Es ist mal wieder Oswald Spengler-Zeit. Sie wissen schon, der „Untergang des Abendlandes“.
Ich habe zumindest den ersten Band in der Frühzeit meines erwachsenen Lebens gelesen – begeistert. Denn in der Orientierungslosigkeit der Jugend trifft so ein Weltuntergangsbuch den Nerv des eigenen Daseins.
Spengler postuliert im Kern, dass alle Hochkulturen einem gleichen Zyklus folgen: Aufstieg, Erstarrung und schliesslich der unvermeidliche Niedergang.
Die beiden Bände des Untergangs erschienen 1918 und 1922, in den Jahren unmittelbar nach der ersten europäischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts.
Wenig verwunderlich also, dass Spengler fest davon überzeugt war, dass sich die westliche Kultur in einem Zustand des Verfalls befände. Sie sei keine „Hochkultur“ mehr, sondern habe sich zu einer blossen „Zivilisation“ herabentwickelt – zu einer leeren Hülle ohne innere Dynamik und schöpferische Kraft.
Spenglers „Untergang“ wurde zu einem Bestseller.
Seine negative Sicht auf die Dinge passte zur allgemeinen Stimmung nach dem 1. Weltkrieg; er hat die Ängste, den Pessimismus und die Orientierungslosigkeit der Nachkriegszeit in einer umfassenden und erst noch schlüssigen Theorie auf den Punkt gebracht.
Man braucht wenig Denkkraft, um zu erkennen, dass Spenglers Geist erneut mit voller Wucht den Zeitgeist steuert. (Obwohl kaum jemand seine Bücher gelesen hat. Aber das ist wie mit Freud, dessen Theorien schliesslich auch ins kollektive Wissen eingesickert sind.)
Kurzum: Mit Spenglers Kulturpessimismus lassen sich derzeit bei Wahlen regelrechte Erdbeben auslösen. Wir erleben, wie die Ablehnung der Aufklärung, von Vernunft und Logik und überhaupt von wissenschaftlichem Fortschritt die antimoderne und konservative Stimmung befeuert.
Diesseits und jenseits des Atlantiks; links und rechts des politischen Spektrums.
Bei Spengler gibt es keine Hoffnung.
Doch bei Konfuzius.
Dessen in „Gespräche“ gesammelten Reden habe ich als Mittvierziger ebenso begeistert gelesen. Wie der Deutsche vertritt der Chinese die Vorstellung, dass Gesellschaften und Kulturen durch Phasen der Blüte und des Verfalls gehen.
Im Gegensatz zu Spengler erkennt Konfuzius jedoch einen Weg, dem Untergang zu entkommen.
Er ist überzeugt, dass Gesellschaften – selbst im vermeintlichen Untergang – reformierbar sind, weil er sowohl an die Kraft der Moral als auch an das unerschöpfliche Potenzial des Menschen glaubt.
In China ist er wieder hoch im Kurs, weil er auch Respekt vor der Autorität fordert.
Na ja.
gotte meint
es ist vor allem „Die Schlafwandler“-zeit. 2045 reiben sich alle die augen, zucken mit den schultern und beteuern: „man konnte es ja wirklich nicht wissen“ resp. „wir haben wirklich nichts gewusst.“
P. Keller meint
Es könnte (Konjunktiv) auch sein – ich vermute, diese Argumentationslinie mögen Sie nicht –, dass wir uns einfach dem Ende der Evolution nähern, weil zu viele Arten verschwunden sind und damit das unschätzbar wichtige Ergebnis („Genpool“) von Millionen Jahren biologischen Experimentierens. Oder anders gesagt: die kritische Masse an Optionen, die es braucht für die Evolution, ist vielleicht bereits weggebrochen und damit das biologische Fundament des Homo sapiens. Im planetarischen Idealfall nur für den Sapiens. Um die verbleibenden Ressourcen gibt es Verteilungskämpfe, die Folge u.a. Migration. Chaos, Orientierungslosigkeit, Kriege und Krankheiten. Gut, das letztgenannte Problem löst der neue Gesundheitsminister der USA. Ob der zur Steinerschule ging? Dank ihm sind die Aktien der Impfstoffhersteller bereits im Keller. Brave New World – Konfusius hat die USA übernommen.