Johannes Ranke wohnt in Grenzach und arbeitet in Ütige.
Herr Ranke fährt jeden Tag mit seinem Auto ins Baselbiet. Der sympathische Mann ist 39 und freut sich schon jetzt darauf, dereinst mit 55 mit der S-Bahn zur Arbeit fahren zu dürfen. Er will dann nicht nur etwas für die Umwelt tun, sondern setzt auch darauf, dass er im Jahr 2035 einen Job in Ütige hat.
So und ähnlich kündet der bunte Herzstück-Prospekt von einer Welt mit lauter gut gelaunten Menschen. Weil sie S-Bahn fahren dürfen. In 18 Jahren unter der Stadt durch. 4,25 Milliarden Franken soll es kosten, Johannes, Claudia, Rolf und all die anderen Prospektstatisten glücklich zu machen.
Stören wir also die Jubelstimmung und spielen den Spielverderber.
Da sind zum einen die Fakten.
Und die sehen so aus: Herr Wessels hat acht Jahre lang die falsche Strategie verfolgt, weil er meinte, er könne den Bund austricksen. Statt von Anfang an mit den SBB zu planen, glaubte er, so ein Eisenbahntunnelprojekt unter «seiner» Stadt hindurch in eigener Kompetenz so weit vorantreiben zu können, dass Bundesbern und danach die SBB zum fertigen Projekt nur noch Ja sagen können.
Und weil in Basel-Stadt dank der Pharmaindustrie Milch und Honig fliessen, könne der Kanton den Milliardenbau aber so was von locker vorfinanzieren. Im März dieses Jahres wurde Herr Wessels via Basler Zeitung von Bundesbern ausgebremst: Vorfinanzierung geht gar nicht.
Und überhaupt.
Um überhaupt weitermachen zu können, wurden a) Herzog & de Meuron mit ein paar anmächeligen Visualisierungen aktiv und b) die SBB ins Boot geholt.
Und siehe, da: In knapp zwei Monaten wurde ein völlig neues Projekt aus dem Hut gezaubert. Jetzt geht es nicht mehr in erster Linie darum, den Johannes, die Claudia und den Rolf glücklich zu machen, sondern die SBB.
Sie soll dank Tunnelverbindung und Öffnen des Basler Sackbahnhofs einen um eine halbe Stunde schnelleren Anschluss ans deutsche Schienennetz erhalten.
Jetzt sollte man aufhorchen.
Die Porta Alpina, diesen Bahnhof mitten im Gotthard-Basistunnel, haben die SBB trotz Volksabstimmung und Millioneninvestitionen des Kantons Graubünden erfolgreich verhindert.
Wenn dort alle halbe Stunde der Schnellzug von Zürich nach Mailand halten sollte, so die Argumentation, könne kein effizienter Bahnbetrieb gewährleistet werden.
In Basel soll die städtische S-Bahn im Fünfminutentakt durch die Röhre und erst noch drei Haltestellen bedienen.
Ja was jetzt – S-Bahn oder internationaler Verkehr?
Ich will jetzt gar nicht auf die Frage eingehen, ob im Jahr 2035 überhaupt noch jemand in die Stadt fährt, um sich für 42.50 in Kambodscha genähte Jeans zu kaufen. Ob er oder sie diese nicht online bestellt.
Massgeschneidert.
Nein, die abschliessende Frage zielt vielmehr darauf, ob in zwanzig Jahren der Personentransport überhaupt noch auf der Schiene stattfindet.
Das treibt die SBB um.
Denn selbstfahrende Autos, die dicht an dicht durch den Gotthardstrassentunnel verkehren, stellen nicht nur die zweite Röhre infrage, sondern auch den Schienenverkehr unten durch.
In Basel haben die BVB wohl die letzten Trams gekauft.
Als Nächstes werden die ultramodernen Schienenfahrzeuge auf halbautonomes Fahren umgestellt, der letzte Schritt zum computer- gesteuerten Tram.
Doch die Zukunft gehört selbstfahrenden Autos.
Im Jahr 2035 wird sich Johannes Ranke per App eines vor sein Haus bestellen.
Von den SBB.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 3. Mai 2017