Nein, es ist nicht so, dass ich politisch nach links abdrifte.
Richtig ist vielmehr, dass ich mich – beschleunigt – aus der eng gezogenen politischen Welt des Baselbiets (und Basels) entferne.
Weil, da sollen sich jetzt andere darum kümmern.
Doch solch eine Reise ins Unbekannte – mit einem vorhersehbaren Endergebnis übrigens – kann irritierend sein.
Für einen selbst.
Man verliert die einst als Gewissheit vertretenen Positionen unter den Füssen.
Zum Beispiel die: Was gut für die Wirtschaft ist, ist auch gut für uns.
Wenn also Herr Lauber von wegen Steuervorlage argumentiert, man müsse den hier ansässigen, international operierenden Unternehmen unbedingt die Steuern kürzen, sonst zögen die woanders hin, dann sage ich nicht mehr: Recht hat er, sondern: okay, so what?
Und wenn er weiter sagt:
Dann heben sich meine Augenbrauen: Ah ja?
„Das Ergebnis sind 13,45 Prozen“, sagt Herr Lauber.
Und ich denke: Schön.
13,45 Prozent wären auch bei meiner Steuerrechnung ganz okay.
Flat.
Doch es kommt noch besser.
Auf die berechtigte Frage, ob man sich die Folgen der Steuervorlage 17 mit dem angenommenen Steuerrückgang von 61 Mio. Franken (Linke) respektive 47 Mio. Franken (Regierung) überhaupt leisten könne, sagt Herr Lauber: Klaro.
Der Kanton habe sich seit sechs Jahren auf diese Vorlage vorbereitet.
An dieser Stelle entfährt mit ein urchiges „Heilandzack!“ (Schwäbisch für: Verdammt noch mal!).
Müssen wir das jetzt so verstehen, dass die „132 Massnahmen zur Beseitigung des strukturellen Defizits“, „die den Staatshaushalt bis 2019 mit insgesamt 188 Mio. Franken entlasten“, nichts anderes als eine Geheimaktion zur Vorbereitung dieser Steuersenkungsvorlage waren?
Da ganze Theater mit der Uni Basel, den Kulturbeiträgen an Basel-Stadt also, die Streichungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales, der Stellenabbau beim Kanton inklusive, ein klammheimliches Finanzmanöver?
Heh, was wollt ihr – wir haben dank meiner Finanzplanung XXL-Millionen eingespart, können also locker 61 Mio. (Linke), resp. 47 Mio. (Regierung) verteilen, denn wir schreiben „in den kommenden Jahren durchweg schwarze Zahlen“.
Sagt Herr Lauber.
Was Herr Lauber nicht sagt: Im Grunde genommen ist die Steuervorlage 17 bereits Makulatur.
Weil in den letzten sechs Jahren die OECD damit beschäftigt war, die internationalen Steuerspielregeln erneut umzuschreiben.
Wer es wissen möchte, wie: Steuerpläne der OECD: Bei der Umverteilung wird die Schweiz zur Verliererin
Merke: Nach Abstimmungskämpfen gilt auch für Herrn Lauber: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.
Wer nun sagt, das sei eine linke Position, na dann von mir aus.
redbüll meint
lieber herr schinzel, dann sagen sie mir doch bitte mal, wo wir als natürliche personen auch nur annähernd soviel profitieren wie die unternehmen?!!
Bringold hat vollkommen recht. bin nicht links, aber diese vorlage lehne ich ab.
redbüll meint
ah… interessant… herr schinzel antwortet nicht…
Marc Schinzel meint
@redbüll: Ich bin ja nicht Ihr Befehlsempfänger 🙂 . Wieso kommen Sie hier eigentlich anonym daher? Zur Steuervorlage: Mit der SV 17 zahlen grosse Unternehmen unter dem Strich etwa gleich viel wie heute (wenn sie forschen und entwickeln) oder mehr als heute (wenn sie keine oder geringe Forschungsabzüge geltend machen können). Die KMU, welche in BL den Hauptteil der Wirtschaft ausmachen, werden etwas entlastet. Ich sehe die SV 17 als Chance. Wie auch Toni Lauber, und wie die GemeindepräsidentInnen gerade derjenigen Gemeinden im Kanton, die viele Unternehmen bei sich haben und welche die weitere Entwicklung innovativ angehen, indem sie gezielt Areale entwickeln. Also Allschwil, Arlesheim, Pratteln, Reinach, Aesch, Münchenstein, Birsfelden, um nur ein paar davon zu nennen. Die Gemeindepräsidien all dieser Orte und vieler mehr, denen das gegnerische Komitee Riesenlöcher prophezeit, setzen voll auf die SV 17. Sie sehen, welche Risiken wir eingehen würden, wenn wir nicht handelten oder den Gewinnsteuersatz im Vergleich mit BS zu hoch ansetzen würden. Die SV 17 ist so konzipiert, dass sie namentlich innovativen, forschungsintensiven Unternehmen grosse Chancen bietet (Abzüge für Forschung und Entwicklung, Patente). Und hier kommen auch die natürlichen Personen ins Spiel: Je mehr BL ein attraktiver Standort für solche Unternehmen wird, desto mehr Arbeitsplätze, und zwar gute, werden geschaffen und desto mehr gut qualifizierte Leute ziehen in unsere Region. Das gibt unter dem Strich für den Kanton und vor allem auch für die Standortgemeinden mehr Steuereinnahmen durch Firmen und natürliche Personen. Dank der starken Steuerprogression in BL (vgl. mein erster Post) profitieren davon primär sozial schwächer gestellte Personen. Das ist längerfristig der wichtigste Effekt der SV 17. Diese bringt aber auch direkte Vorteile für natürliche Personen: So für den Mittelstand mit der Erhöhung des Steuerabzugs für Kinderdrittbetreuungskosten von heute maximal 5’500 Franken auf neu maximal 10’000 Franken und für sozial schwächer gestellte Personen und Familien mit der Aufstockung der für die Prämienverbilligung zur Verfügung stehenden Gelder um 17.4 Millionen Franken.
Margareta Bringold meint
Die KMU im BL werden nicht etwas entlastet wie Sie uns weismachen wollen sondern sie zahlen rund einen Drittel weniger Steuern. Das sind keine Peanuts. Wenn alle entlastet würden wie Sie behaupten (Unternehmen, Familien, Gemeinden) wer zahlt dann noch Steuern und vor allem, wo werden diese Steuerentlastungen eingespart? Wenn Sie an Bildung und Infrastruktur weiter sparen, werden andere Standortvorteile für Unternehmen geschwächt.
M.M. meint
Fragt sich dann noch: Wo kommen denn all die vielen tipqualifizierten Arbeitnehmer her? Brisante Stichworte =>Masseneinwanderung, Grenzgänger.
Marc Schinzel meint
@M.M. : Das ist ja nicht unbedingt das Pferd, das ich reite … Qualität zählt mehr als Quantität.
Marc Schinzel meint
@Bringold: Grosse Unternehmen, die keine FE-Abzüge geltend machen können, zahlen mehr: Gewinnsteuersatz geht von 9-11% auf 13.45% hoch. Und hier reden wir – anders als bei vielen KMU – von erheblichen steuerbaren Gewinnen. Bei den KMU sind die realen Gewinne in Franken oft relativ klein, deshalb ist auch die Entlastung nicht riesig. Vergessen Sie auch nicht den Bundesbeitrag, den BL erhält.
Bringold Margareta meint
Sehr geehrter Herr Schinzel. Bei den KMU sind die realen Gewinne zur Zeit noch klein, aber warten Sie ab, bis die SV17 angenommen ist. Dann wird die Steuerplanung u.U. anders aussehen. Höhere Gewinne in Unternehmen bedeuten dann tiefere Löhne der Geschäftsinhaber sprich auch tiefere AHV-Beiträge, sprich noch ein grösseres Loch in der AHV. Das nur als Beispiel. Ich glaube nicht, dass Sie und mit Ihnen der Grossteil der Politiker diesen Mechanismus verstehen.
Marc Schinzel meint
Regierungsrat Lauber hat immer gesagt, dass er den Kanton Basel-Landschaft als Wirtschafts- und Wohnstandort attraktiver und wettbewerbsfähiger machen will. Dieser Linie ist er beharrlich gefolgt, zB mit dem Finanzhaushaltsgesetz, das eine moderne Finanzplanung ermöglicht. Und er folgt ihr weiterhin, eben auch mit der SV 17. Was gibt es besseres als ein Finanzdirektor, der langfristig plant? Fakt ist, dass BL bei der Attraktivität für Unternehmen national höchstens im Mittelfeld liegt. Die Steuern sind ein wesentlicher Faktor neben anderen. Mit der SV 17 würden wir in der Spitzengruppe landen. Bei den Steuern für natürliche Personen sind wir im untersten Einkommensbereich nationale Spitze. Das finde ich durchaus gut so. Aber schon ab dem Mittelstand und erst recht bei hohen Einkommen landen wir weit hinten, auf den Rängen 20-25. Von den Vermögenssteuern wollen wir gar nicht erst reden. Toni Lauber macht das schon richtig, meine ich.
Bringold Margareta meint
Ja Herr Schinzel, schinzeln Sie ruhig weiter. Sie haben wieder einmal gar nichts begriffen. Mit der SV17 steigen die Steuern für die privilegierten Unternehmen. Das Risiko, dass diese trotz der Annahme der SV17 abwandern, ist immer vorhanden. Das Risiko, dass bei der Ablehnung der SV17 die ordentlich besteuerten Unternehmen abwandern, ist gering, denn bei einer Ablehnung ändert sich für diese gar nichts. Zudem sind diese nicht so mobil. Die Regierung wäre bei einem Nein verpflichtet, möglichst bald eine bessere Lösung zu bringen. Der Kanton Solothurn macht’s vor. Wenn Lauber Sie fragen würde, welchen Steuersatz hätten Sie denn gern, würden Sie sich auch einen möglichst tiefen wünschen? Das haben die Unternehmen logischerweise getan. Nun bin ich gespannt, wie RR Lauber dann die hohen Einkommen und Vermögen steuerlich entlasten will nach dieser Tiefsteuerstrategie für Unternehmen. Dafür ist kein Spielraum vorhanden. Deshalb muss man kein Linker sein um diese Vorlage abzulehnen.