Herr Herrmann hat für die Tagesanzeiger-Gruppe einen interessanten Aufsatz zur Frage: „Ist der grüne Megatrend bereits vorbei?“ geschrieben
Das mit den Grünen sei kein Megatrend gewesen, schreibt der Politgeograph. Weil:
Manchmal ist es allein die Abstimmungsagenda, die uns Entwicklungen vorgaukelt.
Interessant ist diese Einschätzung deshalb, weil sie aus der fernen Zürcher Warte erfolgt.
Und er deshalb einen wichtigen Sachverhalt nicht berücksichtigt, weil er ihn aus der Ferne nicht sieht: Den Punkt, wo in Basel das politische Koordinatensystem in der Umwelt- und Klimafrage endgültig kippte.
Als ein Trend zur gelebten Selbstverständlichkeit wurde.
Mit Blick auf die Abstimmungs- und Wahlergebnisse im Kanton Basel-Stadt und in den Agglogemeinden im Landkanton wurde der Point of no return mit der links-grünen Regierungsmehrheit 2017 erreicht und den Abstimmungsergebnissen danach; zum Beispiel mit den Verkehrsinitiativen des Gewerbeverbandes 2020 oder jüngst dem Basler 68 Prozent Ja-Ergebnis zum CO2-Gesetz.
(Dass die dominante FDP in Arlesheim schon seit Jahren einen grün-liberalen Kurs fährt, habe ich schon mehrfach erwähnt.)
Woraus folgt: Umweltpositionen, die früher allein den Grünen zugeschrieben wurden, sind in Basel und der Agglomeration im Mainstream angekommen.
Deshalb folgen in dieser Ecke des Landes Umwelt- und Klimapositionen in der Tat keinem Megatrend mehr, sondern sind unter dem Stichwort „Urbanität“ mehrheitsfähige Alltagspolitik.
Auch wenn das die Basler FDP noch immer nicht checkt.
Weil in Basel (und in den angrenzenden Baselbieter Gemeinden) nicht nur die Bevölkerungsmehrheit mehr Velos, mehr Klimaschutz, mehr Langsamverkehr, mehr nachhaltige Warenwirtschaft will, sondern sich auch die ansässigen Pharmakonzerne dem Klimaschutz verschrieben haben..
Was die wackelige Argumentation Herrmanns – und vieler CO2-Gesetz-Gegner – blosslegt:
Einen echten Wandel wird es bei der CO₂-Frage dagegen nur geben, wenn die ganz Grossen – also Konzerne und Staaten – die Weichen neu stellen.
Eine Feststellung, die der gängigen innerschweizerischen Stammtischlogik folgt: Was nützt es, wenn ich meine Ölheitzung ersetze und die Chinesen bauen ständig neue Kohlekraftwerke?
Ein Totschlagargument, das man mit der einfachen Rückfrage kontern kann: „Möchtest du lieber im smoggeschwängerten Beijing leben oder in Basel?“
Also: Novartis strebt bis 2025 „die Klimaneutralität der eigenen Geschäftstätigkeit“ an und bis 2030 die Wasser – und Plastikneutralität,
Zum dritten ist der Herrmannsche Kommentar interessant, weil er das (umwelt)politische Wegdriften Basels von der übrigen Schweiz sehr überraschend gut aufzeigt.
Zwischen all seinen Zeilen.
Klaus Kirchmayr meint
Ich würde mal behaupten, dass Basel da in der Schweiz nicht den Sonderfall darstellt. Es akzentuiert sich einfach besonders, weil hier Stadt und Kanton defacto das Gleiche sind und wir es entsprechend häufig im Schweizer Kontext als basel-spezifisch wahrnehmen, während in anderen Kantonen halt Stadt und Land „vermischt“ werden.
Im Grundsatz dürfte die obige Diagnose wohl für die meisten urbanen Gebiete in Westeuropa mehr oder weniger stimmen – am Schluss ist es mittlerweile in allen Fragen ein sich verschärfender Gegensatz zwischen Stadt und Land der unsere politische Agenda oft dominiert.
Rampass meint
Totschlagargument? Smoggeschwängert war die Innerschweiz noch nie. Trotz Ölheizungen. An den Gestank der 70er wird man höchstens erinnert, wenn der Vordermann einen alten VW Käfer steuert. Die Zeiten, als in der Schweizerhalle nachts alle Kamine rauchten, sind längstens vorbei. Was dann bedeutet, dass der Umweltschutz massiv vorwärts gemacht hat. So kommt das Hyperventilieren wegen „Klimaschutz“ und dem lächerlichen „Klimanotstand“ doch etwas sehr schräg rüber. Zeitgeist halt. Mehr nicht.
Das Abstimmungsergebnis hatte was mit dem Durchschnittseinkommen zu tun. Was in Basel & Agglo bedeutend höher ist als z.B. in der Innerschweiz. Wo die Leute nicht beim Staat oder in der Big Pharma arbeiten. Und die Velostrecken physisch bedeutend anstrengender sind als in der flachen Stadt.
U. Haller meint
Na ja, der ökoliberale Mainstream hat mittlerweile auch die behäbige Schweiz erreicht und bestimmt hierzulande den politischen Diskurs. Und wer sich dagegen stellt, wird als alter weisser Mann beschimpft – so what. Die »Altpartei« FDP – es sei nicht verschwiegen, dass ich immer noch dazu gehöre – bemüht sich mit nahezu rührender Hilflosigkeit, auf diesen Zug aufzuspringen und hat sich ein grünes Mäntelchen übergezogen. Sagt man. Mittlerweile wissen wir, dass diese Anbiederung an den ökoliberalen Mainstream ganz erhebliche Fliehkräfte an der eigenen Basis dieser FDP ausgelöst haben – meine Wenigkeit gehört längst auch zu diesen sog. »Königsmördern«. Dass das Domdorf mittlerweile zu einer (politisch) grünen Wohlstandsmeile verkommen ist, besorgt mich echt. Wir müssen auf der Hut sein! Politiker wie die Galionsfigur Baerbock haben wir zwar nicht, doch die Basis und die ganze Horde an Aktivisten nagen auch bei beharrlich am Gestänge der politischen Strukturen. Ich wehre mich dagegen, dass diese sog. »Urbanität« mehrheitsfähige Alltagspolitik wird. Die Ablehnung des CO2-Gesetzes war eine verständliche Reaktion des Bürgers, der nun nicht mit Dummheit gesegnet ist und sich jedem etatistischen Umweltfurz beugt. Und noch etwas: Man lese bitte einmal das ausführliche Wahlprogramm der Grünen Deutschlands. Da sollte jedem Blinden die Augen aufgehen, dass damit ein Vormarsch Richtung DDR 2.0 vorprogrammiert wird. Es ist nur zu hoffen, dass die Frau mit dem geschönten Curriculum die Quittung erhält und dass auch bei uns wieder etwas Vernunft einkehrt.
M.M. meint
Frau Baerbock geht sang und klanglos unter, da müssen wir gar nicht darüber diskutieren. In Basel wurden die ähnliche politische Position bekanntlich abgewählt.
Hingegen wird die frisch zusammengesetzte Regierung punkto Umweltmassnahmen noch ein paar starke Pflöcke einschlagen.
T.Lüscher meint
Wo Herr Haller recht hat, hat er recht: aktuell ist im Domdorf, mit bürgerlicherer Mehrheit, klammheimlich ein Bauminventar in Vorbereitung. Die nächste Enteignung von Privaten steht unmittelbar bevor: setzt ja keine Bäume, greift contre coeur zu Beton oder trostlosem polnischen Gesteinsbrocken, falls Ihr später Euren Garten für die Erben nutzen wollt.