Weil gestern der Tatort Pause machte, habe ich mich frühzeitig ins Bett verdrückt und die Jobs-Biografie auf mein iPad runtergeladen. Ich bin dann bis kurz nach zwölf hängen geblieben.
Inzwischen sind ja schon viele Stellen aus dem Buch zitiert und kommentiert worden. Zumeist sind es Zitate aus dem späteren Leben von Jobs, über die Entwicklung von iProdukten und Auseinandersetzungen mit Weggefährten. Sind ja alles jüngere Leute, die da zitieren.
Ich bin auf ganz etwas anderes gestossen, auf Erstaunliches. Die Lebenswege von Jobs und mir haben sich in den frühen 70er Jahre gekreuzt.
Denn da tauchen zu meiner Überraschung zwei Namen auf, die mir schon seit vielen Jahren nicht mehr begegnet sind: Haridwar und Maharaji-ji.
Im College, so lese ich, verkehrte Jobs in einer Gruppe, welche dem Guru anhing. Zu der Zeit war ich zum zweiten Mal in Indien.
Ich hörte erstmals diesen Namen, als ich in Rishikesh (Beatles!) Station machte. Ich wohnte mit anderen bei einem Sannyasin, dem eine Schweizerin ihr kleines Haus samt Garten und Nebengebäuden überlassen hatte. Die hatte dort mehrere Jahre gelebt und war wieder in die Schweiz zurückgekehrt.
Der Platz hatte den Ruf, immer sehr sauber zu sein.
Wie Jobs und Millionen andere war auch ich auf der Suche „nach meinem Guru“. Nach ein paar Tagen bin ich dann mit dem Bus nach Haridwar gefahren und haben drei, vier Tage im Ashram des Gurus gelebt. Tagsüber mussten wir Kompost auf ein Feld austragen, den wir in Metallschalen heranschleppten, auf dem Kopf, wie dies in Indien üblich ist. Ich fand das ziemlich ineffizient, aber die hatten weder einen Karren noch Zugtiere dort.
Der Maharaji-ji, ein damals vierzehnjähriger Knabe, war nicht da. Er sei in den USA, hiess es. Deshalb wurden wir abends auf dem flachen Dach des grössten Gebäudes von einem Vertreter in das Geheimnis des „Knowledge“ eingeweiht. Dazu mussten wir die Augen schliessen und mit unserem inneren Auge das Licht suchen.
Na ja, der Sonnenuntergang war weitaus spektakulärer.
Am dritten Abend habe ich nach der Meditation eine unsinnige Diskussion über den Sinn dieser Übungen gestartet. Am anderen Tag haben sie mir nahegelegt, den Ashram zu verlassen. Als ich zum Sannyasin der Schweizerin zurückkehrte, meinte dieser ich solle aufpassen, die hätten viel Macht.
Steve Job traf ein paar Monate später in Haridwar ein.
Meine These war schon immer, dass man die Apple-Produkte als Ausdruck des Lebensstils der Babyboomer begreifen muss. Ich kann jetzt ergänzen: unter Berücksichtigung der besonderen Erfahrungen der Indien- und Acidfahrer. Nach Indien zu reisen, ohne „unsere“ Musik, Mann, das war eine echte Herausforderung.
Hätte es schon damals den iPod gegeben – heiliger Vishnu, wäre das ein Flash gewesen.
PS: Noch ein anderes Wort steht in Jobs Biografie, das zu der Zeit zu meinem Alltagswortschaft gehört hat: Disentery.
mehrlinks meint
Ja, dieser kleine dicke Guru war glaub ich Mitte oder Ende der Siebziger Jahre auch mal in Basel auf Tournee im Stadtcasino. Ein Bekannter von mir blieb entzückt an dieser indischen Leimrute kleben; in Andeutungen erzählte dann vom Nohlidsch (knowledge), von Hause aus hatte er das nötige Kleingeld und konnte dem Menschenfänger jahrelang nachfliegen, nach Amerika, nach Indien, überall hin.
Das mit dem Augenquetschen ist ja nun wirklich etwas sehr Rudimentäres, jedes Kind entdeckt dieses innere Kaleidoskop mal. Von geschäftstüchtigen Gurus wurden immer wieder bruchstückweise Körper- und Mental-Techniken aus dem spirituellen Yoga-Kontext herausgelöst und den erleuchtungssüchtigen jungen Leuten aus dem Westen angedreht.
Hirngewitter – wie auch immer induziert …
Aber Sie haben vieles ja bereits im Blog vom 6.10. schön auf den Punkt gebracht:
Interessanterweise waren herausragende Exponenten der Babyboomer-Generation wie S. Jobs nun auf beiden Pfaden unterwegs:
Im Westen schufen Informatik/Kybernetik die Grundlagen zur Entwicklung einer intelligenten Technik (die schliesslich zum Roboter oder meinetwegen cyborg führt) – im Osten wurden uralte Mentaltechniken öffentlich gemacht, deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen nun auch von den Neurowissenschaften aufgegriffen werden … alles weitere siehe science-fiction literatur …
Dass von beiden Pfaden nun Irrwege und Sackgassen abgehen, ist normal. Auf der einen Seite so faszinierend-unverständlich-funtionierende gagets wie das iPad, auf der andern Seite dieser ganze esoterische Klimbim und Aberglaube, der über uns hinwegrollt.
Aber Apple ist mainstream, würden Sie wohl sagen … nicht mehr Subkultur oder underground, aber wenigstens immer sehr ästhetisch …
A propos „unsere Musik, Mann“: In den Autobussen unterwegs habe ich immer mit grossem Vergnügen die einheimische Musik der Chauffeure gehört, durch das anatolische Bergland, weit im Hintergrund der Ararat, oder vom Kaspischen Meer nachts über das Bergland von Chorasan nach Maschhad …
Und bezüglich des letzten Wortes: Diese Einweihung hatte ich schon am dritten Tag der Reise, im Pudding-Shop in Istanbul fing’s an, durchgemacht, nachts im Delirium in einem Hotel in der Nähe der Blauen Mosche, auf den Strassen Kriegslärm, kıbrıs, kıbrıs, die türkische Armee marschierte in Zypern ein – aber nachher war ich immun …
M.M. meint
Müsste jetzt „gefällt“ mir drücken.