Ich halte nichts von Verschwörungstheorien. Mich interessieren Muster. Und Fakten.
Fakt ist, dass es potente Wirtschaftsvertreter und einflussreiche Politiker in und ausserhalb Europas gibt, welche auf den Zusammenbruch des Euros und den Untergang der Europäischen Union wetten. Auch in der Schweiz.
Das Motiv ist klar: Es geht um politische Macht und um wirtschaftliche Interessen.
Denn die Polit- und Wirtschaftseliten mussten mehr oder weniger hilflos zuschauen, wie immer mehr Souveränitätsrechte nach Brüssel verlagert wurden. Politische Entscheide mit wirtschaftlichen Folgen werden in Brüssel gefällt, für alle Mitgliedstaaten bindend.
Und auch für Länder wie die Schweiz, die mit der EU bilaterale Abkommen unterzeichnet haben.
Wenn also erneut eine Masseneinwanderungs-Initiative mit anderem Etikett ergriffen wird, dieses Mal durch die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns), einen Ableger der SVP, dann sollte man das grosse Bild nicht aus den Augen verlieren.
Die Schweiz ist für jene Kräfte, welche auf den Untergang der EU setzen, ein wichtiges, weil dank der SVP berechenbares Puzzleteil.
Der Kampf um Grenzen und Menschen wird um jeden Preis geführt.
Mit immer neuen Mitteln und Methoden. Die SVP/Auns setzt auf eine disruptive Initiative, für die sie vorerst gar keine Unterschriften sammelt.
Der Weg ist das Ziel.
Allein der Beschluss genügt, um den politischen Gegner in die Defensive zu zwingen. Und um die Schweiz unberechenbar zu machen.
Was gewollt ist: Der Beschluss eines Vereins verhindert fortan jede Verständigung mit der EU.
Diese Abstimmung wird die erste sein, die von Beginn weg online geführt wird.
Das fängt schon beim Sammeln der Unterschriften an und gilt erst recht für die Abstimmungskommunikation. Inserate und «Arena» waren gestern.
Wer heute Einfluss gewinnen will, muss mit individuell abgestimmtem Botschaften-Trommelfeuer auf allen sozialen Kanälen unterwegs sein.
Die digitale Revolution frisst die analoge Pro-und-Kontra-Diskussion auf Papier.
Und es sind nicht mehr nur die Basisbewegten von der Operation Libero, die es verstehen, wie man virtuos das Online-Campaigning betreibt.
Die SVP, tief geschockt vom Erfolg der Onliner bei der Umsetzungs- und Einbürgerungs-Initiative, hat digital aufgerüstet.
Davon muss man ausgehen.
Wer in sozialen Netzwerken den Ton angeben will, braucht nicht mehr unbedingt eine Handvoll begeisterter Idealisten.
Etwas Geld reicht aus.
In Grossbritannien investierte das «Vote Leave»-Komitee mehr als die Hälfte seines Budgets von sieben Millionen Pfund in die Dienstleistungen von AggregateIQ, einer jungen kanadischen Firma (mit Verbindungen zu Cambridge Analytica, ein Unternehmen der selben Branche, die im Trump-Wahlkampf engagiert war.)
Mit speziell entwickelten Software-Instrumenten und datenbasiertem Profiling wurden virtuelle Netzwerke aufgebaut, um in den sozialen Medien individualisierte Botschaften zu verbreiten.
Das sind keine der üblichen Abstimmungskampagnen mehr, sondern militärisch anmutende psychologische Operationen mit dem Ziel, bei jedem einzelnen Wähler den passenden emotionalen Schalter umzulegen.
Wie die neuen Kampagnen-Dienstleister ihre Datennetze auslegen, ist ihr Betriebsgeheimnis.
Während der Brexit-Kampagne soll «Vote Leave» dank den Kanadiern über eine Milliarde Kontakte zu potenziellen Wählern geknüpft haben.
Diese Freizügigkeitsabstimmung wird also in mehrfacher Hinsicht zur grossen Herausforderung für unser demokratisches System.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 10. April 2017
(c) Bild: Wikipedia
Michael Przewrocki meint
Auf welcher Seite sind Sie Herr Messmer? Oder flexibel? Oder müssen Sie nicht auf einer Seite sein?
M.M. meint
Falls die Frage die BaZ-Kolumne betrifft, so kann ich das Thema wählen, wie ich will und auch schreiben was ich will.
Ich muss aber auch kein Mütlein kochen.
Was den Brexit anbelangt, so bin ich der Meinung, dass die Briten sich komplett überschätzen.
Aber das ist nun weltgeschichtlich wirklich nichts Neues.
Michael Przewrocki meint
Beeindruckende Antwort. Danke für die Ergänzung.