Koch ist weg und damit auch Corona. Wäre ich ein Verschwörungsarschloch, würde ich messerscharf folgern: Corona gab’s nur wegen Koch.
Na gebt’s doch einfach zu: War doch eine tolle Zeit mit diesem von oben diktierten Ausnahmezustand. Endlich einfach mal entspannt Untertan sein, ohne basisdemokratische Verantwortung.
Unser aller Alltag wurde per Notstandsgesetz entschleunigt, ein Zustand, wie wir ihn uns insgeheim schon lange gewünscht hatten.
Später, als ich wieder raus durfte, hatte sich die menschenleere Basler Innenstadt in eine skurrile Filmkulisse verwandelt. Die ausgestellten Waren in den Schaufenstern waren ihres Sinns beraubt – gekauft zu werden.
Wie man lesen konnte, musste, wer unbedingt wollte, in den Corona-Wochen selbst einen Autounfall ganz alleine durchziehen. Schliesslich war kaum ein anderes Auto unterwegs, in das man hätte reinfahren können.
Klar, ich gebe es zu: Ganz am Anfang, als Frau Sommaruga mitten am Nachmittag live im Fernsehen den Ernst der Lage erklärte, Herr Berset uns zum ständigen Händewaschen beorderte und erstmals dieser Herr Koch auftrat, der mich an den Bestatter in der Comic-Serie Lucky Luc erinnerte, also in dem Moment hatte ich schon so meine Bedenken, ob das für mich gut enden werde.
Schliesslich erklärten mich die in Bern sofort zur Risikogruppe, was so zu verstehen war, dass nicht ich für die anderen, sondern die anderen für mich fortan als Bedrohung galten.
Bleibt zuhause! Wir werden den Corona-Kampfruf nie mehr vergessen.
Die Schweiz hatte nach dieser ersten Pressekonferenz das Wort des Jahres gefunden, wenn nicht des Jahrzehnts: Lockdown.
Ein paar Tage wachte im mit dem Gedanken auf: Statt mit 86.6 werde ich wohl mit 71 sterben.
Was mir ehrlich gesagt, etwas gar früh schien.
Doch im März war die allgemeine Stimmung nun mal so, dass es unausweichlich schien, in den kommenden Wochen nicht vom Virus befallen zu werden.
60, 70 Prozent der Bevölkerung werden Covid-19 durchmachen, hatte ich im Guardian gelesen.
Der Guardian ist eine der besten Zeitungen der Welt, weshalb ich zum Schluss gelangte: …weshalb-nicht-heute mit dem Virus anstecken?
Ich wollte wissen, wie heftig mich Corona tatsächlich umhaut.
Vielleicht muss ich jetzt nachschieben, dass das nichts mit Heldenmut zu tun hat.
Vielmehr habe ich seit frühester Kindheit das Problem, dass ich mich solange und intensiv mit einem Thema – das nichts mit Mathematik oder Französisch zu tun hat – beschäftigen kann, bis es mich nicht mehr interessiert.
Corona war wieder so ein Thema.
Sie hat mich kurz nach dem Blogbeitrag angesteckt. Sie selbst hatte das Virus von einem lockeren Abend mit nach Hause gebracht.
Wie ein paar andere auch.
Es sollen 34 bestätigte Corona-Fälle in Arlese gegeben haben, wird herumerzählt. Gut möglich, dass es doppelt so viele gewesen sind.
Arlese war im März – unbeachtet von der Welt – ein Corona-Hotspot.
Mich hatte das Virus an einem Sonntag überfallen. Ich fühlte mich von einer Stunde zur anderen „thrown under the bus“, wie sie im Guardian manchmal zu schreiben pflegen.
Ich gab den Oblomow, mochte das Bett nicht mehr verlassen. Was ich ab Tag zwei zu geniessen begann, so ohne schlechtes Gewissen den ganzen Tag im Bett zu liegen.
Über eine Woche.
Kann mich nicht mehr erinnern, wann ich das letztmals gemacht habe. Ich habe wenig gegessen und viel gelesen. Der Körper war k.o. aber mein Kopf funktionierte bestens.
Man liegt da und überlässt dem Körper den Kampf gegen das Virus. Hilflos, doch im Vertrauen darauf, dass auch der überleben will.
Einzig beim Aufwachen war da dieser kurze Zweifel: Hat sich mein Zustand gegenüber gestern verschlechtert?
Die kollektive Erfahrung: Auch wir lebten sechs Wochen lang völlig isoliert von der Aussenwelt (und von den Kindern und Enkeln) in unserem Haus.
Ich werde diese Zeit mit hellem Sonnenschein und strahlend blauem Himmel verbinden. Von Kondensstreifen keine Spur. Dieses Frachtflugzeug im April – eine Sensation.
Zur Corona-Zeit gehören die tägliche Pressekonferenz aus Bern. Was fehlte, war eine kurze Erkennungsmelodie, etwas wie dieses dreimal kurz, dreimal lang – diese dumpfen Paukenschläge der BBC im 2. Weltkrieg.
Aber diese Pause bis alle ihre Plätze bezogen hatten, war auch ganz okay.
Überhaupt Fernsehen.
Ich habe in den letzten Jahren kaum je so viele Nachrichtensendungen geschaut und Diskussionssendungen verfolgt, wie in den vier Corona-Monaten.
Bevorzugt auf deutschen Sendern.
Denn was die diskutierten, galt auch für uns in der Schweiz. Doch die Deutschen haben die wortgewandteren Diskussionsteilnehmer, die zudem besser Hochdeutsch sprechen als „unsere“.
Es gelten halt andere Massstäbe: Wir hatten den Koch und die Deutschen gleich ein ganzes Koch-Institut.
Nebenbei: Ich fand es auch durchaus unterhaltsam, zuzuschauen, wie die Kirchenvertreter Mühe bekundeten, die besondere Lage zu deuten.
Ich meine, das wäre doch jetzt deren Zeit gewesen.
1700 Jahre konnten sie bei jedem Pestzug das Ende der Welt beschwören und zumindest den Christen ihren Erlöser als Retter anbieten, falls man auf den Knien rumrutscht.
Dann kam die Aufklärung, befeuert von der Not der Kleinen Eiszeit. Die Leute erschrecken sich seither selbst.
Jetzt dürfen alle wieder raus. Die Badesaison im Arleser Bedli hat der Bundesrat eben gerettet.
Doch die eigentliche Krise beginnt erst jetzt.
Und das Warten auf die zweite Welle.
Noël Fasel meint
Es irritierte mich sofort, obwohl ich nicht alt genug bin, es damals selbst gehört zu haben, aber dreimal kurz, dreimal lang als BBC Kennung schien mir einfach nicht so recht zu stimmen. Ich habe mehrere gleichlautende Hinweise darauf gefunden, die das zu bestätigen scheinen, dann aber doch noch ein Video, das exakt dem entsprach, was mir im Ohr lag:
https://www.youtube.com/watch?v=ZZi_6FUbo-Q
Dreimal kurz, einmal lang. Genau das hatte ich in Erinnerung. Es geht nichts über historische Fakten! Leider fand ich die Begründung dafür nicht wieder, könnte das aber nicht was mit Ludwig van Beethoven zu tun gehabt haben? Die ersten vier Noten der 5ten Synphonie vielleicht?
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_van_Beethoven#Sinfonien_Nr._5_c-Moll,_Nr._6_F-Dur_und_Nr._7_A-Dur
Ansonsten lasse ich Ihren Artikel als Ihre Meinungsbekundung mal so stehen, schenke Ihnen noch ein „später“ für Ihren zweiten Link.
Und einen angenehmen Sommer demnächst wünsche ich Ihnen ebenfalls. Und den bisher unangesteckten Gesundheit, selbstverständlich.
M.M. meint
Leser Fasel hat recht.
Jedoch: um sicher zu sein, hatte auch ich gegoogelt und war auf eine wissenschaftliche Arbeit mit folgender Eingangserläuterung gestossen:
„Hier ist England!“ – Der deutsche Dienst der BBC im Dritten Reich
Thomas Zweidler meint
Von wegen deutsche Sender hatten die besten Corona Sendungen abgeliefert.
Roger Schawinski mit seinem Corona-Talk-Radio täglich 2 Stunden auf Radio 1 – Weltsensation. Man erfuhr alles, vom Caritas Vertreter über den Zoo-Mann bis hin zum Kirchensprecher. Von annulierten Reisen, von Hundecoiffeusen-Leid und von Polizeidirektor-News. Roger kennt alle und ist mit allem per Du.
Übrigens: Er kanns nicht lassen – immer noch talkt er 2 Stunden nonstop weiter. Denn Corona ist weiterhin DAS Thema bei Vielen.
Nachzuhören (letzte Sendung) auf
https://www.radio1.ch/de/podcasts/corona-podcast
Ja-ja.
Der Roger. Mit seinem Radio 1. Ist er die Nummer 1. Und seine Talk-Radio-Mitmachnummer:
Natürlich 044 01 01 01 01…
Was denn sonst….