
Bundesbern wartet gespannt auf das Zollurteil aus Washington. Aufgrund der aktuellen Entwicklung (und der Tagesform der Nr. 47) stehen zwei Szenarien im Raum: Entweder der EU-Hammer – 30 % Generalzoll plus 50 % auf Stahl und Aluminium sowie 25 % auf Autos. Oder die Briten-Keule – ebenfalls 50 % auf Stahl/Alu, 25 % auf Autos, aber nur 10 % auf übrige Produkte.
Oder etwas dazwischen.
Mit einem Zehn-Prozent-Zoll könnte die Schweiz leben, sagt der Bundesrat. Kritisch wäre allerdings, wenn Washington seine Drohung wahrmacht und auch Pharmaprodukte ins Visier nimmt.
Sei’s drum. Versuchen wir zu verstehen, was hier eigentlich geschieht.
Fest steht: Trump scheint es um eine Form der politischen Disziplinierung von Handelspartnern zu gehen – unter der steilen Prämisse, dass sich durch hohe Zölle die Rückverlagerung ausgelagerter Arbeitsplätze wieder lohne. Die Botschaft: Wer Zugang zum US-Markt will, soll vor Ort produzieren – nicht in Übersee.
Ein zweiter Punkt – und aus fiskalischer Sicht womöglich der entscheidendere: Der 10 %-Basiszoll lässt sich als verdeckte Einführung einer Mehrwertsteuer deuten. Die USA sind eines der wenigen Industrieländer ohne nationale VAT. Mit dem flächendeckenden Einfuhrzoll wird ein zumindest funktionales Äquivalent geschaffen – ein konsumorientierter, importbezogener Steuermechanismus, der vor allem ausländische Produzenten trifft, ohne die Binnenwirtschaft direkt zu belasten.
Dass die USA keine Mehrwertsteuer – Mindest-Standard‑VAT-Satz in der EU: 15 %, nach oben offen – eingeführt haben, ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines politischen Grundmusters. Eine landesweite Konsumsteuer wäre ein Fremdkörper: zu zentralistisch, zu intransparent, zu europäisch.
Die Vorstellung, dass sich der Staat aus dem Konsum seiner Bürger finanziert, gilt in den USA gemeinhin als politische Zumutung. Entsprechend fragmentiert bleibt das System: ein Flickenteppich aus bundesstaatlichen und lokalen Sales Taxes – verbunden jedoch durch eine breite, fast reflexhafte Ablehnung zentralstaatlicher Steuerpolitik aus Washington.
Doch genau in diesem Umfeld lanciert Donald Trump eine fiskalpolitische Massnahme, die auf den zweiten Blick wie das genaue Gegenteil aussieht: ein pauschaler Einfuhrtarif von zehn Prozent auf alle Importe – als Baseline für eine neue Ära der wirtschaftlichen Abschottung. Offiziell ist das ein Schlag gegen China, gegen die EU, gegen Globalisierung, gegen Deindustrialisierung.
Nüchtern betrachtet handelt es sich jedoch um ein zentralstaatliches Steuerinstrument in patriotischem Tarnanstrich. Schlicht und ergreifend, weil die Trump-Administration zusätzliche Geldquellen erschliessen muss.
Der Trick ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Eine offen kommunizierte Mehrwertsteuer wäre in den USA politisch nicht durchsetzbar. Ein Zoll aber, der als wirtschaftspolitische Notwehr inszeniert wird, lässt sich verkaufen – besonders in einem Klima, das Aussenhandel längst als Sicherheitsrisiko und Jobkiller betrachtet.
Im Kern läuft deshalb alles auf eine paradoxe Pointe hinaus: Die USA, die sich traditionell gegen eine nationale Mehrwertsteuer sträuben, haben nun doch eine – nur heisst sie anders, wirkt asymmetrisch und wird mit Flagge präsentiert. Trumps Zehn-Prozent-Abgabe ist nichts anderes als eine Art Mehrwertsteuer durch die Hintertür.
Man kann zum Schluss kommen, dass alle Tarife über dieser „VAT“ hinaus als politische Kampfansage betrachtet werden müssen – die gezielte Gegenmassnahmen erfordern.
Womit auf der Hand liegt: Wenn auf die Schweiz nur die Briten-Keule niedersaust, hat sie grosses Glück gehabt. Das finale Urteil wird mit dem Pharma-Zoll gefällt.
Ob die guten Dienste in Teheran, der Kauf der F‑35, die hohen Investitionen Schweizer Unternehmen in den USA oder die Ausbildung von Lehrlingen helfen, bevorzugt behandelt zu werden, bleibt zumindest fraglich.