Bei einer Bauernfamilie – Verwandtschaft unseres Tuktukfahrers – waren wir heute zum Chai eingeladen. War nett, aber sprachlich reduziert. Tönt ja schön – eingeladen bei einer Bauernfamilie. Irgendwann kommt dann die Bekannte aus Genf zur Sprache, die einem regelmässig Schokolade schickt. Die üblichen Geschichten halt – siehe weiter unten.
Wir sind jetzt einen Monat in Indien. Und haben ehrlich gesagt noch nicht genug. Die Belästigungen haben stark abgenommen. Weil wir Ladenbesitzer, Touts und Bettler einfach ignorieren. Als wir vorgestern mit dem Auto hier angekommen sind, wartete ein Schwarm von allen vor dem Hotel auf uns. Als wir ins Freie traten, gab ich kurz den Tarif durch: „No touts, no beggers, no stupid people!“ Worauf sich der Haufen auflöste.
Charlie sagte uns am anderen Tag, meine kurze Ansprache hätte mächtig Eindruck gemacht und sich herumgesprochen. Wir wurden nicht mehr belästigt.
Was ich damit ausdrücken will: man braucht einige Zeit, um sich an die hiesigen Spielregeln zu gewöhnen. Zum Beispiel zur Kenntnis zu nehmen, dass gar nichts, aber wirklich gar nichts von dem stimmt, was die einem erzählen. Da wird einem beispielsweise beim Rundgang durch das nahe gelegene alte Khajuraho auch die Dorfschule gezeigt.
Bei ihm haben wir was gekauft.
Der angebliche Lehrer himself führt einem durch die Klassenzimmer, kahle Räume mit ein paar Fussmatten am Boden, mit Wandtafeln an den Wänden. Doch halt mal – diese Formeln an der einen Tafel, soviel verstehe ich nun auch von Algebra, das ist nicht der Stoff für Kinder einer Dorfschule. Am Schluss will er selbstverständlich etwas Geld für seine Schule. Ich sagte dem jungen Mann, der uns durchs Dorf führt (Tout), er solle solchen Unsinn lassen, worauf er sich entschuldigte. Er zeigte uns anschliessend das Haus, wo er wohnt. Erstunken und erlogen. Aber es war trotzdem mal interessant, einen Blick in eine Wohnung zu werfen.
Eigentlich muss man sich den ganzen Tag solchen Stunk anhören, der überdies in allem Ernst vorgetragen wird.
Da preist ein Verkäufer seine Bronzefiguren, die er zum Kilopreis einkauft, als Antiquitäten an. „Sorry“, sage ich, „in meinem Land darf ich keine Antiquitäten aus Indien einführen.“ „No problem“, antwortet der Mann, „I give you certificate.“ Als er verzweifelt merkt, dass wir nichts kaufen wollen, meint er: „Kann ich Euch wirklich nichts verkaufen, was wollt ihr haben“? Ich frage ganz harmlos: „Do you have icecream?“ Er schaut zunächst verdutzt drein und beginnt dann zu lachen: „Icecream!!!“ Draussen vor der Tür stehen andere und lachen auch. Einer kommt auf mich zu und sagt: „Sir, I have icecream, you wonna see my shop?“
Leute, das ist wirklich grosses Theater.
Ich habe inzwischen auch ein paar Geschichten auf Lager, um den Preis runterzuhandeln. In Hotels zeigen sie einem zunächst immer das teuerste Zimmer, oftmals, zugegeben wirklich schöne Zimmer mit Malereien. Ich schau dann etwas traurig drein und sage: „You know, ich habe eine schlechte Angewohnheit – ich schlafe mit geschlossenen Augen. Da sehe ich rein gar nichts von dem schönen Zimmer.“ Das überzeugt nun jeden und der Preis geht runter um 500 oder gar 1000 Rupien.
Oder ich frage, weshalb es in der Schweiz so viele Banken gibt (erste Frage immer: „which country?“ Antwort: „Weil die Schweizer Geld sparen. Und genau das mache ich jetzt auch. I have to save money, it ’s a habit you know.“ Allgemeines Gelächter, aber die Diskussion um den Kauf von Kaschmirschals und anderem Zeugs ist beendet.
Übrigens: nicht nur wir, sondern auch die Inder werden übers Ohr gehauen, und wie. Seither nehme ich es nicht mehr persönlich.
Man braucht tatsächlich Zeit (und man bezahlt auch einige Rupees zuviel), bis man mit dieser ungewohnten Situation umgehen kann; bei uns wird man halt anders übers Ohr gehauen.
Wen’s interessiert: nein, keine Verdauungsprobleme bis jetzt. Wasser gibt’s nur aus versiegelten Flaschen, wir essen praktisch nur vegetarisch (Brigittediät). Ja und wenn’s sich ergibt, wie in diesen Tagen, italienisch. Indien hin oder her, ist mir inzwischen ziemlich egal. Heute Abend beispielsweise beim Italiener vis-à-vis eine perfekte Pizza aus dem Holzofen.
Den Mozzarella beziehen sie von einem Lieferanten in Delhi, wie auch den Parmigiano und den Gorgonzola. Ansonsten wissen die Inder inzwischen, dass wir es nicht gar so scharf mögen. Manchmal fehlt das Chili überhaupt, was dann zeigt, dass die indische Küche nicht übermässig raffiniert ist. Zum Frühstück gibt’s in den Hotels zumeist Toast, Butter und eine rote, geschmacklich nicht zu verortente Confitüre. Wir nennen sie „All India Hotel Jam“.
Also nochmals einen Monat in Indien. Morgen früh geht’s weiter. Vorgestern haben wir mal wieder die Route geändert. Fest steht, am 17. November sind wir für einen Tag zurück in Delhi. Doch davon später mehr.
Schönes Wochenende.