Von Constantin Seibt
Ich fürchte, die rechten Intellektuellen (nehmen wir, um keine komplexen Qualitätsdebatten zu führen, eine einfache Definition dafür: ein Intellektueller als jemand, dem für seine Kommentare Geld bezahlt wird – wenn auch üblicherweise nicht viel) sind nur unter einer einfachen Bedingung zu haben: Dass nach 140 Jahren einmal die Linke ein paar Jahrzehnte dieses Land regieren würde.
Denn die Sache ist relativ simpel: Die Mehrheitsmeinung oder die Meinung der Macht zu bestätigen, braucht nicht viel Kraft. Dagegen zu reden oder zu schreiben, braucht schon mehr Eleganz, damit man ungestraft (und nach Möglichkeit auch noch bezahlt) davonkommt.
Denken braucht als Rohstoff Unabhängigkeit. Und Unabhängigkeit ist ein rares Gut in den Biotopen der Rechten – etwa Konzernen, Militär, katholische Kirche oder der SVP. Da gilt öfter nur die Meinung der Nummer 1, die sich gelegentlich noch ein paar Hofnarren hält, aber vor allem eine Hierarchie.
Das sieht man auch an den – oben gelobten – rechten Intellektuellen Köppel und Somm. Es braucht schon überdurchschnittliche rhetorische Begabung, um auf den Knien halbwegs elegant zu singen. Aber beide sind schon etwas müde geworden – und mit ihrer Müdigkeit ist ihre Christoph-Verehrung gestiegen. (So wie alte Leute oft aus Resignation ein Gottvertrauen entwickeln.) Die Spieluhr-Melodien der Propaganda sind für beide Herren auf die Dauer schonender als die Dinge selbst zu durchdenken.
Lebendige rechte Köpfe treffen schon jung auf viele mächtige Leute, die ihnen auf die Schulter schlagen. Und einen Job geben. Wo sie dann in der Hierarchie kleben bleiben: eine mögliche Dissidenz würde sie viel Geld kosten. Also leben sie ihre Klugheit privat aus.
Und werden dann nach der Pensionierung radikaler. Oder nach der Selbstständigkeit. Und schreiben einen Blog. ¨
Währenddem Linke im angenehmen Bewusstsein leben, dass eine Konversion nach rechts das Einkommen wesentlich steigen lassen würde, da an rechten Köpfen Mangel herrscht. (Wenn es auch schnell den Verstand kosten würde – etwa bei einem Beitritt in die FDP – oder im Fall der SVP dazu auch noch die Freiheit.
Lilith Loew meint
Sehr geehrter Herr Seibt
Ihre Antwort zeugt nicht eben von Souveränität. Mir zu unterstellen, ich vertrete eine aggressive (rechte) Haltung, sei ein beleidigter Bösmensch sei und führe mich als Märtyrer auf, beweist doch, wie sehr Sie nur im Links-Gut-Recht-Böse-Schema zu denken vermögen. Dass man Sie auch einfach ganz nüchtern betrachtet nicht toll finden kann und Ihre Argument unbedarft findet, kommt Ihnen wohl nicht in den Sinn.
Was ich am hiesigen Journalismus wirklich bedauerlich finde, ist dass es zu viele Journalisten gibt, denen ihre Ideologie der Blick auf die Wirklichkeit verstellt.
Leider haben mir Intellektuelle wie Sie – als solcher sehen Sie sich ja offensichtlich – noch nie zu neuen Erkenntnissen verholfen. Aber ich erfreue mich dennoch hin und wieder an Ihren Sprachschwurbeleien. Das können Sie wirklich gut.
max meint
Genau Herr Seibt, die Meinungen im Tages Anzeiger sind wirklich supikontrovers. Wenn ich dann z.B. das Verhalten der BAZ Redaktoren gegenüber Herrn Somm betrachte, scheint die gewünschte Vielfalt doch eher enge Grenzen zu haben. Da kommt mir doch Henry Fords Aussage betreffend T-Modell in den Sinn: „Sie können alle Farben haben, so lange es schwarz ist“. Aber selbstverständlich haben Sie recht, dass jemand, der diese unüberbietbare Vielfalt in den Redaktionen nicht ganz so sehr lobpreisen mag, nur ein kritikunfähiger, rechter Bösmensch sein kann. .Schliesslich ist es ja der unbeeinflussbare, stets objektive und überaus intellektuelle Herr Seibt, der das feststellt. Und der ist nach eigener Definition ein Intellektueller, schliesslich bezahlt man ihn für seine Kommentare. Uebrigens genau so wie einen Herr Mörgeli, der allerdings bei so objektiven Redaktoren dann doch eher selten in der Rubrik Intellektuelle auftaucht.
Constantin Seibt meint
Geehrte Frau, Loew, geehrter Herr Keller,
danke für die freundlichen Komplimente in Punkto Stil, aber vor allem in Sachen der Überschätzung der Macht der Presse.
So ist es mir – soweit ich sehe – kein einziges Mal gelungen, auch nur eine einzige Person wegzuschreiben – zu meinem aufrichtigen Bedauern. Und zu meiner aufrichtigen Erleichterung.
Und die „gespenstische Einhelligkeit“ beim „Tages-Anzeiger“? Wenn ich mich nicht irre, hat diese Zeitung zu Steuern, zu Flüchtlingen, zu Bankgeheimnis, zu SP und SVP alle möglichen erdenklichen Meinungen vertreten (und dem Zürcher Stadtrat aus allen möglichen Gründen eins aufs Dach gegeben) – wenn es ein Zeichen „für mangelnde intellektuelle Auseinandersetzung“ bei den Medien gibt, ist das Symptom dafür eher Zufälligkeit, Schwanken, Beliebigkeit als Einheitsmeinung.
Ich fürchte, ihre Wahrnehmung kommt wo anders her: Da Sie eine aggressive (rechte) Haltung vertreten, bekommen Sie von Zeit zu Zeit auch eins auf den Deckel. Und das stört Sie. Und dann klagen Sie: gegen die böse Welt, die auf ehrliche Kritik nicht mit Dank und Einsicht reagiert.
Auf der linken Seite gibt es manchmal beleidigte Gutmenschen; auf der rechten ebenso beleidigte Bösmenschen.
Ok, nichts gegen gelegentliches Rüpeltum, wenn man denn will. Nur sollte man sich dann nicht bei der ersten hochgezogenen Augenbraue für einen Märtyrer halten.
Denn das verzerrt das Bild: Ihr Märtyrer Leutenegger, Herr Keller, wurde vom Arena-Chef zum Chefredaktor des Schweizer Fernsehen und dann zum CEO bei Jean Frey ernannt. Gegangen wurde er erst, als Tettamanti an Springer verkaufte, das einen Profi an der Stelle brauchte: Und Springer ist nicht gerade ein linkes Verlagshaus. Und Herr Brennwald moderierte über lange Jahre die Rundschau, dann die Arena, bevor er mit dem Konzept nicht mehr einverstanden war. Christenverfolgung sieht anders aus.
Wo Sie natürlich recht haben: Jeder hat seine Splitter und Balken im Auge. Und so gut wie jeder Journalist leidet an der Berufskrankheit, die Lichtenberg wie folgt beschreibt: „Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.“
Dagegen ist wenig Kraut gewachsen, leider.
Nur jammern sollte man nicht. Denken Sie, was Sie wollen. Sagen Sie es. Schreiben Sie es. Aber jammern sie nie, wenn jemand anderes Ihre Meinung nicht teilt.
M.M. meint
So ist es.
Lilith Loew meint
Es erstaunt mich immer wieder, wie wenige Leute erkennen, dass der Kaiser nackt ist. Dass Constantin Seibt es sehr wohl versteht die Worte kunstvoll zu drechseln und hübsche Sätze zu gestalten, dass er Inhalt aber hohl, wenn nicht gar komplett unwahr ist.
Die Städte, wo linke Intellektuelle bekanntlich leben und arbeiten, werden längst von Linken regiert. Doch hört man keinerlei Kritik von den Intellektuellen.
Die linken Intellektuellen üben keine Kritik an der Aussenpolitik der letzten Jahre, obwohl die sozialdemokratisch geprägt ist.
Unabhängigkeit ist eine Frage der inneren Haltung. Die linken Intellektuellen sind vom Applaus ihrer Peer-Group abhängig. Man sieht das schön bei Constantin Seibt, der ja doch nur die Meinung seiner linken Leserschaft in schönen Worten wiedergibt, aber eigentlich niemandes Intellekt herausfordert.
Die Spieluhr-Melodien der linken Propaganda sind für Constantin Seibt auf die Dauer schonender als die Dinge selbst zu durchdenken. (Seine Worte lassen sich ebenso gut auf ihn selbst münzen.) Dass er längst die Freiheit verloren hat, Neues zu denken und lediglich schreibt, was seine Fans von ihm fordern, merkt er wahrscheinlich gar nicht mehr.
Und noch was: Intellektuelle, die meinen Geist herausfordern, gibt es ganz allgemein wenige unter Schweizer Journalisten. In der Tat finde ich sie eher unter publizierenden Forschern oder im Gespräch mit gebildeten Unternehmern oder bei Think Tanks. Oder bei ausländischen Intellektuellen.
Die geradezu gespenstische Einhelligkeit in der Kommentierung und Berichterstattung der Schweizer Politik beim Tages-Anzeiger (und beim Magazin) ist für mich eher ein Zeichen, dass dort der intellektuellen Auseinandersetzung keine Bedeutung beigemessen wird.
Ch. Keller meint
Konservative, rechts stehende oder gar nationalkonservative Intellektuelle, Publizisten oder Journalisten haben in der Schweiz faktisch Berufsverbot. Kein sich solchermassen Bekennender bekäme je in Radio, Fernsehen, Tamedia, NZZ, AZ oder Ringier eine Stelle. Wenn sich einer als Konservativer „outet“ ist er ganz schnell weg von Fenster. Weggeschrieben von Seibt, Krneta und der ganzen sonstigen linksgrünliberalen Medienmeute. Wie weiland die Linken verschrien und „verschrieben“ wurden. Der ganze Seibt’sche Text war gestern. Heute ist es umgekehrt. … und noch etwas: Dies war früher falsch und ist es (umgekehrt) heute falsch.
Baresi meint
Herr Keller, können Sie Namen von Weggeschriebenen nennen?
Ch. Keller meint
Leutenegger und Brennwald
Matto meint
Leutenegger war mal ziemlich „links“
Mittelmass meint
Sehr gut geschrieben. Würde mir wünschen auch so gut schreiben zu können. Das Mass ist für mich aber immer noch Köppel.
Zum Inhalt:
Schön geschrieben heisst noch lange nicht wahr. Aber man kann so natürlich schon „unabhängige“ Leute überzeugen.
Apropos unabhängig: Sind nicht in BS etwa 60% der Grossräte auch Staatsangestellte?
max meint
Und wieder ein dümmlicher Kommentar. Natürlich gibt es kaum rechte Intellektuelle, weil Rechte nicht unabhängig sind. Was für ein Bullshit.
Mittlerweile ist auf der linken Seite offensichtlich Panik aufgekommen, weil die Linke im Begriff ist, die Definitionsmacht zu verlieren. Das zeigt sich auch hier in der bünzlihaften Borniertheit eines Herrn Seibt. Man bleibt locker im Pauschalen, diffamiert mal schön („auf den Knien“, „Unabhängigkeit würde viel Geld kosten“) und überhöht so sich und seine Position.
Natürlich ist für Seibt und Konsorten Geld verdienen bäh, macht es geradezu unmöglich, ein Intellektueller zu sein. Da ist es doch viel unabhängiger, Geld einfach zu bekommen, sei es als Staatsangestellter, „Kulturschaffender“ oder als Angehöriger einer Redaktion. Gerade dort zeigt sich das intellektuelle Klima besonders an der stupenden Meinungsvielfalt, die z.B. innerhalb des Tages Anzeigers herrscht. Stört dann jemand diese „Vielfältigkeit“, wie dies unlängst bei der Baz geschehen ist, wird aus der Warte der selbsternannten moralischen Ueberlegenheit höchst intellektuell der Untergang des Abendlandes beklagt.
Peinliche Vorstellung!
Thomas Läubli meint
Wer es nötig hat, Kulturschaffende oder Intellektuelle in Anführungszeichen zu setzen, outet sich als einer, der vermutlich schon in der Grundschule denjenigen, die erfolgreicher waren als er, den „Streber“ ausgeteilt hat. Der Antiintellektualismus offenbart letztlich den Neid des Geistessozialisten.
Urs Eberhardt meint
Jeder Satz ein noch besserer Treffer.