Argentinische Kriegsschiffe im Hafen von Ushuaia und Schnee in den Bergen.
Es hat geschneit. Und es ist richtig kalt. Erstmals seit Januar.
Ergo besucht man die lokalen Museen, weil geheizt.
Was man lernt:
a) Englische Missionare kamen hierher, um den Natives das Evangelium zu verkündigen. Und um ihnen beizubringen, dass man nicht nackig rumläuft.
Leider starben ihnen die bekehrten Indianer schon nach wenigen Jahren weg, sodass die Missionare dreimal eine neue Station aufbauen mussten. Mit demselben Ergebnis: die „Wilden“ wurden von eingeschleppten Krankheiten aus Europa dahingerafft.
Tröstlich für die Missionare: sie starben wenigstens als Christen.
b) Die verbliebenen Yaganas, deren Vorfahren seit gut 7000 Jahren dem Beagle-Kanal entlang siedelten, und die sich statt mit Kleidung mit Fett und Öl gegen Kälte und Nässe schützten – Haut trocknet am Feuer schneller als Wollkleider -, wurden schwarz-weiss in Bildern festgehalten. Sitzend vor einem Feuer, vor einer Laubhütte kauernd, in einem Kanu.
Unsicher, dreckig, für die Aufnahmen in Felle gekleidet.
Highlight: Ein Bild zeigt eine Gruppe fellbekleideter Yaganas im Zoologischen Garten von Paris. Man wollte sie, ist zu lesen, umgeben von wilden Tieren an Europa „akklimatisieren“.
Auch im Zoo von Basel war einst ein „Negerdörfli“ die grosse Attraktion.
c) Montaigne war seinerzeit siebzehn Monate in Europa unterwegs und brachte die Erkenntnis mit nach Hause, dass das, was für die einen eine Selbstverständlichkeit ist, bei anderen auf völliges Unverständnis stösst.
Über seine Reisebegleiter schrieb er:
»Sie fühlen sich, sind sie nicht mehr in ihren Dorf, nicht mehr in ihrem Element. Wohin sie auch gehn, klammern sie sich an ihre Gepflogenheiten und schütteln sich vor denen der Fremden. Begegnen sie einem Landsmann in Ungarn, feiern sie das als großes Ereignis …
Weshalb er sich auch für die völlig andere Lebensweise südamerikanischer Indianer interessierte.
In seiner Bibliothek stand unter anderem die französische Übersetzung von Las Casas „Tyrannies et cruautés des Espagnols perpétrées aux Indes occidentales qu’on dit le Nouveau Monde“, wo die Grausamkeiten der Eroberer detailgenau geschildert werden.
Wie wir im letzten Jahrhundert in Europa aufs Neue gelernt haben, bringt man den anderen dann ohne Skrupel um, wenn man ihn zum Nichtmenschen erklärt.
»Als wir nun feststellten, dass wir ihre Sprache überhaupt nicht verstanden und ihr Aussehn, ihr Verhalten und ihre Kleider völlig anders waren als unsre – gab es da einen unter uns, der sie deswegen nicht für Wilde und Barbaren gehalten hätte? Auch nur einen, für den es nicht Zeichen von tierischer Dumpfheit waren, dass sie stumm blieben und keine Ahnung von der französischen Sprache hatten, keine Ahnung von unseren Handküssen und den Verrenkungen unserer Kratzfüße?«
Morgen fliegen wir nach Buenos Aires. Dort soll es wärmer sein und das Wetter besser.