Eigentlich ist es schon erstaunlich, dass das Thema Klimawandel quasi über Nacht aus den Medien verschwunden ist.
Mitte März hatte sich Greta Tunberg letztmals aus der Quarantäne gemeldet.
Seither herrscht Funkstille.
Dabei wäre doch jetzt die beste Gelegenheit, über die Forderungen der „Fridays for Future“-Jugend ernsthaft zu diskutieren, jetzt wo diese nicht mit Modellrechnungen, sondern in einem weltweiten 1:1 Feldversuch den Realitätstest bestehen müssen.
Die Flugindustrie liegt am Boden. Kaum jemand kauft sich noch ein Auto. Die Beizen sind geschlossen, der Export eingebrochen. Noch nie waren so viele Menschen in der Schweiz auf Kurzarbeit.
Kurz: Der Konsum ist eingebrochen wie noch nie, die Wirtschaft ausgebremst. Und niemand weiss, wie das neue Normale sein wird.
Klar, es ist verständlich, dass Corona alles überschattet. Zumal die meisten Journalisten auf Kurzarbeit gesetzt sind, isoliert im Homeoffice.
Wohl deshalb mangelt es den Berichten über die gegenwärtige Trockenheit am früher unvermeidlichen Hinweis auf den Klimawandel.
Ich versteh es ja: Kaum jemanden bereitet es Freude, mitten in der Coronakrise auch noch über die Apokalypse nachzudenken.
Aber mal so ganz unter uns: So wie jetzt müsste es sich doch anfühlen, dieses neue Normale, wenn wir alle unser Leben völlig neu ausrichten müssten.
Weil wir wissen, dass wir nicht darum herumkommen. Nicht nur wegen des Klimawandels, sondern überhaupt wegen allem.
Doch wollen wir das tatsächlich?
Wenn ich die öffentliche Diskussion der letzten Tage als Antwort auf diese Frage, in einem Wort zusammenfassen müsste, dann wäre das: Nein!
Die Menschen wollen nichts anderes, als ihr altes (Konsum)-Leben zurück.
Und zwar so rasch wie möglich.
Inklusive Pauschalreise im Sommer ans Meer.
An welches auch immer.
Weil uns die statistischen Zahlen unmissverständlich sagen: Wenn ihr nicht konsumiert, geht alles vor die Hunde.
Der Selbstbetrug, dem wir uns alle hingeben, ist doch der, dass wir uns einreden, wir könnten die Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren schrittweise auf „Grün“ umpolen.
Dann werde es schon gut.
Im Jahr 2050.
Mit Sonnenkollektoren auf dem Dach, Windrädern im Meer, Biomasse-Kraftwerken neben Bauernhöfen, Biogemüse im Körbchen, mit Elektroautos in der Garage und Ökomode am Leib.
Und der ganze Rest aber so was von Fair Trade.
Machen wir uns nichts vor, der ganze Ökoaktivismus hat nur ein Ziel: Unseren Lebensstil zu sichern.
Und um damit Geld zu verdienen. Sehr viel Geld.
Die wirtschaftsbestimmende Masse ist nicht bereit, coronaartige Abstriche zu machen, um die Müllberge tatsächlich zu verkleinern.
Ich sag mal locker vom Hocker meines Hochsitzes aus: Nicht mal die Klimajugend.
Wenn im Mai bei H&M die Rabattschlacht tobt, werden dort kaum Alte anzutreffen sein.
Um zu unserem Phantomziel schnellstmöglich zurückfinden, um zu retten was uns lieb und teuer ist, dafür geben wir wie verrückt Milliarden aus, verschulden sich die Staaten in einem noch nie gesehenem Ausmass.
Wer denken kann, dem sagt das alles übers neue Normale.
Es wird mehr oder weniger das alte sein.
Wenn wir also eines aus der Coronakrise lernen können, dann ist es das: Das 21. Jahrhundert ist im Grunde ein einziges gigantisches russisches Roulettespiel.
Marc Schinzel meint
Das erscheint mir zu satt, zu fatalistisch und zu stark vereinfachend. Diejenigen, die bei H&M die Rabattregale stürmen, sind nicht unbedingt Teil der Klimajugend. Die Welt ist längst multipolar geworden, nicht nur in der Politik, auch gesellschaftlich. Viele Gesellschaften existieren nebeneinander, oft ohne Bezug zueinander. Lösungen für Probleme, etwa beim Ressourcenverbrauch, sind nicht utopisch. Die Probleme von heute müssen nicht die von morgen sein. Der Mensch ist nie alternativlos dem Schicksal ausgeliefert. Die Geschichte geht weiter. Francis Fukuyama, der meinte, sie sei zu Ende, ist widerlegt. Es gibt heute schon viele Leute, die ohne ideologische Besessenheit oder ständige Gewissensbisse entspannt unterwegs sind, achtsam umgehen mit den Mitmenschen und der Umwelt – u n d dabei, oder gerade deshalb, ein wunderbares Leben führen. Zufriedenheit ist der Schlüssel. Wir, auch ich, werden weiterhin reisen. Wir werden uns in der Nähe freuen, in unseren tollen Landschaften, aber auch die Ferne erleben. Mehr Qualität statt Masse, vielleicht. Statt Kurztrip nach New York oder sechs Tage am Meer in Israel einen Monat vor Ort bleiben. Oder wieder einmal drei, vier Wochen durch Italien, Frankreich, Deutschland reisen. Muss nicht mal viel teurer sein. Ist aber viel eindrücklicher.
Stefano Kocher meint
Am Ende des Lebens und intellektuell auf solchem Level angekommen. Trist.
Arlesheimreloadedfan meint
Nein,es wird nie mehr so sein wie es war.
Das spielt doch keine Rolle ob sich Menschen bei H & M um ein paar Lumpen prügeln werden.
So wie die Stadt Winterthur mehr als 100 Jahre brauchte um ihre Nationalbahnschulden zurückzuzahlen.
So wird Bornhäussers Hudlelade. ( T W ) nie in der Lage sein,seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Plant jemand der Leser eine Kreuzfahrt ?
Warum streiten sich Leute heute um Gemüsesetzlinge?
Wer Salat säht,fährt weniger in die Ferien!
Thomas Zweidler meint
Ist schon verrückt.
Ferienreisen an welches Meer auch immer – SIE haben das, wenn man Ihren Blog verfolgte, alles gehabt. Viele Länder, viele Kontinente. Ohne schlechtes Gewissen.
Und was lässt Ihre Generation zurück:
Satte Bäuche aus allen Küchen dieser Welt, viele Flugmeilen, viele Fotos.
Und bestenfalls viel Geld zum Erben.
Kann man darauf stolz sein. Denn zurückgelassen wird auch: Miese Luft, Dreckwasser und verbrannte Erde.
Wieso die letzten Jährchen Eurer Generation nicht noch in Dienst der Natur stellen.
Anders Leben.
Die Kinder (falls vorhanden) und Kindeskinder werden danken.
Das gute ist – man muss keine Sekunde warten um mit guten Taten zu beginnen
sagte Anne Frank.
M.M. meint
Wir haben einen Garten.
Tim Meier meint
Wer da laufend von „mieser Luft“ schwafelt und behauptet, die Baby-Boomer-Generation hätte nichts unternommen und nur „Dreck“ hinterlassen, der werfe mal einen Blick auf diese Karten: https://luftqualitaet.ch/messdaten/jahreswertkarten.
Zur Erinnerung: Ingenieure verbessern die Welt und nicht Ideologen, noch weniger FFF-Schulschwänzer.
Ernst Bringold meint
Meine volle Zustimmung zum Text und dem Hinweis auf das russische Roulett: Mit über 8 Milliarden Menschen sind wir einfach viel zu viele auf dieser Welt und unser (Wirtschafts-) System funktioniert nur mit Wachstum und der (noch) billigen Energie – der Konsum ebenso. Das kommt nicht gut! Und, wir alle wissen das, aber verdrängen es – mit oder ohne Greta.