Eigentlich habe ich das als Kommentar gepostet. Aber nach 22 Kommentaren wird das etwas mühsam. Deshalb lasst uns die Diskussion hier weiterführen. Die Feststellung war, wir würden hier unsere Wunden lecken, ein demokratisches Ergebnis nicht akzeptieren, schliesslich könnten wir uns, statt dumme Blogeinträge zu schreiben, selbst politisch engagieren.
Ich lecke keine Wunden, weshalb auch. Und ich habe sehr viel Lebenszeit auf die Politik verwendet.
Nein, die Sache, die mich beschäftigt, ist eine andere.
Ich verfolge interessiert, wie eine politische Partei untergeht. Denn wir alle wissen, dass es keine Imitation der SVP braucht.
Doch anders als beispielsweise beim Untergang des LDU (Landesring der Unabhängigen) verschwindet mit der FDP eine ganz bestimmte politische Haltung mit Werten, die sich nun mal nicht in einer SVP oder einer anderen Partei finden.
Genau besehen, ist die SVP eine Imitation der früheren FDP. Sie hat die Selbstverantwortungs-definition als Charakteristikum des aufgeklärten Staatsbürgers von der FDP übernommen – als Propagandahülse, denn die SVP ist im Kern eine Gleichgesinntenvereinigung der wenig Informierten.
Sie hat die Mehr-Freiheit-und-weniger-Staat-Parole übernommen, aber nicht, weil sie den selbstverantwortlichen, frei-sinnigen Citoyen als Ideal hat, sondern weil sie die Classe politique stürzen wollte, sprich die Idee des Liberalismus.
Zur Disposition steht die individuelle Freiheit als Grundnorm der Gesellschaft.
Einen Anhänger der SVP stört nichts mehr als differenziertes Denken. Das interpretiert er als Schwäche und nicht als Stärke. SVP-Anhänger/Mitglieder wollen wissen, wo der Bartli den Most holt. Liberale interessiert, wie und aus was der Most gemacht wird.
Doch Leute wie Hanspeter Weibel, SVP Bottmingen, der hier kommentiert, leiden darunter, dass sie nicht wirklich dazugehören.
Denn Leute wie er wissen, dass den Volksdemokraten, um in die Fussstapfen der Liberal-Bürgerlichen treten zu können, die Wurzeln, die Tradition, die Köpfe, die Klasse fehlen. Ihnen fehlt der Bezug zu Kant, zu Locke, zu Montesquieu, von Mises, Hayeck und vor allem zu Popper.
Deshalb ist das alles für Volksdemokraten eine Schuhnummer zu gross.
Und ihnen fehlt es am Bezug zur Kultur. Theater und Bildende Kunst brauchen die in harten Kämpfen erstrittenen Werte der Aufklärung als Nährboden. Und der selbstverantwortliche, aufgeklärte Citoyen braucht die Kultur als anregende Inspirationsquelle wie die Luft zum atmen.
Deshalb war diese Theaterabstimmung für Liberale keine Finanz- sondern eine Wertefrage.
Das wollen die FDP-Vordenker in Liestal, welche sich künftig noch näher an die SVP anschmiegen möchten, nicht verstehen. Ich denke, sie können es nicht verstehen.
Die SVP mag sich noch so abmühen, von Erfolg zu Erfolg fliegen, sie wird immer dort bleiben, wo sie jetzt ist: drei Themen ein Mann. Das muss hart sein, nicht für die Anhänger, aber für die Führungskräfte. Und weil sie das wissen, in den führenden Etagen, kurven sie um das Jahr 1291 und berufen sich nicht auf 1848.
1848 gehört den Liberalen.
Der Morgenstern und die Hellebarde sind die Lieblingswaffen der Volksdemokraten. Liberale bevorzugen den Degen und das Florett.
Deshalb stellt sich bei der FDP die Frage, weshalb deren Parteileitung auf die bescheuerte Idee kommt, die Imitation imitieren zu wollen, und zu glauben, damit könne man Erfolg haben.
Weil der Liberalismus, die liberale Grundhaltung und Werte nicht an eine Partei gebunden sind, kann man in aller Freiheit darüber bloggen.
Martin Müller meint
Gut, Rothbard ist ein libertärer Anarchofantast, der den Staat per se in Frage stellt. Das ist nicht die Diskussion hier.
Aber es ist schon so, dass der FDP der Liberalismus abhanden gekommen ist (so sie ihn den überhaupt mal hatte). Ich habe kürzlich meine Smartspider Erfahrung dokumentiert, wo es auch um dieses Thema geht: http://www.muellermartin.ch/?p=367
„Liberale haben es in der FDP schwer.“ Dieser Satz stammt von Robert Nef, Stiftungsratspräsident des Liberalen Instituts. Meiner ganz persönlichen Erfahrung nach haben 90% aller freisinnigen Exponenten noch nie in ihrem Leben einen der genannten politischen Philosophen gelesen, geschweige den die klassische liberale Literatur z.B. von Adam Smith.
Allerdings ist es nicht minder exotisch, Subventionen mit liberalen Werten begründen zu wollen. Das war nämlich der Anfang vom Ende der FDP im Kanton Zürich, als man die Wählerschaft derlei an der Nase herum zu führen suchte.
Markus Saurer meint
In Sachen Kultur bzw. Intellektualität scheint mir M.M. auf dem Holzweg zu sein:
For this essential acceptance, the majority must be persuaded by ideology that their government is good, wise and, at least, inevitable, and certainly better than other conceivable alternatives. Promoting this ideology among people is the vital social task of the intellectuals. For the masses of men do not creat their own ideas, or indeed think through these ideas independently; they follow passively the ideas adopted and disseminated by the body of intellectuals. The intellectuals are, therefore, the „opionion-molders“ in society. And since it is precisely a molding of opinion that the State most desperately needs, the basis for age-old alliance between the State and the intellectuals becomes clear.
Das ist kein Zitat aus desperate housewifes oder aus dem Blocher Prinzip, sondern stammt aus Murray N. Rothbard, Anatomy of the State.
Herzig Hector meint
Die Analyse trifft den Nagel auf den Kopf und zeigt schonungslos auf, wo die FDP heute steht.
Hp. Weibel meint
@ Herzig Hector: Verstehe diese Zustimmung zur Analyse v.a. dann, wenn man Teil des Hammers ist, der den Nagel in den Kopf schlägt.
Mittelmass meint
Eine gewagte These.
LINDER meint
Irgendwie findet sich manches Wahre in den Zeilen, aber auch einiges an Stereotypen. Früher war alles anders, denkt man. Wie wenn die FDP keine Cinchera & Konsorten in seinen Reihen gehabt hätte. Au weia war das aber liberal, gell! Und alle bei den Freisinnigen sind ja so herrlich belesen. Das gibt einem das Gefühl der intellektuellen Überlegenheit! Das ist rein gar nix wert in der Demokratie. Politik heisst, schwierige Sachverhalte verständlich darzustellen. Wir haben das Prinzip ‚One man – one vote‘, d.h. auch nicht so gescheite Leute haben dasselbe Wahlrecht und das ist gut so. Und zur FDP: Wenn man hört und liest, wie die FDP früher gewesen sein soll, dann müsste sie ja fast eine linke Partei gewesen sein – so ein Quatsch! Die FDP hat sicherlich auch Grundwerte, aber primär ist es und war es schon immer ein Wahlverein für gutverdienende Bürger, Punkt. Ob das reicht? Viele Leute verbinden diese Partei mit den Machenschaften von schamlosen Boni-Managern, die dann zum Staat rennen, wenns mal in die Hose ging. Aber dann ist es ordnungspolitisch natürlich wieder ganz etwas anderes, nicht wahr! Auch die Konkurrenzlage hat sich im Parteispektrum doch klar gewandelt. Wenn man auf Wirtschaftskompetenz baut, dann kann man auch andere Parteien wählen, da hat die FDP schon längst ihre ökonomische Überlegenheit eingebüsst. Da gibts auch neuzeitlicheres im Angebot. Man schaue nur objektiv, wie wenig erfolgreich FDP Regierungsräte finanzpolitisch agieren.
Siro Imber meint
@ max: vor allem liegt das geld fuer das theater ja auf dem tisch, dank kulturvertragspauschale jedes jahr 9.5 mio. doch wuethrich und eymann verteielen die haelfte davon lieber an andere einrichtung anstatt an das theater, wofuer das geld gedacht war. davon ist und war weder in den medien noch hier je zu lesen. der landrat lehnte an seiner sitzung letzten donnerstag denn auch einen vorstoss ab, der dem parlament den einfluss gegeben haette, das geld am duo wuethrich/eymann vorbei das geld dem theater zu geben.
max meint
Irgendwie wirkt dieses „SVP alles Deppen“ Genöle langsam etwas bemühend. Herr Messmer, Sie haben schlicht eine Abstimmung verloren. Wer aus einer simplen Abstimmung über eine zusätzliche Subvention eine Wertediskussion veranstalten will, von Wende spricht etc. der sollte vielleicht mal seine Position überdenken. Natürlich ist das bei Ihnen kein Wundenlecken, neiiin, da stehen Sie meilenweit darüber.
Es ist mir relativ egal, ob an einem Puurezmorge über Kant oder Mises diskutiert wird, ich schaue mir die Politik der jeweiligen Partei an. Und mittlerweile wähle ich SVP, trotz all dem was mir an ihr nicht gefällt. Aber das begreifen Sie wiederum vielleicht nicht.
Hp. Weibel meint
Lieber Manfred, Ja es trifft zu, dass ich ohne Hülftenschanz-Genom vor 26 Jahren hierhergezogen bin. Und es ist möglich, dass wir Poltik machen für Leute, denen vielleicht Kant, Locke, Montesquieu, Mises, Hayeck und Popper nicht jeden Tag beim Frühstück begegnen, sondern die sich mit alltäglichen praktischen Fragen herumschlagen müssen. Aber Politik ist halt manchmal mühsam; man müsste an Parteiversammlungen gehen und seinen Einfluss geltend machen. Sich allenfalls mit dem gemeinen FDP-Parteivolk an einen Tisch setzen und die Politik mitgestalten. Da ist es einfacher, gegen die eigenen Leute – die dies tun – aus der geheizten Stube zu wettern. Da kann halt schon der Eindruck entstehen, man verstünde etwas anderes unter Demokratie. Und wer aus einer Finanzfrage eine Wertefrage macht, der muss dann mit den entstandenen Selbstzweifeln leben. Wer den Dummen vorwirft, sie seien nicht so Gscheit, hat schon verloren. Einfach weger der Mehrheitsverhältnisse ;-).
Corinne Sutter meint
Ihrer Analyse ist nichts bezufügen, ausser dass dieses Thema im Kanton Basel-Stadt noch um eine Facette reicher ist. Aber auch bei den Liberalen reichen Kraft oder Selbstvertrauen nicht mehr aus, um dem scheinbar verführerischen Dunstkreis rechter Politik konsequent entgegenzutreten und konsequent für eine liberale Politik einzustehen. Viele Wählerinnen und Wähler bedauern das.
h.s. meint
Die alte LdU ist untergegangen, aber ihr Nachfolger ist bereits da. die GLP. Ich selber bedauer bis Heute, dass es nicht gelungen ist die LDP auf Basellandschaftlichen Bodem zu etablieren. Sie nimmt nämlich genau den Platz im Spektrum ein, die Sie beschreiben. Die FDP ist für mich seit Jahre einerseits Partei der Kleingewerbler, die kaum die Aufklärung zentral stellt und andererseits die Freiheitlichen. Die Zweiten stellen die Freihet des Individu voran. Sie reden von ein FDP, die der Staat als mittel sieht die Aufklärung notfalls mit Zwang zu verbreiten. Eine FDP die für staatliche Schulen ist, da er in Werteorientierte Schulen eine Bedröhung seines Weltbildes sieht. Eine FDP, die für staatliche Subventionen des Theaters steht, da die Tragkraft der Idee der Aufklärung nicht ausreicht um diese durchzusetzen. Eine FDP, die Angst hat für die freie Entfaltung der Masse, da die Masse die Idee der Aufklärung nicht kapiert. Eben diese Haltung hat Schiffbruch gelitten. Trotz 150 Jahre Staatsschule, Indoktrination und Unterdruckung der Meinung der Masse, ist der neue aufgeklärte Mensch nicht erschienen. Vielleicht gibt es doch so etwas wie naturliche Werte, die mit alle Aufklarung der Welt nicht unterdruckt werden können. Vielleicht gibt es ein Kampf der Werte, und sind die Gedanken der Aufklärung nicht die Weisheit aller Dingen. Jeder Intellektuelle hat eine ganz besondere Verantwortung. Er hatte das Privileg und die Gelegenheit, zu studieren; dafür schuldet er es seinen Mitmenschen, die Ergebnisse seiner Studien in der einfachsten, klarsten und verständlichsten Form darzustellen.Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann. Die Anmaßung des dreiviertel Gebildeten, ist das Phrasendreschen, das Vorgeben einer Weisheit, die wir nicht besitzen. Das Kochrezept ist: Tautologien und Trivialitäten gewürzt mit paradoxem Unsinn. Ein anderes Kochrezept ist: Schreibe schwer verständlichen Schwulst und füge von Zeit zu Zeit Trivialitäten hinzu. Das schmeckt dem Leser, der geschmeichelt ist, in einem so ‚tiefen‘ Buch Gedanken zu finden, die er selbst schon mal gedacht hat.“Dies gilt auch für Theater.
p.s. Ich leihe gerne von Popper.
Matthias Hagemann meint
Eine kluge Anlayse, in der Tat. Die Entwicklung der FDP ist ein politisches Drama.
Ich denke, wir sind darin nun schon ziemlich weit fortgeschritten. Ohne die heutigen Verantwortlichen für die Abkehr vom liberalen Denken zu entschuldigen, muss man immerhin darauf hinweisen, dass die Versäumnisse weit zurückreichen.
Es war kein Geringerer als Franz Steinegger, der unter dem Motto: nicht links oder rechts, sondern modern! urfreisinnige Positionen preisgegeben hat. Das und die Inkompetenz des Zürcher Wirtschaftsfreisinns haben der SVP die Chance geboten, diese Werte für sich zu reklamieren.
Heute wirkt die FDP vorwiegend hilflos. Schade.
Philippe Wampfler meint
Ich bin völlig mit dieser Analyse einverstanden. Die FDP müsste sich auf eine klar liberale Position zurückbesinnen, diese gut verkaufen und sie letztlich wohl auch in Positionen vertreten, wo die Wirtschaft nicht-liberale Interessen hat (z.B. bei Parallelimporten bzw. generell der Öffnung der Wirtschaft).