Frau Frey, Präsidentin der FDP, schreibt in der neuesten Ausgabe des „Baselbieter Freisinn“, (sie ist in der Partei, deshalb liegt das bei uns rum), den wirklich erbauenden Satz:
„Waren früher noch vertrauliche Gespräche möglich, so finden heute Informationen aus Parteispitzengesprächen ihren Weg noch am selben Tag in die genannten Medien.“
Mit „genannten Medien“ meint sie Facebook, Twitter und vor allem diesen Blog.
Frau Frey beklagt sich bei ihren Parteianhängern in aller Öffentlichkeit darüber, dass wenn die „Parteispitzen“ gestern oder vorgestern etwas ausgekungelt haben, es heute oder morgen auf arlesheimreloaded oder in der BaZ oder in der bz zu lesen ist.
Nun erweckt Frau Frey mit diesem Satz an ihre Parteifreunde den Eindruck, sie sei die Unschuld vom Land. Als müsse man, um an die Geheimnisse der Baselbieter Spitzenpolitiker zu gelangen, Telefone anzapfen, E-Mail-Konten hacken und an Sitzungszimmertüren lauschen.
Welch belustigende Fantasien.
Es ist doch so, dass so ein „vertraulicher Beschluss“ initial von den drei Parteipräsidenten weitergereicht wird. Weil sie zum einen ein paar handverlesene Parteikollegen informieren müssen, damit das, was besprochen wurde, auch umgesetzt wird.
Und zum anderen, weil auch Parteispitzen von einem Mitteilungsbedürfnis getrieben werden, was man gemeinhin als „menschlich“ bezeichnet.
Kommunikationsprofis wissen um die Gesetzmässigkeit in Sachen Vertraulichkeit: Jedem, dem man etwas gaaaaanz vertraulich erzählt, gibt diese Information ebenfalls gaaaanz vertraulich an mindestens fünf Leute weiter. Mit dem ersten Empfänger einer vertraulichen Botschaft wird ein Schneeballsystem in Gang gesetzt.
Nun gehört es ebenfalls mit zum politischen Spiel, dass immer irgendjemand ein Interesse daran hat, das etwas höchst Vertrauliches an die Öffentlichkeit gelangt.
Ich persönlich bin überhaupt nicht wählerisch bezüglich der Intention der unterschiedlichen Quellen. Hey, wenn’s eine gute Geschichte ist? Wir haben es schliesslich nicht mit Staatsgeheimnissen zu tun.
Wenn also beispielsweise Frau Frey letzte Woche intern die Parole ausgibt, die FDP wolle bei den nächsten Landratswahlen 20 Sitze machen und dieses Ziel als vertraulich deklariert, dann dauert es genau bis gestern Vormittag, bis mich die Nachricht erreicht.
Weil ich inzwischen eine feste (Clown)-Nummer im Baselbieter Politzirkus bin.
Im konkreten Fall der 20 Sitze war der Grund der, dass ich ich vorgestern etwas geschrieben hatte, was die Quelle zur Annahme verleitete, ich wüsste bereits von der präsidialen Zielsetzung.
Was nicht der Fall war.
Ich meine, Frau Frey, zwanzig Sitze für die FDP? Sechs mehr als heute plus den Schäfli-Sitz? Das wäre für schweizerische Verhältnisse ein Erdrutschsieg.
Und dann die Sache mit Herrn Büttiker.
Herr Hoskyn von der BaZ fragt, kaum ist die Idee online (ich halte den Mann für wählbar), mit einer E-Mail nach, ob das mit dem Herrn Büttiker ein genialer Einfall sei oder ob ich da was gehört hätte.
Ich habe ihn angerufen, weil ich nicht so auf E-Mail-Verkehr stehe. Wird ja schnell mal weitergleitet, so eine E-Mail.
Ein paar Stunden später erfahre ich per SMS, mit wem Herr Hoskyn unter anderen geredet hat und weshalb er schreiben kann:
Recherchen der BaZ zeigen: Hinter den Kulissen wird tatsächlich über diese Variante diskutiert und die Idee findet durchaus Anklang.
Es ist halt eine überschaubar kleine Welt, dieses poltische Bastelbiet Baselbiet.
Dass eher früher als später alles, was Frau Frey et al sich aushecken, an die Öffentlichkeit gelangt, ist auch gut so. Schliesslich leben wir nicht in einer Diktatur und anders, als es Frau Frey meint, gibt es kein Primat der Parteien.
Der Souverän in diesem Land ist bekanntlich das Volk. Wenn also Frau Frey in ihrem Parteiblatt behauptet, sie werde von Leuten kritisiert, die nicht in der „politischen Verantwortung stehen“, dann ist das ausgemachter Bockmist.
In diesem Land trägt jeder Stimmbürger, jede Stimmbürgerin politische Verantwortung.
Dass hier und in den Medien Transparenz geschaffen wird, ist aus einem weiteren Grund sehr gut: Viele dieser niedlichen Geheimnisse, welche „Parteispitzen“ miteinander teilen, sind bei Licht betrachtet oft nichts als Luftheuler.
Frau Frey sollte sich also nicht darüber beklagen, dass die Schweine, die durchs Dorf getrieben werden, immer kleiner werden, sondern ihre Kommunikationsgebaren von Grund auf neu überdenken.
PS: Heute berichtet die BaZ, dass der bis anhin von der FDP hoch gehandelte Birsfelder Gemeindepräsident Hiltmann nicht mehr Regierungsrat werden will. Weil Herr Buser, wie man hört, Herrn Büttiker favorisiert?
Sissachr meint
Man müsste sich der Tatsache einfach mal gewahr werden, dass solche „geheimen“ Besprechungen immer irgend einen Weg nach draussen finden. Wenn man das akzeptiert, kann man sich ein Kommunikationskonzept einrichten, welches halt ebenfalls Teil der Besprechung sein müsste: Wer kommuniziert wann mit wem? Was sagen wir der ganzen Presse und zwar eine Stunde nach der Sitzung? Aktive Information nimmt nämlich allerlei Gerüchten und Mutmassungen entschieden an Spielraum….
gotte meint
frau frey und co. heissen in thomas manns zauberberg hermine kleefeld… denn diese „erfuhr unter dem Siegel der Verschwiegenheit dies und das, was sie unter demselben Siegel im ganzen Hause verbreitete“…