Ich mag dieses Buch von Miersch. Nicht nur, weil mir der Autor sehr sympathisch ist – wir kennen uns von einer Tagung her -, sondern weil es nicht allzu viele Seiten aufweist.
Da stellt sich nämlich dieses befriedigende Gefühl, „ich habe das Buch fertig gelesen“, (was, ich gebe es zu, allzu oft nicht der Fall ist, wenn ich an all die angefangenen oder nur halbwegs gelesenen Bücher denke, die bei mir rumstehen/liegen/vor-sich-hin-ipadlen), schon nach gut einer Dreiviertelstunde ein.
„Herr Miersch ist ein deutscher Publizist und Dokumentarfilmer“.
Er hat mit „Die Hippies haben gewonnen“ ein Pamphlet mit einer interessanten These verfasst, nämlich dass nicht Linken, also zum Beispiel in Basel Herr Gerster & Co., die seinerzeit in einem Anfall von einem Revolutiönchen für eine Stunde oder so die Tramschienen auf dem Barfi besetzt hielten und Gratistrams für alle forderten, es waren, welche den europäischen Nordwesten nachhaltig verändert haben, sondern wir, die Indienfahrer, die zu der Zeit in Afghanistan und Goa unser Joints und Chillums geraucht haben.
Das mag nun für die Linken und ihre heutigen Anhänger eine ziemliche Enttäuschung sein, aber Herr Miersch liegt völlig richtig.
Rund um diese These feuert er Sätze ab, denen man auf achgut, in der WELT in dieser oder jener Form schon mal begegnet ist.
Er hat jetzt das alles einmal zusammengefasst, pointiert zusammengefasst, „sich vom Leib (der Seele?) geschrieben“.
Hier nun ein paar Sätze – , die mediale Massenleserhaltung bringt es so mit sich, dass auch mir die Sätze besonders gut gefallen haben, die, gemäss Kindle-Version, schon andere Leser markiert haben. (Ich komme mir da immer etwas ertappt vor, wenn ich diese unterstrichenen Sätze sehe.)
Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen bestimmen das Zusammenleben.
Gut, der Satz ist nicht von Herrn Miersch sondern von Epiktet. Aber er gefällt mir auch sehr gut, weil ich das so ähnlich auch schon geschrieben und gesagt habe. Zugegeben nicht so schön verkürzt.
Aber der hier ist nun ein echter Miersch:
Zukunftsoptimismus ist aus deutscher Sicht eine amerikanische Geisteskrankheit.
Da kann man „deutscher“ streichen und „schweizerischer“ reintun, passt auch.
Die Verachtung der westlichen Freiheit und eine esoterische vernebelte Ökoreligion zählen inzwischen zur Grundausstattung der neuen gutbürgerlichen Ordnung.
Klar doch, die Kleinbürger sind die Secondo-Hippies mit ihren Apple-Laptops und herumtobendem Nachwuchs in der Mitte, die mindestens eine Stunde an einem einzigen Latte nippeln.
Ich denke nicht, dass Herr Miersch schon mal das Vergnügen hatte, Arlesheim zu besuchen. Aber so ist das hier, im Dorf mit der 20er-Zone, dem Ökobad (Gratis-Wifi des Bademeisters trotz bürgerlich dominiertem Gemeinderat noch immer verboten), der grössten Dichte an Elektrovelos in der Region und den öffentlichen Komposthaufen:
Grüner Lebensstil und das dazugehörige elitäre Bewusstsein erblühen überall dort, wo bevorzugte materielle Bedingungen herrschen und ein Dioxin-Ei die grösstmögliche existenzielle Bedrohung darstellt.
Und zum Schluss noch der da:
Die Öko-Religion verspricht ewiges Leben in Form nie endender Recycling-Schlaufen. Die Busse erfolgt in Form des Dosenpfandes.
Hier kann man die Schrift für nur Euro 2.99 (auch der Preis spricht für das Büchlein) runterladen.
Cornelis Bockemühl meint
Wozu herunterladen wenn man die Quintessenz hier schon so schön kurz präsentiert bekommt? Steht denn noch mehr in dem Büchlein als diese eine These, die schon im Titel „verraten“ wird? Wie auch immer, sie ist sicher nicht aus der Luft gegriffen! Aber vielleicht könnte man sie noch weiter denken:
– Der Liebhaber „westlicher Freiheit“ endet schliesslich in einem super-effizienten, durchoptimierten, orwell’schen Staats- / Wirtschafts- / Kontroll-System, wo „Freiheit“ nur noch eine hohle Phrase darstellt.
– Der gutsituierte, „esoterisch vernebelte Öko-Religiöse“ gewinnt dagegen tatsächlich Freiheiten – bis zur völligen Beliebigkeit und Belanglosigkeit. Mit denen er mangels Ideen aber eh nichts mehr anzufangen weiss.
Ganz nach dem Motto: schön gesagt, aber was soll’s? (Vielleicht ganz so wie dieser Kommentar – hören wir also besser wieder auf…)