Ich wundere mich, wie unkritisch die deutschen Medien die Fiskalunionsabsichten ihrer Kanzlerin beklatschen, indem sie auf Herrn Cameron eindreschen.
„Cameron“ ist in Deutschland bereits zum Wort für politische Beschimpfungen mutiert.
Dabei ist mir die britische Haltung verständlicher, als die der Kontinentaleuropäer. Warum nur sind die so überzeugt, dass ein grosser Zusammenschluss effizienter ist, als kleine, mehr oder weniger autonome kleinere Einheiten?
Und immer diese Gedönse von der Friedensunion. Als ob man sich nicht vorstellen könnte, einfach und so friedlich zusammenzuleben, OHNE dass man sich zusammenschliessen muss? Die trauen sich alle wohl selbst nicht über den Weg.
Klar werden die Franzosen nicht mehr auf die Deutschen und die nicht mehr auf die Polen eindreschen. Was viel realer ist, dass gerade wegen dieses „Friedensprojekts“ der Aufstand in den Strassen droht. Dann dreschen die lokalen Polizeikräfte auf die Bevölkerung ein.
EU-Europa entfernt sich mental von der Schweiz in einem Tempo, dass wir uns so nicht haben vorstellen können. Die Irritationen werden künftig auf beiden Seiten noch zunehmen.
Die Schweiz steht für ein völlig anderes politisches und gesellschaftliches Modell.
Wenn diese saublöden Bundesratswahlen endlich vorbei sind, sollte eine Grundsatzdiskussion über die Position der Schweiz in diesem Europa angestossen werden – jenseits von Beitritt Ja oder Nein, weil der eh nicht mehr infrage kommt.
Die konservative Wochenzeitung „Spectator“ hat das Veto des Herrn Cameron aus der Sicht der britischen Interessen beurteilt. Und kommt in einer 10-Punkte-Argumentation zu einer völlig Einschätzung der Lage als deutsche Brüllblätter wie beispielsweise DER SPIEGEL, selbstverständlich.
Auszug:
1. Because of Cameron’s veto, Britain lost a seat at the negotiating table. Not true. The UK was never itself going to take part in the Merkozy pact (and potentially be subject to EU sanctions).
2. Cameron’s veto created a two-tier Europe. A two-tier (or, rather, multi-tier) Europe was a consequence of the formation of the euro.
3. The UK is now completely isolated. Define isolated.
4. Cameron used his veto to protect a ‘tiny part of our economy’. Financial services accounted for a £35bn trade surplus last year — one of the few sectors that generated a surplus, as well almost 2 million jobs and it contributed £54bn in taxes.
5. Merkel got what she wanted. This claim was also part of most broadcast reports and is equally untrue. Merkel got something, but, as Spiegel noted, she also ‘paid a high cost’.
6. The UK is alone in expressing reservations about Merkozy’s deal.Cameron was clearly all alone on the veto, but others are far from enthusiastic about what’s on offer. Part of the deal hit the wall in the Finnish Parliament, while the Swedish opposition parties are opposed to
9. The 17+ can easily use the EU institutions to enforce their decisions, making Cameron’s veto pointless. ECJ case law clearly states that an ad hoc group of countries can use the EU institutions but only subject to an agreement by all EU member states sharing and paying for the institutions.Sweden signing up.
7. The UK asked for ‘special exemptions’. Whether or not he asked for the right things.
8. Cameron went to Europe to protect greedy bankers. One of his demands was to be able to impose stricter rules on banks (capital requirements) in order to avoid future taxpayer-backed bailouts of bankers.10. The veto was about blocking the financial transaction tax and specific financial regulations. Not quite. Cameron already had a separate veto over the FTT, and the Treaty changes were merely about tightening the eurozone’s budget rules (from which the UK already has an opt-out).
Der beste Spruch zur Situation stammt ebenfalls von der Insel: UK sei so isoliert in Europa, wie jener Passagier, der am Pier steht, weil er sich im letzten Moment geweigert hat, an der Jungfernfahrt der Titanic teilzunehmen.
Das wäre doch der Ausgangspunkt für eine ernsthafte politische Diskussion in der Schweiz. Denn die Welt in Europa ist seit letzter Woche eine völlig andere. Der bilaterale Weg, wie wir ihn bis anhin beschritten haben, ist seit letzter Woche Makulatur.
Wir sitzen künftig mit einer völlig anderen Verhandlungspartnerin am Tisch. Ob „die in Bern“ das schon gemerkt haben, ist zu bezweifeln.
Sie sind seit Wochen mit diesen völlig unwichtigen Bundesratswahlen beschäftigt.