Wir erhalten jede Menge Erklärungen zu den arabischen Aufständen von den Altvorderen des Schweizer Journalismus, den sogenannten Nahostexperten. Kann jemand aus der Leserschaft mit deren Analysen etwas anfangen? Wissen die mehr, als das, was jeder mit Vernunft geplagte Nordeuropäer googeln kann?
Hat einer von diesen Experten derartige Eruptionen vorausgesagt? Eben.
Anders Gunnar Heinsohn. Der weist schon seit Jahren auf das Gewaltpotenzial in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas hin. Dieses Gewaltpotenzial hat einen einzigen Grund: Zu viele junge Männer.
Heinsohn hat jetzt einen „Bruderkriegsindex“ aufgestellt. Je ungünstiger das Verhältnis der 50 bis 65-jährigen Männer zu 15 bis 29-Jährigen, desto grösser ist das (Bürgerkriegs)-Potenzial eines Landes.
Will man verstehen, warum Tunesien relativ schnell wieder ruhig wird und die Armee den Präsidenten Ben Ali gefahrlos fallen lassen kann, dann hat das mit seinem kleineren Bruderkriegsindex von ungefähr 2 zu tun. In diesem Land mit einem Durchschnittsalter von dreißig Jahren stehen nur zwei Zwanzigjährige gegen einen Fünfzigjährigen. Überdies folgen auf 1000 junge Männer von 15-29 Jahren nur noch 850 Knaben zwischen 0 und 14. Das liegt daran, dass die Kinderzahl pro Frau zwischen 1970 und 2007 von 7,1 auf 1,7 absinkt.
Was wir erleben, ist ein Generationenkonflikt, wie ihn Europa in einer weitaus gemässigter Form, jedoch aus ähnlichen Gründen in den sechziger Jahren mit den Babyboomern erlebt hat.
Die aktuell höchsten Indizes von rund 5 werden in Ländern wie Niger und Uganda oder Gaza und Jemen erreicht. Auf 1.000 Männer der Generation, die aktuell die Machthaber, Unternehmer, Chefs, Verwaltungsspitzen, Professoren, Lehrer, Journalisten und sonstigen Funktionseliten stellen, folgen 5.000 junge Männer zwischen Pflichtschulabschluss und Universitätsexamen, die den Lebenskampf aufnehmen müssen.
Nur gut ausgebildete Menschen nutzen die neuen Kommunikationskanäle wie Twitter und Facebook. Was vielleicht auch ein Hinweis darauf ist, dass diese jungen Frauen und Männer uns näher stehen, als beispielsweise den Taliban am Hindukusch. Und sie müssen satt sein.
Heinsohns unsentimentale Analyse:
Bei gleich hohem Bruderkriegsindex variieren die Gewaltpotenziale nach dem Wohlstand der betroffenen Nationen. Länder mit extremer Armut werden eher Hunger und Apathie erleben, während in solchen mit Wirtschaftswachstum oder zumindest ohne Einkommensrückgang mehr Kraft und Intelligenz für Informationstechnik und Bewaffnung für das gegenseitige Ausschalten zur Verfügung stehen.
Vollständiger Beitrag: Bruderkriegsindex der arabischen Aufstände