Wahlplakat der FDP in Brandenburg. Die Wähler haben’s geglaubt.
Wenn ich derzeit die Äusserungen von den sogenannten „Fusionsgegnern“ höre, dann sehe ich erstaunt, welch radikaler Schleim bislang unbeachtet im Untergrund geschlummert hat und nun, durch diese Abstimmungsdiskussion stimuliert, an die Oberfläche drückt.
Bislang war es ja so, dass man solch extreme Töne lediglich von der SVP gewohnt war. Zu Ausländerfragen, zur Asylfrage, zur EU, überhaupt zur Welt.
Doch jetzt wird gegen Basel gehetzt.
Ich bin sprachlos über die an Hass grenzende Polemik gegen den Nachbarkanton und dessen Bewohner: Der schwarze Baselstab lockt den roten mit einem Schleckstengel und hält hinterhältig den Holzhammer bereit. Um damit den unschuldigen Rotstab totzuschlagen?
Wer solche Bilder vom Nachbarn im Kopf trägt, muss unter einem gewaltigen Minderwertigkeitskomplex leiden.
Deshalb kann man das, was da alles gesagt und behauptet wird, auch nicht ganz so wörtlich nehmen. Vielmehr muss man erkennen, dass da viel weniger Baselbiet als Zeitgeist drin steckt.
Der Aufstieg der AfD in Deutschland mit praktisch den gleichen Schlagworten und Argumentationen wie die der schweizerischen SVP ist beispielsweise Ausdruck dieses Zeitgeistes mit dessen nach rechts offenen Politskala.
Die Methode ist so einfach wie bewährt: Ich fantasiere mir einen Feind und projiziere alles nur erdenklich Schlechte auf ihn. Gewonnene Wahlen sind dann den Wählern die Bestätigung, dass es den Feind tatsächlich geben muss.
Ich frage mich, was eigentlich passiert, wenn diese Abstimmung wider allgemeinen Erwartens angenommen wird. Zumal praktisch das gesammte bürgerliche Baselbieter Politestablishment hinter der Zeitgeistbewegung steht.
Wie radikal entwickelt sich dann das weiter, was in den letzten Wochen mit Parolen, Höhenfeuern und Abstimmungsplakaten freigesetzt wurde?
Nach dieser Abstimmung, wie auch immer sie ausgeht, wird das Baselbiet nicht so leicht zur Tagesordnung zurückfinden.
Sissachr meint
Als linker Oberbaselbieter wird dieser Abstimmungskampf, wie immer er ausgehen wird, bleibende Veränderungen in meiner politischen Wahrnehmung und meiner Motivation, für diese Gemeinschaft einzustehen, hinterlassen.
Gewisse Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung, mit denen ich zur Schule gegangen bin, welche in den selben Vereinen sind wie ich und mit denen ich auch an den Banntag gehe (sic!), zeigen plötzlich erschreckende Züge. Da kommt ein Bodensatz hoch, der mich sprachlos macht. Höhenfeuer, triefender Patriotismus, Respektlosigkeit und Intoleranz: Wir sind die Besten (obwohl unsere Regierung, die Verwaltung mit allen Sozialarbeitern und Lehrern und unsere Wirtschaftsbosse alles Banditen sind)!
Blacky (für einmal: Ex-Rampass) meint
Gute Debatte. Guter M. M.-Text. Nur ein Fehler: Die Rampassen „leiden (nicht) an einem gewaltigen Minderwertigkeitskomplex“. Der Abstimmungskampf beweist es: Es ist kein Komplex – die Rampassen sind es! (dies mit einer Entschuldigung an Georg Kreis).
Chienbäse-Baerti meint
Dieser Kommentar ist erklärungsbedürftig. Die Beurteilungen der Rampassen mögen amüsant oder sogar witzig sein. Warum sich aber dafür bei Georg Kreis zu entschuldigen, verstehe ich nicht. Sollte dies ein Anspiellung auf die Kommission gegen Rassismus sein, der Kreis vorgestanden ist? Aktuell müsste man sich an Martine Brunschvig Graf wenden.
Aber halt. Die Rampassen sind keine Sensibeli, haben eine dicke Haut, und mögen sie etwas ertragen.
gotte meint
a propos thüringen: der idiot von basel jubelt für den afd-sieg in thüringen (http://bazonline.ch/basel/stadt/Ein-ungebetener-Gast-bei-der-AfD/story/24032645), zu sehen sogar auf einer spiegel online fotostrecke. ich bin sicher, die basler wählen ihr heiss geliebtes „original“ mit glanzresultat wieder … zum weinen, sowas.
kolibri meint
Wer die Abstimmungen des Laufentals über die Zugehörigkeit zu Baselland – zuletzt die Zustimmung der Eidgenossenschaft 1993 – miterlebt hat, weiss wie es so zugehen kann… Die Berntreuen waren, höflich formuliert, überhaupt nicht zimperlich. Das ganze Blut- und Boden- und Heimatgerede hat mich damals nicht bloss genervt, sondern auch erschreckt. Offenbar haben sich die dumpfen Argumentationsinhalte nach mehr als 20 Jahren nicht geändert. Wie soll unser Kanton denn wieder vorwärts kommen, wenn man nicht mal bereit ist, eine Ueberprüfung der Fusion zu machen? Manchmal sehne ich mich schon nach den liberalen, mutigen, umsichtigen FDP’lern zurück. Damals war das Baselbiet in wirtschaftlicher, umweltpolitischer, aber auch gesellschaftspolitischer Hinsicht schweizweit führend.
Meury Christoph meint
Wir reduzieren die Argumentation auf die schlichte Formel: «Ist so, weil ist so. Ist so, weil gut so. Bleibt so, weil war so».
Stephan Gassmann meint
Ich gebe Manfred Messmer volkommen Recht. Die Fusionsgegner werden immer radikaler. Was mir als Städter erst richtig im Abstimmungskampf aufgefallen ist, ist die Erkenntnis, dass es sich beim Kanton Baselland um einen stockkonservativen Kanton handelt, etwa vergleichbar mit den Kantonen der Urschweiz oder den beiden Appenzell. Obwohl ich Ja zur Prüfung einer Fusion gestimmt habe, frage ich mich heute ernsthaft, ob die beiden Kantone mit ihren total unterschiedlichen Werthaltungen überhaupt zusammen geführt werden können.
Phil Bösiger meint
Stephan, mir geht es gleich oder noch schlimmer. Ich war als BS-BL-Mischling stets für die Fusionsprüfung als Mittel zur Schaffung von Entscheidungsgrundlagen. Die Art, wie aber vor allem von Rechts und aus dem oberen Baselbiet „argumentiert“ wird, ist schlicht und einfach widerlich.
Es wird dermassen Porzellan zerschlagen, vor allem auch innerhalb des basellandschaftlichen Halblkantons, dass eine (natürlich freiwillige) Eingemeindung der an Basel angrenzenden BL-Ortschaften die immer realistischere Lösung wird. Ich bin nach dieser Schlammschlacht zur Ueberzeugung gelangt, dass wir die Fusionsfrage, wollen wir sie ernsthaft diskutieren, auf die Post-SVP-Generation verschieben müssen.
Heute stellt sich mir die Frage, ob wir mit der Fusionsthematik eine nur schlecht kaschierte, undemokratische Büchse der Pandora geöffnet haben. Sind hier Aengste vor Pfründen- und Privilegienverluste in Vordergrund oder denken diese Leute tatsächlich so binär, wie es die Plakateflut in den oberbaselbieter Gemeinden befürchten lässt?
Franz meint
„eine (natürlich freiwillige) Eingemeindung “
Toll die Grosszügigkeit der Städter.
Aber glauben Sie mir, Knall auf Fall würde auch der Speckgürtel Ihr grosszügiges Angebot ablehnen.
Phil Bösiger meint
@Franz: Mag sein, aber es würde vielleicht, so hoffe ich zumindest, rational argumentiert, so dass man auch das Gefühl erhält, es mit demokratisch gesinnten Zeitgenossen zu tun zu haben.
Wer weiss, eventuell würden sich die Speckgürtel-Gemeinden auch von den Ergebnissen einer aussagekräftigen Fusionsprüfung beeinflussen lassen…..dass dann im Oberbaselbiet langsam die Lichter ausgehen würden, wäre bedauerlich, aber man ist da oben ja sowieso lieber unter sich und betont unabhängig.
Ch. Keller meint
Tja mein lieber M.M.,
wenn ich hier immer wieder lese, wie die selbsternannten „Überdiegrenzenhinwegdenker“ wohlgemeintblasiert über das Volch und über die Frauen und Mannen herziehen, ist es für mich kein Wunder dass die ländlichen Dumpfbacken dann halt auch nicht besonders nett zu den obergscheiten Urbanen sind…, auch wenn die Anwerfungen und herablassenden Meinungen äusserst unterhaltsam geschrieben sind…
Mit grundsätzlich fusionsskeptischem Gruss
Ein nationalkonservatives Mannenvolch
M.M. meint
Vielleicht wären „die ländlichen Dumpfbacken“ in der Tat glücklicher im Aargau. 😉
Aber zur Ihrer Argumentation – die ist mit der von mir beschriebenen Politrichtung durchaus stimmig: Wären „wir“ nicht überheblich, wären „die ländlichen Dumpfbacken“ nicht ausfällig. Die Frage ist jedoch, was wären dann deren Argumente?
Ch. Keller meint
Wie man in der freien Marktwirtschaft beobachten kann, sind Fusionen nur dann von Vorteil, wenn die eine Einheit die andere Einheit vollständig schluckt, ohne den anderen Verwaltungsapparat mit zu übernehmen bzw. nur einen symbolisch kleinen Teil davon. Ansonsten sind und bleiben interne Grabenkämpfe und zusätzlich noch mehr Verwaltung, damit die Verwaltung die Fusion bewältigen kann…
Fusionen sind „fressen oder gefressen werden“. Es darf nach einer kürzest möglichen Übergangszeit nur einer übrig bleiben. Alles andere ergibt sonst in der Summe „Blähungen“ – also im Endeffekt Fürze…
Die Frage ist also im Endeffekt für BL und BS:
Wer bleibt übrig?
Wenn beide übrig bleiben, warum denn fusionieren?
Existentielle Fragen lösen per se immer Widerstände aus – ich kann dies sogar nachvollziehen.
Meury Christoph meint
Möglicherweise gibt es in der Politik so etwas wie eine kollektive Amnesie. Diese aktuell grassierende Bewusstseinsstörung hat aber offensichtlich in der Zwischenzeit auch breite Bevölkerungsschichten befallen. Sie haben „vergessen“, dass die Region längstens zusammengewachsen ist und gerade deswegen wirtschaftlich prosperiert. Die Stadt ist nicht nur das kulturelle Zentrum, sondern in der Stadt liegt auch der wirtschaftliche Motor dieser Region. Das Baselbiet ist doch bereits seit geraumer Zeit im Modus des Nachvollzugs einer notwendigen Kooperation & Partizipation mit der Stadt. Wir wissen es: Über 110 partizipative Verträge regeln dieses Zusammenspiel. Es ist also unsinnig dem täglichen Vertrags- und Handelspartner (-> Gesprächspartner) Bösartigkeit zu unterstellen. Was mich am aktuellen Diskurs, oder vielmehr der laufenden Propagandamaschine frappiert, ist die grosse Unsachlichkeit und die versteckte (oder verklemmte) Aggression. Hier müsste professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.
Erstaunlich aber auch, dass die gemäßigteren Parteien plötzlich sich extrem mundtot gebärden. Warum versuchen SP, FDP und CVP, oder die Grünen, nicht die Diskussion zu versachlichen? Warum überlässt man diese Abstimmung, die entsprechende Stimmungsmache und Heimat- oder Volkstümelei der SVP?
Haben hier die liberalen Partei gar nichts anzubieten? Keine Gegenbilder? Keine Versachlichung?
Leben wir noch, oder sind wir schon tot?
(In Deutschland hat sich die FDP bereits überlebt….)
gotte meint
ich für meinen teil lebe noch. es ist schon lustig, wie man immer wieder sagt, dass die emotionen nur bei den knallköpfen, den luftheulern, den (höhe-)feuerzünslern oder den baslerstabverbrennern (ja, die haben das gemacht, in läufelfingen) lägen und man dann den andern, nicht-emotionalen vorwirft, sie hätten a) weder gegebilder noch b) versachlichung zu bieten. sorry, herr meury, aber das ist geschwurbel, das Sie da von sich geben. fakt ist: die nerven der zünsler liegen blank – weil sie nicht wissen, wie sie ihre leute nach der abstimmung bei laune behalten sollen, wenn sie ihre jahrhundertschlacht geschlagen haben. es könnte ja sein, dass es dann wieder um die home-made problems geht.
Meury Christoph meint
Versteh ich Sie jetzt richtig: Sie plädieren für «Abwarten und Tee trinken»? Ist das eine politische Position?
Als alter Polittaktiker müssten Sie doch wissen, dass dort wo ein Vakuum entsteht auch Einer bereit steht, dieses Vakuum zu füllen. Also sollte man tunlichst keine solchen Leerstelle entstehen lassen und entsprechende Themen offensiv und eigenständig besetzen (die SVP kann dies übrigens ziemlich gut…).
Ich wäre nicht so zuversichtlich, dass die „Anderen“ nach der Schlacht ihre Rotten nicht mehr in den Griff bekommen. Man wird sich neue Agitation- und Betätigungsfelder erschliessen und zu neuen Schandtaten aufbrechen. Ein Kanton mit angeschlagenen Finanzen ist ein verletzlicher Kanton. Dann haben auch Sie ausgeschwurbelt….
gotte meint
Sie sind ja lustig! das „offensiv themen besetzen“ ist gar nicht so einfach, wenn man den anspruch hat, nicht einfach nur NEEEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNNNNNNNn zu brüllen, sondern wenn man versucht, lösungen zu präsentieren. es geht Ihnen so wie momentan fast allen: man kritisiert den SVP-stil, und gleichzeitig wird konzediert, dass die das saugut machen. da werden demokratische kollateralschäden wie gezielt herunter gerissene plakate (in sissach) gerne in kauf genommen. jede schweinerei der SVP geniesst 10000 fache mediale aufmerksamkeit, während dröge postitionspapiere der andern in der schublade schlummern. kommt eine partei mal mit einem thema auf (zb die grünen mit der fusionsfrage), dann geht das bald unter, weil die scheinwerfer wieder auf dem NEEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNNNNN und den lustigen kravatten der singenden landräte sind.
Meury Christoph meint
Sie haben mich missverstanden. Nicht der SVP-Stil ist bemerkens- oder nachahmenswert. Das ist er nämlich definitiv nicht. Sondern wie die SVP es versteht Themen zu besetzen und sie auch medienwirksam zu bewirtschaften. Ich hätte gehofft, dass die restlichen Parteien mehr zu bieten haben, als den Kopf einzuziehen und zu warten bis die Sache vorbei ist. Dazu gehört durchaus, dass man Vorschläge für die Zukunft des Kantons machen darf…..Stichwort: Kantonsfinanzen, Wirtschaftsförderung, usw. Dazu scheint ja der SVP durchaus nichts Nennenswertes einzufallen.
M.M. meint
Es gibt im Baselbiet keine Liberalen mehr.
Meury Christoph meint
Stimmt. Also, wenn dann der letzte Sozialdemokrat auch noch gegangen ist, soll er doch bitte das Licht löschen. Danke!