Mitte November letzten Jahres habe ich hier zur Zukunft des Gesundheitswesens in der Nordwestschweiz Folgendes geschrieben: «Will Basel, will die Region mithalten, muss man auf zwei Feldern zulegen: bei der Strategie und in der Politik.» Und weiter: «Die politische Konstellation für die praktische Umsetzung gemeinsamer Interessen war noch selten so günstig. Die Fusionsfrage ist geklärt und mit Lukas Engelberger in der Stadt und Thomas Weber auf dem Land sind zwei unaufgeregte Charaktere im Amt. Und beiden bleiben noch genügend Regierungsjahre, um gemeinsam dicke Bretter zu bohren. Sollten sie die Chance packen, könnten sie in ein paar Jahren ihren Nachfolgern ein Jahrhundertwerk übergeben. Die beiden sollten nächstes Frühjahr zu einer gemeinsamen Bergtour aufbrechen. Weil die Chemie, wie wir in Basel wissen, matchentscheidend ist.»
Nun scheint es so, dass sich die beiden Gesundheitsdirektoren nicht bloss zu einer Bergwanderung aufgemacht, sondern gleich einen Viertausender bestiegen haben. Auch wenn Herr Engelberger betont, man habe erst das Basislager erreicht.
Doch was die beiden Regierungsräte von Basel-Stadt und Baselland am Montag in Münchenstein geschildert haben, ist die Sicht vom Gipfel übers weite Land. Auch wenn die sofort herbeigeeilten Berufspessimisten bereits übergrosse Fragezeichen setzen, den politischen Mut, ausgerechnet diesen Berg zu besteigen, kann man ihnen nicht absprechen.
Ironie des Baselbieter Politlebens: Mit Thomas Weber ist es bereits das zweite Mal, dass ein SVP-Regierungsrat sich anschickt, die Weichen in der Spitalstrategie seines Kantons neu zu stellen. Es war Erich Straumann, der Bauer aus dem Oberbaselbiet, dem man deswegen wenig zutraute, der im entscheidenden Moment nicht rumzauderte. Straumann setzte sich durch und das UKBB konnte auf dem Areal der ehemaligen Frauenklinik in Basel gebaut werden. Gegen grossen Widerstand im Landkanton versteht sich, weil mit diesem Entscheid das Schicksal der Kinderklinik auf dem Bruderholz besiegelt war.
Dem Gesinnungswandel war eine Straumann-typische Episode vorausgegangen: Der SVP-Magistrat hatte sich kurzerhand ins Auto gesetzt, fuhr ohne Begleitung von Chefbeamten nach Basel und liess sich von der Projektkommission ausführlich informieren. «Der hat einfach mal zugehört», erzählte mir Jahre später einer der Teilnehmer an dieser denkwürdigen Sitzung. «Und dann hat er gesagt: machen wir.»
Erfolg in der Politik hat weniger mit guten Ideen, vollen Kassen oder geschliffener Rhetorik zu tun. Das Entscheidende ist, den richtigen Moment zu erwischen. Oder überhaupt zu erkennen, dass sich da der richtige Moment auftut, um die Dinge, die festgefahren sind, wieder in Bewegung zu bringen. Dinge wie das staatsbudgetfressende Gesundheitswesen, wo alle wissen, dass man endlich vorwärtskommen muss, aber keiner den Schneid hat, Hand anzulegen.
Ich weiss nicht, wie sich diese Spitalgeschichte nach dem heftigen Auftakt gestern weiterentwickeln wird. Mit Widerstand in der Stadt und auf dem Land war zu rechnen. Dabei ist es völlig egal, welches Argument diesen Widerstand nährt. Ist es nicht das eine, ist es halt was anderes. Deshalb gilt: Für eine Idee, von der man überzeugt ist, muss man als Regierungsrat unter Umständen sein Amt in die Waagschale werfen und kämpfen. Deshalb nichtsdestotrotz (Selbstzitat): «Ich bin Optimist.»
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 1. Juli 2015
Marc Schinzel meint
Der Gipfel als Ziel ist richtig gesetzt, die Route interessant. Der Weg dorthin ist noch steil, streckenweise unübersichtlich und gefährlich. Doch das ist im Gesundheitsbereich eine Binsenwahrheit. Wichtig ist, sich auf den Weg zu machen. Nichtstun ist heute riskanter.
Isaac Reber meint
gefällt mir 🙂