerische Aussenminister, weil er „einer von uns Ungeeigneten“ ist.
Nach all den forschen Auftritten von Frau May (und den wunderlichen Ausfällen von Blondschopf-Boris) bin ich froh, dass wir keine Adelsrepublik sind, die eine solche Auf-den-Tisch-Hauer-Elite an die Spitze des Staates pusht.
Weil man damit vielleicht in England punkten kann, aber sicher nicht in Europa.
Und in der Schweiz erst recht nicht.
*Disclaimer: Ich bin Kolumnist der Basler Zeitung
PS: Wir haben gestern einen 24/7 live-Stream zum Hashtag #Brexit eingerichtet (oben links). Im Hinblick auf die Wahlen in UK und den bald beginnenden Brexit-Verhandlungen dürften bei unserer geneigten Leserschaft Nachrichten aus vielfältigsten Quellen wohl auf Interesse stossen.