In der U-Bahn. Seit fünf Stationen sitzt eine junge Frau neben mir. Sie hat ihr Handy vor sich und ihre Kopfhörer angeschlossen.
Sie hört nicht Musik, sondern schaut aufs Display und redet mit jemandem.
Lebhaft, gestenreich.
Gemessen am London-Underground-Benimmkodex unfassbar laut.
Doch wir sind in Rom.
Wäre mein Italienisch deutlich besser, dann könnte auch ich am Gespräch teilnehmen. So wie alle anderen um uns herum.
Vom Warnton über der Wagentüre aufgeschreckt, hetzt sie zur Türe. Ohne das Gespräch zu unterbrechen. Gerade noch geschafft.
Der Mann mir gegenüber schaut mich an: «Donne!»
Ich nicke.
Völkerverständigung unter Männern.
Letzte Woche habe ich geschrieben, Männer seien die besseren Kommunikatoren.
Was gemäss elektronischen Reaktionen einige Leserinnen empörte.
Frauen sind der festen Überzeugung, sie seien allein schon deshalb die besseren Kommunikatoren als Männer, weil sie mit ihrer Freundin stundenlange Telefongespräche führen können.
Was die veröffentlichte weibliche Meinung mit dem Reload bestätigt, wir Männer seien nicht fähig, über Probleme zu reden.
Und so fühlen sie sich denn zu Pressesprecherinnen berufen.
Die Mutter aller Pressesprecherinnen ist Beatrice Tschanz.
Sie hat mit ihrer situationsgerechten Kommunikationsarbeit 1998 das Image der Swissair gerettet, als 1998 eine ihrer Maschinen bei Halifax abstürzte.
In diesen Stunden war sie nicht die Pressesprecherin des Unternehmens, sondern einfach «nur» Beatrice Tschanz, die sich um die Hinterbliebenen aufrichtig sorgte.
Danach wollten alle Unternehmen eine Beatrice Tschanz als Unternehmenssprecherin.
Am liebsten das Original.
Schon drei Jahre später hatte sich mit dem Grounding der Swissair der Hype um sie verflacht.
Was Frau Tschanz über Jahre hinweg als Vorwärtsstrategie verkauft hatte, waren nichts als Fehlentscheide gewesen.
Reden können hat nichts mit professioneller Kommunikation zu tun.
Professionelle Kommunikation ist die Kunst, mit wenigen Worten das zu sagen, was die Empfänger der Botschaft in der Lage sind, zu verstehen.
Und wenn man es gut macht, nicht nur zu verstehen, sondern sie als engagierte Botschafter weiterzuverbreiten.
Gefragt ist Strategie, Taktik und Zielerreichung.
Womit gesagt ist, dass professionelle Kommunikation nichts mit Offenheit, Ehrlichkeit, aber auch nicht mit Lügen zu tun hat.
Wie man es nicht macht, hat das Präsidialdepartement letzte Woche mit der verpatzten Pressekonferenz des Historischen Museums anschaulich vorgeführt.
Allein schon wegen dieser Inszenierung – Pressekonferenzen sind Inszenierungen – sollte sich Frau Ackermann sofort von ihrer Informationsbeauftragten trennen.
Aus vier Gründen:
1. muss als Basis der departementalen Kommunikationsarbeit endlich die Erkenntnis greifen, dass sich das Präsidialdepartement in einer Unternehmenskrise befindet.
2. Hat die Sprecherin an der Vorbereitung dieser Medienorientierung mitgewirkt, ist sie für das Desaster verantwortlich.
3. Hatte sie nichts damit zu tun, braucht man sie auch sonst nicht, und schliesslich neigen
4. Wohlfühlgemeinschaften dazu, unlösbar scheinenden Aufgaben aus dem Weg zu gehen, weil ihnen das Scheitern als entschuldbarer Ausweg erscheint.
Will also Frau Ackermann aus dem Schlamassel rausfinden, braucht sie als Erstes einen neuen Kommunikationsprofi.
Vizestaatsschreiber Marco Greiner wäre der Mann der Stunde.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 6. Dezember 2017
Meury Christoph meint
Beim richtigen Theater, dem Theater Basel, steht der Direktor Andreas Beck hin und sagt, was Sache ist. Gestern, dass er nur noch bis 2020 als Theaterdirektor amtieren wird. Dann macht er sich vom Acker, um in Deutschland seine Karriere fortzusetzen. Um dies kundzutun schiebt er keine PressesprecherIn vor. Ich gehe auch davon aus, dass er sich die Ankündigung nicht von einem PR-Profi diktieren liess. Das schätze ich an solchen Institutionen. Das schätze ich an Direktor Beck. Die grassierende Manie, dass nur noch PressesprecherInnen vernünftige und verständliche Sätze von sich geben können ist eine Katastrophe und eigentlich der Untergang der Glaubwürdigkeit und Authentizität. Ich will vom Original informiert werden. Das ist zumutbar. Ergo kann man im PD diese Stelle streichen. Auch wenn der Headhunter MM für männlichen Ersatz plädiert.
M.M. meint
Theater Basel beschäftigt eine Pressesprecherin für Presse- nd Öffentlichkeitsarbeit plus eine Kommunikationsdirektorin, die als Pressesprecherin des Intendanten tätig ist.
Niemand in einer Chefetage organisiert Medienkonferenzen selbst oder desen seinen Abgang. Das war eine klasse Inszenierung.