Nein, es besteht kein Grund für Jubel.
Die Nein-Resultate im Landkanton sind vielmehr Anlass, um sich einmal mehr Sorgen über den politischen Zustand des Landkantons zu machen.
Weil am Sonntag die Landschaft von einem mittleren Erdbeben erschüttert wurde.
Beschädigt wurde zuallererst der Ruf der Wirtschaftskammer, dieses sieggewohnten Apparats, ohne den in Baselland politisch nichts läuft.
Die Aufseher über das Verbandsgeschehen und den Direktor haben die Signale ignoriert.
Die vorangegangenen Mikrobeben hätten Warnung genug sein müssen: Die Nichtwahl des Direktors in den Ständerat, seine Nichtwahl in den Nationalrat, die Ablehnung des Grossprojekts Elba.
Wer ein Sensorium für die seismologischen Schwingungen während einer Abstimmungskampagne hat, der hat gespürt, wie Ende Oktober die Stimmung kippte.
Sie ging einher mit einem Themenwechsel: Nicht mehr das Umweltanliegen des Energiegesetzes stand zur Debatte, sondern bloss noch das Finanzierungsmodell, was als Losung «Kein Neugeld für den Altmarkt» auf den Punkt gebracht wurde.
Dem Wirtschaftsverband ging am Sonntag ein Millionengeschäft durch die Lappen.
Ein Direktor, dem (aus Überheblichkeit?) das Gespür für die öffentliche Stimmung verloren geht, kann für einen Verband zu einer erheblichen Belastung werden.
Man erinnere sich an Economiesuisse vor ein paar Jahren: Nach der Minder-Initiative musste der Vorstand einsehen, dass der Direktor endgültig das Vertrauen der wirtschaftsfreundlichen Bürger verloren hatte, weshalb er gehen musste.
Was wir seit Sonntag wissen: Die Wirtschaftskammer mit Herrn Buser hat grösste Mühe, den richtigen Draht zu den Leuten ausserhalb des «Liestaler» Politbiotops zu finden.
Bei einem Bier an der Hotelbar im Strand in London, ich lebe derzeit in der britischen Hauptstadt, meinte letzten Samstag ein Bekannter, er habe jetzt doch Nein gestimmt. An der Delegiertenversammlung hatte er noch Ja zur Energiesteuer gesagt.
Das Beben vom Sonntag hat auch bei der FDP sichtbar Risse hinterlassen.
Nein, es besteht kein Grund zur Schadenfreude.
Denn eine durch Flügelkämpfe angezählte FDP liegt nicht im Interesse der bürgerlichen Sache.
Was die Lage nicht besser macht, ist die im politischen Offside stehende Baudirektorin. Die nicht zurücktreten will, «weil wir in unserem System keine Rücktrittskultur haben» (Parteipräsidentin Frey auf Telebasel).
Die neuen Risse legen den Blick frei auf die eklatante Führungsschwäche von Frau Frey.
Ihr Job als moderierende FDP-Geschäftsführerin war eine Schönwetteraufgabe – gesteuert von Christoph Buser und geschubst von Rolf Richterich.
Doch jetzt sind beide angeschlagen.
Richterich hat sich im Laufental im Deponienstreit bis zur Drohung mit dem Anwalt verkracht.
Seit Sonntag fehlt der FDP jemand auf der Brücke, der die Nerven behält und nicht wie die Amtsinhaberin auf Rache sinnt und den Opponenten in der Partei mit Konsequenzen droht.
Bleibt zu guter Letzt noch ein Wort zur SVP, deren grösste Gegnerin, das hat die bisherige Legislatur gezeigt, nicht die Linke ist, sondern die FDP.
Sie ist auf der Siegerseite, weil sie sich im Abstimmungskampf unter dem Radarschirm der Öffentlichkeit bewegte. Und bot damit den Links-Grünen an Busers Seite keine Angriffsfläche.
(Ergänzung zum Originaltext: Dass überhaupt über die Energiesteuer abgestimmt werden konnte, ist ihr alleiniger Verdienst. Sie hat im Landrat gegen die vereinigte Links-Grüne-FDP-CVP zunächst für die Aufteilung der Vorlage und anschliessend gegen das Finanzierungsmodel gekämpft.)
Ohne grosses Aufsehen also liess sie 40 000 Flyer in die Baselbieter Haushaltungen verteilen.
Die Pointe: ausser in Arlesheim und Birsfelden.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 30. November 2016.
Meury Christoph meint
Warum sollten wir uns Sorgen machen, wenn sich die FDP innerparteilich zerfleischt und gezielt aus dem Rennen nimmt. Wird uns die FDP als politische Kraft fehlen? Ihr Gestaltungswille im Sinne des Gemeinwohls hat sowieso krass abgenommen.
Basel-Stadt hat’s bei den Wahlen vorgemacht: Die WählerInnen werden sich nach ihrem Gusto eine neue politische Bleibe aussuchen. Die Tendenz geht in Richtung LDP und SVP. Mangels LDP im Baselland, also hin zur SVP.
liberopoulos meint
Leider gibt es die „Aufseher über das Verbandsgeschehen“ bei der Wirtschaftskammer (noch) nicht wirklich. Handelte es sich doch bis ahnin um reine Schönwetter Gremien, die brav die Vorschläge/Parolen der Geschäftsstelle oder des Direktors abnickten. Allerdings glaube ich nicht, dass sich hier was ändert und Buser auf seinem hohen Ross verbleibt.
Margareta Bringold meint
Das wär ich doch ein bisschen optimistischer. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Die Wirtschaftskammer hat mit diesen abverheiten Abstimmungskampagnen viel Geld verlocht. Die Gewerbler sollten sich mal überlegen, wie lange sie da Geld in diesen Aktionsfonds buttern oder ob dieses Geld nicht anders besser angelegt wäre. Andreas Schneider als Verwaltungsratspräsident müsste sich auch mal ein paar Gedanken machen zu seinem glücklosen Direktor. Vielleicht sollte er mal mit seinem Basler Kollegen Marcel Schweizer vom Gewerbeverband essen gehen und diskutieren, ob es wirklich zwei Gewerbeverbände in dieser Region braucht. Ein Grossteil der Gewerbeverbände tragen den Namen „…verband beider Basel“. Würde da nicht ein Gewerbeverband beider Basel genügen? Darüber sollten sich die beiden Herren Verbandspräsidenten mal ein paar Gedanken machen. Es braucht keine zwei Gewerbeverbände in der Region Basel und Christoph Buser braucht es ganz bestimmt nicht.
liberopoulos meint
Kann ich im Grundsatz unterstützen. Man muss aber bedenken, dass es sich beim Haus der Wirtschaft um ein Perpetuum Mobile handelt und die Wirtschaftskammer nur ein Teil davon ist.
Margareta Bringold meint
Wer etwas erreichen will, sucht Wege. Wer etwas verhindern will, sucht Gründe. Man sollte nicht bei jeder Idee Gründe suchen, warum man etwas nicht machen will. Es braucht nicht zwei Gewerbeverbände in der Region Basel.