Von
Reto Wolf, Gemeindepräsident Therwil
Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser droht den Einwohnerinnen und Einwohnern unseres Kantons in einem Propagandabrief mit höheren Kosten für Mieter, Hauseigentümer, Firmen und Private, wenn sie das Gesetz über die Mehrwertabgabe ablehnen. Die grobschlächtige Kostenkeule wirkt ja meist und muss im Nachhinein nicht bewiesen werden.
Viele Baselbieter Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sind jedoch selber Haus- oder Wohneigentümer. Wir können sehr wohl einschätzen, ob wir uns mit einem Nein zur vorliegenden unfairen Mehrwertabgabe «selber ins Bein schiessen» oder eben nicht. Die Preise für Liegenschaften unterliegen dem freien Markt. Einzig Angebot und Nachfrage sind da entscheidend.
Um das vorliegende Gesetz nüchtern einzuordnen, muss man die Mehrwertabgabeansätze in den umliegenden Kantonen anschauen. Basel-Stadt schöpft schon seit Jahren 50 Prozent ab. Im Aargau, Solothurn oder Bern werden vom Kanton jeweils 20 Prozen des Mehrwertes erhoben und die Gemeinden haben die Kompetenz, zusätzlich bis zu 20 bis 30 Prozent abzuschöpfen.
In diesen Kantonen weiss man, wo nach Einzonungen oder Um- und Aufzonungen die grossen Kosten anfallen: in den Gemeinden. Im Kanton Baselland hingegen will man auf eine Mehrwertabgabe bei Um- und Aufzonungen vollständig verzichten. Damit wird den Investoren der grösstmögliche Gewinn überlassen, den Steuerzahlenden aber «grosszügig» die Finanzierung aller Infrastrukturkosten zugeschoben.
Mit diesem Gesetz sind alle 86 Baselbieter Gemeinden die Geprellten.
Statt eines Diktats aus Liestal braucht es auch im Baselbiet ein Gesetz, das massgeschneiderte kommunale Lösungen zulässt, damit den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Gemeinden optimal Rechnung getragen werden kann, so wie es in der Verfassung steht.
Die Gemeinden haben ihr politisches Bewusstsein geschärft. Es genügt nicht mehr, den Gesetzgebungsprozess mit Stellungnahmen zu begleiten. Wenn der Kanton die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger missachtet, müssen wir für deren Interessen eben kämpfen.
Wir lassen uns vom Kanton nicht mehr über den Tisch ziehen.
Mit einem Nein zum vorliegenden Mehrwertgesetz wird der Weg für ein besseres Gesetz frei gemacht. Ein Gesetz notabene, das den Gemeinden einen Spielraum einräumt. Es obliegt anschliessend den Stimmberechtigten in ihren jeweiligen Gemeinden, wie sie die Regeln ausgestalten wollen. Dieses Recht auf Selbstbestimmung darf uns der Landrat nicht einfach wegnehmen.
Bringen wir es auf den Punkt: Immer wenn die Wirtschaftskammer von Fairness spricht, wissen die Baselbieterinnen und Baselbieter, dass das Gegenteil gemeint ist. Mit einem «Nein zur Mehrwertabgabe» wird der Weg frei gemacht für eine Gesetz, das die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Wir wollen «von denen in Liestal» nicht geprellt werden.
Marcel Durrer meint
Zu allen anderen kommt hinzu, dass die Einführung der Mehrwertabgabe vom Kanton Baselland, und zwar von Regierung, Landrat und Lobbyisten, seit Jahren verzögert wird. Toller Nebeneffekt ist dann logischerweise, dass alle in der Zwischenzeit abgewickelten Auf- oder Umzonungen bereits erledigt sind und es da nichts mehr abzugeben gibt. Die Nutzniesser der Gratis-Aufzonung bedanken sich sicher.
Dies soll jedoch nicht ein Argument dafür sein, dass wir jetzt diese ungerechte Minimal-Lösung aus Zeitdruck akzeptieren.
Konsequenterweise sollten wir jegliche Auf- oder Umzonung ablehnen, bis eine anständige, gerechte und angemessene Mehrwertabgabe beschlossen ist. Die Haus- und Landeigentümer, die dann leider bei Ihren Bauvorhaben Verzögerungen erleiden, können sich dann bei der Wirtschaftskammer bedanken.
Lars Mazzucchelli meint
Tja – unser Landrat sieht das leider anders. In völliger Missachtung der fiskalischen Äquivalenz (Abgaben werden dort eingezogen, wo Kosten entstehen) , der verfassungsmässig garantierten Gemeindesouverenität und in gnädiger Verneigung vor dem Hauseigentümerverband findet er, das vom Bund geforderte absolute Minimum von 20% bei Einzohnungen reiche aus. Auf- und Umzonungen sollen völlig gratis sein.
Die Auswirkungen (verdichtetes Bauen, höheres Verkehrsaufkommen, höhere Nutzung der öffentlichen Infrastruktur) trägt jedoch die Allgemeinheit. Hier von einer „fairen Lösung“ zu sprechen, ist ein Schlag ins Gesicht aller Steuerzahler.
Patrick Rickenbach meint
Die Geschichte wiederholt sich: Im Jahr 2014 konnte eine Volksabstimmung zum Pensionskassenkompromiss gewonnen werden, nachdem der Kanton den Gemeinden einseitig rund eine halbe Milliarde Franken für die Sanierung der Pensionskasse aufs Auge drücken wollte. Im Jahr 2018 musste der Kanton von den Gemeinden per Volksabstimmung gezwungen werden, die versprochenen 45 Millionen Franken zur Kompensation der Entlastung des Kantons in den Ergänzungsleistungen (EL) zu leisten. Im Jahr 2019 stimmen wir nun über das völlig missglückte Gesetz über die Abgeltung von Planungsmehrwerten ab. Vielleicht realisiert ja nach dieser Abstimmung der eine oder andere Kantonsvertreter, dass eine solche Politik nicht gegen die Gemeinden durchgesetzt werden kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt.