Nein, ich bin eigentlich nicht zuständig für dieses Genderzeugs. Dieses Feld wird hier dienstags sehr sachkundig von Frau Stämpfli beackert. Wobei ich mit dem zweiten Satz wohl schon mitten im Gender-Minenfeld feststecke. Was man allerdings, der Arglosigkeit des Heteros geschuldet, erst dann merkt, wenn so ein Ding hochgeht. Frau könnte also diesen Einstieg als sexistisch interpretieren, weil eine Frau dazu benutzt wird, die Aufmerksamkeit der geneigten Leserschaft abzufangen. Okay, dem ist so. Also lesen Sie jetzt auch noch den Rest.
Letzte Woche habe ich gelesen, und das ist der Anlass für diesen thematischen Abstecher, dass US-Parlamentarier es ablehnen, sich in ihrem Büro allein mit einer Frau aufzuhalten. Tritt der Fall ein, dass die männlichen Teilnehmer an einer Sitzung den Raum verlassen, muss auch die Frau gehen. Oder, falls der Senator oder Kongressabgeordnete sich allein im Sitzungszimmer oder Büro befindet, soll sie gar nicht erst eintreten. Irgendwie stellte sich bei mir das Bild von einer Frau umhüllt von einer Plastikburka ein.
Zum besseren Verständnis dieser ziemlich paranoiden Regel, um das Kind (welch schönes Genus, dieses deutsche Neutrum) beim Namen zu nennen, muss man einen Report zitieren, wonach fünfzig Prozent der weiblichen Parlamentarierangestellten nach eigenem Bekunden unter Sexismus leiden. Und selbstverständlich sind da noch die zahlreichen Prozesse wegen sexueller Belästigung, die (weibliche) Angestellte gegen ihre Arbeitgeber angestrengt haben. Ein besonders spektakulärer Fall ist im März vor einem kalifornischen Geschworenengericht verhandelt worden. Eine Frau hatte gegen eine bekannte Investmentfirma geklagt, sie sei nur deshalb nicht befördert worden, weil sie eine Frau sei. Das Gericht sah das nicht so.
Ich habe die US-Senatsgeschichte letzte Woche, eingebettet in einen typischen Männer-Smalltalk, zum Besten gegeben so im Sinn von: «Die spinnen doch die Amerikaner.» Worauf zu meiner Überraschung der leitende Angestellte eines grösseren Basler Unternehmens mir erklärte, er überlege es sich schon auch, ob er allein mit einer Frau den Lift benutzen soll. Und bei anderer Gelegenheit – Mittagessen in einem von Männern dominierten Businesskontaktrestaurant – meinte ein Professor der hiesigen Universität, er rede schon seit Jahren mit Studentinnen und Assistentinnen nur bei weit offener Bürotüre unter vier Augen. Neuerdings habe er ein rundum verglastes Büro, was die Lage für ihn entspannt habe.
Ich meine, ich verstehe ja, dass ein Celebrity mit einschlägiger Erfahrung nie mehr in seinem Leben allein mit einer Frau Lift fahren will oder sich ebenso lang nicht mehr ohne Aufpasser mit einer Frau ins Auto setzen wird – Bekannte hin oder her. Aber was soll diese Genderhysterie im normalen Alltag?
Wenn ich jetzt noch schriebe, dass ich es gut finde, dass das Bundesgericht die doppelte Vaterschaft zweier Schwuler nicht anerkannt hat, weil es halt so ist, dass sich gleichgeschlechtlich orientierte Männer selbst mit Trauschein nun mal qua Naturgesetz ohne Frau nicht fortpflanzen können – im besagten Fall: Eispenderin plus Petrischale plus Leihmutter = Nachwuchs – wie aberwitzig ist eigentlich das? –, dann ginge gleich noch eine Gendermine hoch. Bum! Homophobie!
PS: Hillary Clinton bezahlte seinerzeit als Senatorin ihren weiblichen Angestellten 28 Prozent weniger als den Männern.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung vom 27. Mai 2015
gotte meint
nachdem ich, altbundesrat furgler in verehrung folgend, die höhe meines pults dem niveau des beitrags gemäss nach unten angepasst habe, sage ich: hähähä! hähä! hähäääääääää!
Grummel meint
Wir werden uns alle noch verwundert die Augen reiben: Ich warte auf den ersten Sexismus-Prozess, weil ein Mann die Avancen einer Transgender-Frau zurückweist.
Ch. Keller meint
Ob nun Schuhhäuser oder ob Polit(verfehl)prognosen und auch sonst so was, wie obiges – der Messmer springt (bzw. schreibt) immer wieder überraschend in deren vielen Scheissen rein… 😉
…selber drauf gekommen?
M.M. meint
Brauche keine Einflüsterer. Man beschäftigt sich halt mit den Dingen. 🙂
Exil-Basler meint
Boom!
Sehr geiler Text. Und am Schluss eine fette Pointe. Grosses Kino!
kardamom meint
„Aber was soll diese Genderhysterie im normalen Alltag?“
Es hat sich nun mal herausgestellt, dass der Vorwurf eines sexuellen Übergriffes eine der stärksten Waffen in einem Konflikt ist. Im derzeitigen gesellschaftlichen Kontext ist die Unschuldsvermutung (als rechtsstaatliche Errungenschaft!) schlicht und einfach ausser Kraft gesetzt.
Auch wenn der Vorwurf sich später als haltlos erweist, ist der Ruf dessen, dem der Übergriff vorgeworfen wird, nachhaltig ruiniert und die Person, die den Vorwurf in die Welt gesetzt hat, muss in der Regel dafür keine Verantwortung übernehmen.
Leseempfehlung dazu : http://de.wikimannia.org/Falschbeschuldigung