Vor Jahren habe ich mal in einem Konzept für die selbstzweifelnde Bürgergemeinde eine Rückbesinnung auf die verloren gegangene Denkmaltradition angeregt. Statt Kriegshelden wie in London könne doch Basel die vielen klugen Köpfe, die zum weltoffenen Geist dieser Stadt beigetragen haben – Euler, Nietzsche, Paracelsus, Bernoulli, Hesse, Böcklin, Burckhardt, Herzog usw. –, mit Denkmälern ehren. Denn Offenheit zieht Talente und Querdenker an, und diese sorgen wiederum für frische Luft und urbane Spannung.
Basel galt bis in die Nullerjahre als liberalste Stadt der Deutschschweiz, ein Hauch französische Nonchalance war zu spüren, Kommunisten waren geachtete Grossräte (Heiri Strub, Rudolf Bantle, Carl Miville sen.), die Polizisten kulant, mit den Tramkontrolleuren konnte man noch diskutieren, die Drogen- und Integrationspolitik waren Schrittmacher für die ganze Schweiz. Bierernst und ideologische Verbissenheit schrieb man den Zürchern zu.
Christoph Stutz führte das zügige Bewilligungsverfahren ein, in der Ära Jörg Schild/Thomas Kessler wurde die Heroinverschreibung eingeführt und gleich noch die Polizeistunde abgeschafft. Und heute, mit der rot-grünen Mehrheit? Die Finanzpolitik ist solide bürgerlich, der Zuzug von Fachkräften toll, die Strategien der Kantonsentwicklung zur Wohnraumförderung und Integration werden mit zwei Dritteln Zustimmung angenommen, Roche investiert drei Milliarden – hurra!
Trotzdem herrscht in den Medien ein Dauerlamento über Baustellen und Bürokratie. Die Erfolge auf den grossen Linien gehen unter im Kleingeist der mickrigen Einzelinteressen. Einige wenige Amtsstellen kreieren mit rigider Bewilligungsbürokratie und Bussenexzessen eine kafkaeske Verhinderungsatmosphäre. Die braven Verwalter in der Regierung schaffen es nicht, die eifrigen Vollzieher zu mässigen.
Die einst liberale Haltung des Baschi Dürr – im Amt wie weggeblasen. Eymann – ein netter älterer Herr. Wirtschaftsminister Brutschin meldet sich kaum zu Wort, und wenn, dann nicht zur wirtschaftsschädlichen Aufhebung des Cassis-de-Dijon-Prinzips durch den Bauernlobby-gesteuerten Nationalrat, sondern zu Lärmmessungen seiner Umwelt-Beamten an Jugendpartys.
Doch der Basler Geist ist zäh. Die schikanierten Gewerbler begehren auf, die Jungpolitiker-Initiative «Kulturstadt jetzt» will eine lebendige Metropole. Stadtentwickler Kessler fordert und fördert einen radikalen Kulturwandel, hin zu mehr Urbanität und Selbstverantwortung.
Im von der Kleinbasler FDP initiierten «Freiheitspodium», kämpft ein origineller Mix aus Freisinnigen, Anarchisten und Kulturaktivisten gegen den alles erstickenden Formalismus und Staatsinterventionismus. Liberale Konzepte zur Sterbehilfe, Gastronomie und Drogenpolitik werden dort diskutiert, über Vorstösse im Grossen Rat finden sie Eingang in die Entscheidungsprozesse. Reicht das für einen Umschwung?
Nicht solange Wissenschaft, Wirtschaft und Kreative in vornehmer Distanz bleiben. Ohne sie marschiert die politische Kultur in Basel-Stadt stramm Richtung bürgerlich vernebeltes Oberbaselbiet. Die kreative Führungselite muss sich einmischen und den städtischen Diskurs mitprägen.
Der Zeitpunkt dafür ist günstig, weil nationale und kantonale Wahlen anstehen. Die Wahl der Partei ist relativ wurst, solange Langweiler gestrichen und stattdessen Persönlichkeiten und Kämpfer von grossstädtischem Format gewählt werden.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 20. Mai 2015.
G. Koller meint
… Wieder mal Klasse-Aufnahmen, diese drei Fotos aus dem „Basler Estrich“ am Petersgraben, – und natürlich ganz ohne Bezug zu den Posts und den darin thematisierten aktuellen Befindlichkeiten in Sachen Politik, Wirtschaft und Kultur …
freiheitspodium meint
Danke für die Blumen! Wir sind immer auf der Suche nach neuen Freiheitskämpfern und freiheitlichen Ideen!
h.s. meint
Es ist immer wieder schön zu lesen wie Geschichtsfälschung in die Leute hineingeht. Paracelsus war ein Freigeist. Er lehnte die Viersäftelehre ab. Das war die damalige „Schulmedizin“. Er musste deswegen in Nacht und Nebel Basel verlassen. Für eigene Gedanken war die Universität und der Stadt Basel nicht offen. Euler versuchte eine Stelle an die Universität Basel zu erhalten. Er wurde abgelehnt. Erst in Sankt Petersburg entwickelte er seine grösste Gedanken. In Basel war für den grösste Mathmatiker kein Platz.
Die Zunftherrschaft hat Basel Jahrhunderte lang gelähmt und geprägt. Von Grossburgertum nichts zu sehen. Basel hat die europaweite Era der grosse Freiheit 1965-1995 auch zelebriert, aber diese Stadt irgendwo eine Offenheit über alle Massen zu zu billigen ist Geschichtsklitterung
Die, die jetzt aufbegehren tun dies nicht weil sie Freiheit verlangen sondern aus Eigeninteresse. Die Gewerbler sind am Umsatz interessiert. Sie wollen geschlossene Grenzen aber ihre Laden sollen offen und erreichbar sein. Die „Jungpolitiker“ wollen ihre Aktivitäten stimulieren, am liebsten mit viele Subventionen und ohne an die Freiheit der Anderen zu denken.
Freidenker hatten und haben es in Basel schwer. Alle Instituten schauen für ihr eigenes Auskommen. Mit überbordende Burokratie und Regelungen versuchen sie das gleiche wie bei Paracelsus. Die Status Quo halten und sich nicht für Neues Interessieren. Nietzsche hat es die Baselr gelehrt: Es gibt keine Wahrheit also bestimmst du sie.Für neue Ideen ist kein Platz. Es wird konserviert und kontrolliert. Nicht der Geist sondern die Burokratie herrscht.