Hochrangige vietnamesische Militärs klettern voller Freude auf einem 1954 abgeschossenen französischen Panzer herum. Die politische Antithese dazu bildet der Vietnamese mit der Adidas-Kappe – man beachte die Aufschrift auf seinem T-Shirt.
Dien Bien Phu steht für die Arroganz französischer Militärs und für das strategische Genie General Giaps. Und darüber hinaus steht die Schlacht von 1954 für das Ende der französischen Kolonialherrschaft und den Beginn des US-Engagements in Vietnam.
Ich war auch in den Sechzigern kein Linker, sondern fand die Dominotheorie der Amerikaner vor dem Hintergrund der damaligen politischen Weltlage ziemlich stichhaltig. Schliesslich galt es, die Kommunisten nicht nur in Berlin unter Kontrolle zu halten, sondern deren Vormarsch in Südostasien zu stoppen.
Im Grunde genommen könnte man es schon als ziemlich bemerkenswert bezeichnen, dass die Vietnamesen ausgerechnet eine westeuropäische Wirtschaftstheorie, die von Karl Marx, als ideologischen Unterbau ihres Unabhängigkeitskampfes brauchten.
Man hätte ja auch völlig ideologiefrei für seine Unabhängigkeit kämpfen können.
Doch: Wenn Religion Opium fürs Volk ist, dann ist der Kommunismus Amphetamin für die Revolutionen und Unabhängigkeitskriege des 20. Jahrhunderts gewesen.
Wir wissen, wie die Geschichte ausgegangen ist: am 1. Mai 1975 endete der Vietnamkrieg mit dem Sieg des kommunistischen Nordens und der Niederlage der Amerikaner.
Nun ist es bekanntlich so, dass sich die Erde auch nach einem solchen, vor allem von inzwischen schwer in die Jahre gekommenen Linksromantikern in Westeuropa mit anhaltendem Applaus bedachten Ereignis, einfach weiterdreht.
Die Sowjetunion gibt es nicht mehr und Chinas Bevölkerung eifert derart dem Westen nach, dass Mao, befände er sich in einem Grab, in demselbigen ziemlich rotierte.
In Vietnam hat man 1986 eingesehen, dass es mit der Kollektivwirtschaft so nicht weitergehen kann. Seither geht es auch hier aufwärts.
Was bedeutet, dass die Konsumwelt des Westens und dessen in der TV-Werbung und TV-Shows (auch Vietnam sucht den Superstar) vorgelebten Lebensstil für die Menschen attraktiver sind als die kommunistische Ideologie der Vorväter.
Man will es zu persönlichem Glück und materiellem Wohlstand bringen und irgendwann mal – im Wortsinn – Audi fahren.
Was mich zur Feststellung bringt, dass bald mal vierzig Jahre nach dem Rückzug der Amerikaner aus Vietnam, Sieger und Verlierer nicht mehr so eindeutig auszumachen sind, wie 1975.
Als noch immer liberal-konservativer Zeitgenosse neige ich auf Grund der gewonnenen Eindrücke dieser Reise und einiger Gespräche auch hier in Vietnam dazu, inzwischen einen klaren Vorsprung des Westens zu erkennen.
Was die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus anbelangt, so sehe ich das inzwischen ziemlich pragmatisch. Auch für ihn gelten inzwischen die Gesetze des Marktes.
Weil wir nicht davon ausgehen können, dass das schweizerische politische System – die einzig wirkliche demokratische Regierungsform – auf absehbare Zeit von allen Ländern dieser Erde übernommen wird, muss man sich in der Übergangszeit mit anderen politische Systemen arrangieren.
Wobei ich inzwischen eine kommunistische Diktatur wie in China und Vietnam als weniger verwerflich bewerte, als die Erb-Diktatur eines sich an die Macht geputschten Familienclans. Kommunisten sind berechenbarer, bekämpfen sich in Fraktionen untereinander.
Und weil heute gilt (frei nach Mao): Alle politische Macht kommt aus den Smartphones.
Vietnamesische Offiziere lassen sich am Rand eines von ihren Vorgängern verursachten Bombentrichters in der ehemaligen französischen Festung A1 fotografieren.